Premiere: 29. Januar 2017
Helmut Oehring
Im Einführungsgespräch verrät Wuppertals neuer Opernintendant Berthold Schneider, dass er Helmut Oehrings „Aschemond oder The Fairy Queen““ auf den Spielplan gesetzt hat, um die Tauglichkeit der Stückes für das Stadttheater-Repertoire zu beweisen. Dass es Intendanten gibt, die sich mit solch einem Einsatz für ungewöhnliche Stücke einsetzen, verdient höchstes Lob. Trotzdem beweist die Aufführung, dass „Aschemond“ kaum eine Chance im Repertoire-Alltag haben dürfte.
Henry Purcells „The Fairy Queen“ macht es den Regisseuren schon schwer genug. Soll man dieses Stück als Bühnenmusik zu Shakespeares „Sommernachtstraum“ spielen oder irgendeine Handlung zu den Musikstücken konstruieren, die meist eine Allegorie über die Jahreszeiten sind?
Helmuth Oehring setzt bei „Aschemond“ noch eins drauf, orchestriert Purcell neu und ergänzt ihn mit neuen Texten und eigener Musik. Heraus kommt ein Stück, dass keine konkrete Handlung besitzt, aber sehr sprunghaft verschiedenste Gefühlslagen beschreibt. Purcells Originalmusik wirkt da wie die verklärte Erinnerung an ein verlorenes Paradies, das permanent von Oehrings Klängen bedroht wird.
Wenn Countertenor Hagen Matzeit singt: „Musik soll für eine Weile all deinen Kummer stillen“, dann ist es Oehrings dunkel drohende oder aggressiv attackierende Musik, die für Kummer und Schmerz steht, während die Linderung von Purcell ausgeht. Letztlich diskreditiert Oehring mit diesem Konzept, das seine Musik stets nur den panischen, hysterischen, psychotischen Situationen zuordnet, seine eigene Komposition, die immer nur für das Negative steht.
Für die Umsetzung von „Aschemond“ benötigt man nicht nur ein Sinfonieorchester, sondern auch noch ein Barockensemble, elektronische Zuspielbänder und eine Mini-Kombo mit Kontrabass und E-Gitarre. Jonathan Stockhammer am Pult des großen Orchesters und Michael Cook als Leiter des Barockensembles setzen Oehrings Musik mit großer klanglicher Fantasie um und scheuen sich dabei nicht vor harten Brüchen. Aber welches Haus wagt sich sonst bei solch einem Aufwand an ein Stück, das über fast drei Stunden keine klare Handlung erzählt?
Der Regisseur muss sich also selbst eine Geschichte zur Musik ausdenken. Bei der Berliner Uraufführung beschäftigte sich Regisseur Claus Guth mit der englischen Lyrikerin Sylvia Plath, in Wuppertal verortet Immo Karaman das Geschehen in einem Wartesaal, in dem er viele kleine Geschichten im Stile von Peter Handkes „Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten“ spielen lässt. Im zweiten Teil formt er große Bilder, an denen auch der Chor beteiligt ist.
Das Wartesaal-Bühnenbild erinnert an Pina-Bausch-Stücke wie „Cafe Müller“ oder „Kontakthof“, und tatsächlich führt das körperliche Agieren der Sänger dazu, dass man sich manchmal ins Tanztheater versetzt fühlt. Das liegt auch daran, dass die ausdrucksstark agierende Gebärdendarstellerin und Tänzerin Kassandra Wedel die titelgebende Feenkönigin verkörpert. Ansonsten ist das Sänger-Ensemble bestens besetzt: Die Soprane Ralitsa Ralinova und Nina Koufochristou, Mezzo Catriona Morison, Tenor Christian Sturm sowie die beiden Baritone Simon Stricker und Hak-Young Lee singen Purcell und Oehring so makellos, dass keine Wünsche offen bleiben.
Trotz Immo Karamans großer szenischer Phantasie hat der Abend aber Längen, da auch die Musik im steten Wechsel zwischen Oehring und Purcell auf der Stelle zu treten scheint.
Kurz vor der Premiere berichtete Intendant Berthold Schneider, dass es ihm eine besondere Freude sei, dass diese Oper nach der Premiere zum „Repertoire des Hauses“ gehören würde. Das hört sich so an, als seien über die nächsten Monate Dutzende Vorstellungen angesetzt. In Wirklichkeit wird „Aschemond“ bis zum 18. März nur noch drei Mal gezeigt.
Rudolf Hermes 1.2.207
Fotos: © Wil van Iersel