Weltstars an der Maas
Zugegeben Puccinis "Mädchen aus dem Goldenen Westen" wird nie zu den ultimativen Opernhits gehören, doch die ambitionierte Orchestersprache läßt die kolportagehafte Handlung vergessen. Dieses wundervolle Werk gibt es jetzt in der Lütticher Oper zu erleben, die sich nach der Sanierung zu einer sehr ambitionierten Spielzeit mit echten Sängerhöhepunkten aufschwingt. Lorenzo Marianis Inszenierung, gleichzeitig für Palermo und San Francisco erstellt, ist keine Sternstunde der Regie, sondern erzählt die etwas haarige Handlung um Cowboys, Saloonwirtin und Banditen strikt und effektvoll nach Libretto. Für meinen Geschmack ist alles ein wenig "zu"; die Theke mit dem Riesenspiegel für arme Goldgräber zu üppig, die Ausgelassenheit zu aufgesetzt, da kracht Minnies Auftrittspistolenschuss wie Donner… und dann steht sie da: Dolly Parton, äh nein, Deborah Voigt als Minnie, doch im bordeauxfarbenen Leder-Reitdress mit wilder, blonder Mähne läßt sie durchaus an die Country-und Western-Ikone denken. Es ist wirklich Deborah Voigt, der Star von der Met, die man selten in unseren Gefilden zu Gehör bekommt, ein "All-American-Girl", die die naive Wild-West-Heroine mit viel Natürlichkeit und unglaublicher Verve verkörpert, zwar klingen die Höhen durch die vielen dramatischen Partien mittlerweile aufgerauht, doch man muß um keinen Ton fürchten, die Interpretation wird zur echten Herzenessache. An ihrer Seite als geliebter Bandit Dick Johnson alias Ramerrez singt Carl Tanner mit schön bronzenem Tenor, wie man sich das ebenfalls an den großen amerikanischen Häusern vorstellt. Der Dritte im Bunde ist Carlos Almaguer als fieser Sheriff Rance mit wunderbar üppigem Bariton, ein echtes Trio Triumphale. Die vielen, anderen Partien und die Chöre sind ebenfalls hervorragend bis gut besetzt, wobei der Bariton von Willem van der Heyden als Nick noch einmal besonders hervorsticht.
Was den Abend jedoch endgültig auf Weltniveau hebt ist das Opernorchester unter Gianluigi Gelmetti, die einen der besten Puccinis meines Lebens musizieren, da wird weder das süffige Melos mit seiner Nähe zur Filmmusik unterschlagen, noch die avancierten Modernitäten gerade dieser Partitur; für mich eine echte Erfüllung.
Freunde konservativer Oper kommen bei dieser Aufführung absolut auf ihre Kosten, wie qualitätsbewußte Melomanen. Die nächste Premiere, Verdis "La forza del destino", weist ebenfalls ein sehr interessantes Besetzungsangebot auf, also hin: Lüttich lohnt.
Martin Freitag