Besuchte Vorstellung am 9. April 2022, Premiere am 12. März 2022
Mit Spielfreude
Schon vor 11 Jahren zu Beginn ihrer Intendanz stand „Don Giovanni“ auf dem Spielplan, jetzt in ihrer letzten Saison hat Generalintendant Karen Stone die Regie in der Neuinszenierung der „Oper aller Opern“ (E. T. A. Hoffmann) selbst übernommen. Mit ihrem langjährigen Ausstatter Ulrich Schulz erreichte sie durch zwei sich gegeneinander drehende Spielflächen mit leicht veränderbaren, in abstrakten Grautönen gehaltenen Stellwänden, dass die vielen Szenenwechsel fast wie von selbst passierten. Um die jeweilige Situation zu kennzeichnen, half eine intelligente, jeweils stimmungsgerechte Lichtregie. Durchaus charakterisierend waren die Kostüme gestaltet: Die „einfachen“ Leute waren in helle Anzüge und weiße Unterkleider gesteckt, während die Adligen meist ein festliches Outfit kleidete. Dabei gab es schwache Andeutungen an die Entstehungszeit der Oper, also das Rokoko, aber vor allem Anleihen bei der exzentrischen Ästhetik der Designerin Vivienne Westwood, was sich u.a. an den abenteuerlichen Hochfrisuren bei Donna Elvira und der Feiergesellschaft des Finales im 1. Akt zeigte. Dass Leporello auf seinem T-Shirt die Aufschrift „SERVO“ trug, war überflüssig; unverständlich waren in der Szene, wenn dieser seine Giovanni-Verkleidung aufgeben muss, sieben verschleierte Frauengestalten mit Totenköpfen. Trotz dieser kleineren Ungereimtheiten war wieder einmal beeindruckend, mit welcher spürbaren Spielfreude das gesamte Ensemble sicher und glaubhaft durch die Anleitung der erfahrenen Regisseurin agierte. Anders als anderswo wurde so gut wie nichts gekürzt; Ottavio durfte seine beiden Arien „Dalla sua pace“ und „Il mio tesoro“ und Elvira „Mi tradi quell’alma ingrata“ singen. Manche Kürzungen der überlangen Rezitative hätten einem stringenteren Ablauf der Handlung allerdings gut getan.
Martin-Jan Nijhof/Zhive Kremshovski/Statisterie
Stimmlich gab es niveauvolle Leistungen des gesamten Ensembles, allen voran Martin-Jan Nijhof als attraktiver, eleganter Don Giovanni. Der Niederländer mit dem bassgrundierten Bariton hatte 2009 in Magdeburg noch den Leporello gegeben und überzeugte jetzt mit einschmeichelnden, lyrischen Klängen im Duett mit Zerlina „Là ci darem la mano“ und im Ständchen (mit akustisch etwas zu stark eingespielter Mandoline). Aber auch die dramatisch auftrumpfenden Passagen gelangen dem schlanken, hoch gewachsenen Sänger problemlos. Sein Leporello war der Mazedonier Zhive Kremshovski, dessen ausgesprochen munteres Auftreten ebenso gefiel wie sein in allen Lagen flexibler, charaktervoller Bass. Mit voll timbriertem, abgerundetem Mezzo wartete Emilie Renard als Donna Elvira auf, die ja bis zuletzt versucht, Don Giovanni in ein normales Leben zu führen. Dies machte die Anglo-Französin trotz ihres merkwürdigen Kopfputzes glaubhaft deutlich.
Marie Fajtová/Emilie Renard/Zhive Kremshovski/Na’ama Shulman
Mit geradezu hochdramatischer Wucht stattete Marie Fajtová vom Nationaltheater Prag die von Giovanni verführte Donna Anna aus. In der Inszenierung blieb offen, wie weit Don Giovanni bei ihr gekommen war und ob sie ihrem Verlobten Don Ottavio wirklich die ganze Wahrheit gesagt hat, ein ewiges „Rätsel“ der Oper. Jedenfalls hinterließ die tschechische Sopranistin mit ihrer klaren, sicher durch alle Lagen geführten Stimme vom klangvollen piano bis in eindrücklich absolvierte Höhen sehr positiven Eindruck. Die immer ein wenig undankbare Partie des Don Ottavio war Manuel Günther anvertraut, der nach seiner ersten, etwas unklar intonierten Arie mit tenoralem Glanz in der achtbar präsentierten zweiten Arie dann doch punkten konnte, obwohl ihn hier das Orchester zeitweise ein wenig zudeckte. Eine entzückende Zerlina war die junge Israelin Na’ama Shulman, die mit glockenhellem, stets intonationsreinem Sopran für sich einnahm. Rollendeckend war ihr Masetto der junge Mexikaner Juan Marcos Martínez Mijares. Johannes Stermann gab mit seinem sonoren Bass dem Komtur angemessenes Profil.
Johannes Stermann/Martin-Jan Nijhof/Statisterie
Zu dem flott ablaufenden Geschehen auf der Bühne passte bestens die musikalische Gestaltung, für die Magdeburgs 1. Kapellmeister Svetoslav Borisov durch temperamentvolles und zugleich präzises Dirigat sorgte. Die ausgezeichnete Magdeburgische Philharmonie folgte ihm weitgehend aufmerksam – schön, dass die Bläser in der Schlussszene auf der Bühne zu sehen waren. Seine wenigen Aufgaben absolvierte der Opernchor des Theaters Magdeburg in der Einstudierung von Martin Wagner gewohnt klangvoll.
Das Publikum war begeistert und spendete allen Mitwirkenden reichlich und lang anhaltend Beifall.
Fotos:©Andreas Lander
Gerhard Eckels 10. April 2022
Weitere Vorstellungen: 18.4.+7.,29.5.2022