Vorstellung am 27.10.18 (Premiere)
Diese sogenannte ballad opera von John Gay (1685-1732) und Johann Christoph Pepusch (1667-1752) war gleich bei ihrer Uraufführung ein Riesenerfolg und wurde 62 Mal gegeben, was damals absoluter Rekord war und ihr den Titel der „populärsten Produktion des 18. Jahrhunderts“ einbrachte. Als das Werk 1920 auf der Bühne wieder groß herauskam, stand es in London-Hammersmith in 1.463 Vorstellungen auf dem Spielplan und war damit neuerlich eine der langlebigsten Aufführungen des damaligen Musiktheaters. 1928 entstand dann auf seiner Grundlage die „Dreigroschenoper“ mit Musik von Kurt Weill und Texten von Bert Brecht (so die Sprachregelung des Letzteren, obwohl Elisabeth Hauptmann für einen Großteil verantwortlich war).
Schließlich beschäftigte sich auch Benjamin Britten damit und erarbeitete 1948 eine neue Fassung für Cambridge.
Eine ballad opera war ein Werk, das die populäre Form der Ballade auf die Bühne brachte, die zwischen gesprochenen Texten erklang. Autor John Gay geißelte mit der Handlung den Verfall der Sitten und die Korruption in der englischen Hauptstadt. Gleichzeitig sollte der italienischen Oper, die den Spielplan der zwei großen Londoner Häuser beherrschte, eins ausgewischt werden, wofür die Balladen eingesetzt wurden, die textlich und im Gehaben dem überdrehten Stil der Barockoper entsprachen. Der aus Berlin gebürtige Wahllondoner Pepusch verwendete dafür sowohl englisches, irisches, schottisches und französisches Volksgut, als auch Musik von Händel, Purcell, Bononcini, Frescobaldi und Geminiani.
Nun hat sich Robert Carsen zusammen mit dem bekannten englischen Autor und Dramaturgen Ian Burton des Stückes angenommen, aber gleichzeitig William Christie, den charismatischen Leiter von Les Arts florissants in das Projekt eingebunden. Dieser wählte die Musik für die Produktion aus und stellte Teile seines Ensembles, unter der Leitung von Florian Carrè, zur Verfügung. Nach den ersten Vorstellungen im Pariser Théâtre des Bouffes du Nord findet nun eine großangelegte Tournee durch Frankreich statt. Für das Ausland sind bisher nur Italien und Griechenland angeführt. Macht die Tournee bei den Hellenen in Athen Station, so gelang es den tüchtigen Leitern des Teatro Coccia, die Produktion an Land zu ziehen, die nur in Novara und in Zusammenarbeit mit Pisa gezeigt wird, also nicht in Metropolen, sondern relativ kleinen Städten. Chapeau!
Die Fassung von Carsen und Burton hat den Text für die heutige politische Situation adaptiert und spart nicht mit Seitenhieben auf den Zustand der derzeitigen Welt. Und wenn wir am Schluss erfahren, dass Theresa May abgewählt wurde und nun „das Volk“ regieren wird, wobei die Ministerposten an die diversen Prostituierten, Zwischenträger und anderes Gelichter verteilt werden, bleibt wohl kein Auge trocken, eines vermutlich vor Lachen, das andere aus Trauer über den Zustand der – zumindest westlichen – Menschheit.
Perfekt die etwas weniger als zwei Stunden dauernde, pausenlose Umsetzung. Vor einem aus Kartons (mit vermutlich gestohlenem Gut) bestehenden, in dieser Form variablen Bühnenbild (James Brandily) und in der atemberaubenden Choreographie von Rebecca Howell, den Kostümen von Petra Reinhardt (die sich besonders bei den leichten Damen austoben konnte), der Lichtregie von Robert Carsen und Peter van Praet fand eine Sternstunde britischer Schauspielkunst statt.
Die Namen sagen unseren Lesern nichts, aber ich möchte zumindest die Darsteller der Hauptrollen erwähnen: Robert Burt (Peachum), Kate Batter (Polly), Benjamin Purkiss (Macheath), Olivia Brereton (Lucy). Alles überstrahlte für mich Beverley Klein als Mrs. Peachum und Diana Trapes.
Die mit Unterstützung zahlreicher französischer Häuser zustande gekommene Produktion wurde von einem Publikum, das das Haus zu rund 40% füllte (wobei es Freude machte, viele Jugendliche zu sehen) mit Beifall überschüttet.
Eva Pleus 29.10.18
Bilder: Patrick Berger