Vorstellung am 4.10.13
In der zwischen Mailand und Turin mit ihren großen Häusern gelegenen Stadt hat es das Operntheater nicht leicht, sich zwischen Sprechtheatergastspielen, Jazz, Lesungen und Ballett einen entsprechenden Rang zu erwerben. Es trägt den Namen von Carlo Coccia (Neapel, 1782 – Novara, 1873), der ab 1840 als Domkapellmeister die Nachfolge von Saverio Mercadante angetreten und bis zu seinem Tod innegehabt hatte. Nach Jahren, in denen nur irgendwie durchgewurstelt wurde, hatte man im Vorjahr die Dinge auf eine neue Basis gestellt und die Saison erfolgreich mit Cimarosas „Matrimonio segreto“ eröffnet.
Heuer galt die Eröffnungspremiere dem Jahresregenten Verdi und dessen „Macbeth“. Neuerlich war ein mit den Theatergegebenheiten wenig vertrauter, aber (auch international) bekannter Regisseur berufen worden: Dario Argento ist heute 73 Jahre alt und für seine eine Mischung aus Horror und Krimi darstellenden Filme der Siebziger- und Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts bekannt. Im Vorfeld hatte er mitgeteilt, dass er die Handlung in den ersten Weltkrieg verlegen und nicht mit der Darstellung der damit verbundenen Greuel sparen würde. Hatte man ihm das ausgeredet oder waren die Mittel für eine aufwendige Inszenierung nicht vorhanden, Tatsache ist jedenfalls, dass man sich einer absolut minimalistischen Interpretation gegenübersah. Gab es im 1. Bild zumindest noch zwei am Galgen baumelnde Figuren und ein paar malerisch hingestreckte Tote, so reduzierte sich das Bild mit Bancos Ermordung auf die Darstellung zweier Baumstämme, die zweite Hexenbefragung auf ein kleines Feuer, und in der Nachtwandelszene und Arie des Protagonisten im 4. Akt gab es überhaupt nur mehr einen Fauteuil zu sehen. Da der für das Bühnenbild verantwortliche Angelo Linzalata eine sehr gute Lichtregie führte, wäre das Ambiente durchaus brauchbar gewesen, wenn – ja wenn Argento darin wirklich Regie geführt hätte. Der erste Weltkrieg war nur durch die Uniformen der Häscher mit ihren Bajonetten zu erahnen (Kostüme: Elena Bianchini, übrigens ausgesprochen unvorteilhaft für die Lady). Zwischen den Personen gab es überhaupt keine Spannungsfelder, die Choristen traten sich beim Verlassen der Bühne gegenseitig auf die Füße. Duncans Ermordung wurde auf einer Art Fernsehschirm gezeigt, und das war es auch schon.
Unter solchen Voraussetzungen war ein qualitatives Aufholen für die musikalische Seite extrem schwierig. Und der ins Dirigentenfach gewechselte Tenor Giuseppe Sabbatini tat es dem Großteil seiner dirigierenden Sängerkollegen (für mich bildet eigentlich nur José Cura eine Ausnahme) gleich und achtete darauf, seinen früheren Sangeskollegen nicht weh zu tun. Das bedeutete aber leider nicht einmal eine erfreulich gute Begleitung, sondern schlug sich in zögerlichen Tempi und lähmenden Generalpausen nieder. Das neu engagierte Orchestra Filarmonica del Piemonte hatte dem nichts entgegenzusetzen. Der von Mauro Rolfi einstudierte Coro Schola Cantorum San Gregorio Magno schnitt bei den Herren besser ab als bei den Damen, wo vor allem die Farben der Mezzosoprane fehlten.
Die Titelrolle wurde von Giuseppe Altomare verkörpert, einem Sänger, der stilistisch wüsste, wie es geht, dem aber die stimmlichen Mittel für eine überzeugende Umsetzung fehlen, und dessen brüchiger Bariton manchmal das Schlimmste befürchten ließ. Als Lady versuchte Dimitra Theodossiou eine Interpretation mit den von Verdi gewünschten fahlen Farben, aber ihr Sopran reagierte auf diese Bemühungen nicht, sodass „La luce langue“ fast wie gesprochen klang. Etwas besser die Nachtwandelszene, aber auch hier ergab sich kein stimmlicher Bogen. Passabel der Banco des Giorgio Giuseppini, während Dario Di Vietri (Macduff) trotz interessanten Materials noch zu sehr nach einem Gesangsschüler klang. Vielversprechender ertönte der klare Tenor von Ernesto Petti als Malcolm. Eine auffallend gute Dama war Valeria Sepe, deren Auftritt durch den kompetenten Arzt von Radu Pintillie ergänzt wurde.
Fazit: Da ab der nächsten Produktion („Norma“ im Dezember) die neue künstlerische Leitung endlich alleinverantwortlich ist, steht zu hoffen, dass die Ambitionen des Hauses eine überzeugendere Erfüllung finden werden.
Eva Pleus / 6.10.13