Premiere 8. April 2018
Familienoper von Marius Felix Lange
Die Oper Dortmund und ihre Familienopern. Stets eine besonders feine Verbindung von ansprechender und anspruchsvoller Musik, bester Unterhaltung, hinreißenden Bühnenbildern- und Kostümen und so überzeugender Regie, wie man sie sich eigentlich immer wünschen würde. So auch am gestrigen Premierenabend wieder. Marius Felix Langes „DIE SCHNEEKÖNIGIN“ zog das Publikum im gut besuchten Opernhaus 80 Minuten lang in seinen Bann, ohne Längen, ohne Langeweile. Denn die wäre bei dem hohen Anteil von sehr jungen Opernbesucher (manche hatten sicher das Grundschulalter noch nicht erreicht) ganz sicher sonst schnell hörbar geworden. Aber das Gegenteil war der Fall: Kinder und Erwachsene folgten der Geschichte von Gerda und Kay und spendeten am Ende der Oper begeisterten Applaus für alle Beteiligten. Ein großer Erfolg für die Solisten, den Chor und das Orchester der Oper Dortmund, dem musikalischen Leiter Ingo Martin Stadtmüller und ganz besonders für den Komponisten Lange, der den Beifall für sich und sein Werk selbst entgegen nahm.
Marius Felix Langes im April 2016 am Theater Duisburg uraufgeführtes Auftragswerk für junges Publikum (im Rahmen der Jungen Opern Rhein-Ruhr) hat Hans Christian Andersens Märchen „Die Schneekönigin“ als Handlung zugrunde liegen. Ein Märchen, welches dem Komponisten (Jahrgang 1968) als Kind selbst sehr am Herzen lag. In träumerischen Passagen erzählt der dänische Dichter darin die Geschichte um Gerda und ihren Kay, die sich auf abenteuerliche Weise verlieren und wiederfinden. Trolle kommen vor. Ein Deubeltroll mit einem großen allsehenden Spiegel, welcher zerbricht und von dem ein winzig kleines Stück den lieben Kay trifft und ihn zu einem nicht mehr so lieben und egoistischen Zeitgenossen verwandelt. Ein sprechendes Rentier spielt ebenso wie eine muntere Krähe mit, Blumenfrauen und ein Räubermädchen, ein lustiges Prinzenliebespaar und eine kalte und böse Schneekönigin machen alles zu einem bezaubernden Märchen. Und wie so oft in solchen Geschichten geht es am Ende darum, dass doch immer das Gute siegt, weil das Böse eben keine Zukunft hat. Einfach und doch immer wieder wahr.
Musikalisch ist diese „SCHNEEKÖNIGIN“ ein ausdrucksstarkes Wechselbad von Gefühlen, Überschwang und zarten melodienseligen Momenten. Viele unter die Haut gehende orchestrale Höhepunkte, aber auch die ruhigen, die zurückgenommen Momente, waren es, die diese Oper so einmalig machen. Das wirklich – im wahrsten Sinne des Wortes – schöne Finale der Oper bleibt noch lange im Gedächtnis.
Johannes Schmid hatte die Regie für diese Inszenierung inne. Was soll ich viel schreiben? Kann man es besser machen? Kann Oper noch packender, spannender und unterhaltsamer inszeniert werden, als wie Schmid es tat? Wohl kaum. Es hat einfach Spaß gemacht zuzusehen. Großes Kino eben!
Bühnenbild- und Kostüme sind ein nicht zu unterschätzender Aspekt einer jeden Inszenierung. Und wenn ein Opernhaus das Privileg hat mit Tatjana Ivschina eine der deutschlandweit besten Bühnen-und Kostümbildkünstlerinnen verpflichten zu können, ist das in jeder Hinsicht für alle ein Glücksfall. So auch für diese SCHNEEKÖNIGIN. Wieder einmal hat sie begeisternde Bilder erschaffen, die lange im Gedächtnis haften bleiben und die in ihrer Einfachheit und Klarheit doch so großartig und überzeugend sind. Ivschinas Spiel mit Farben (Grün und Aquamarin fallen mir immer wieder ungemein auf) und ausgefallene Kostümaccessoires sind immer aufs Neue ein visuelles Erlebnis und machen den Theaterbesuch zu einem Erlebnis ganz besonderer Güte.
In allem dürfen sich die Gesangsolisten und der Chor sichtlich wohlfühlen. Der Dortmunder Opernchor hatte wieder einmal viel zu tun und wurde seiner tragenden Rolle -wie stets- mehr als gerecht. Manuel Pujol hatte die Damen und Herren seines Chores bestens auf den Abend eingestimmt.
Den Prinz und die Prinzessin spielten und sangen herrlich exaltiert Emily Newton und Thomas Paul. Die Krähe von Fritz Steinbacher war optisch ein Hingucker und dazu beeindruckend gesungen. Dem Deubeltroll und dem Rentier verlieh Dong-Won Seo mit kräftiger und ausdrucksstarker Stimme besonderes Profil (die melodiösen Klagen des Rentiers waren wirklich beeindruckend gesungen). Julia Amos als Tölpeltroll und Blazej Grek als Trotteltroll kamen zu Beginn aus dem Orchestergraben geklettert und waren die ganze Oper über immer sehr präsent und voller Spielfreude.
Die Blumenfrau und das verschlagene Räubermädchen waren mit Almerija Delic natürlich bestens besetzt! Stimmlich wie auch darstellerisch ist die Dortmunder Mezzosopranistin mittlerweile eine Bank.
Seit Jahren erlebe ich sie in den verschiedensten Rollen. Zumeist in Hosenrollen. Aber als Großmutter und sehr beleibte Sauna-Finnin noch nicht. Und sie war einfach klasse in ihrer Doppelrolle am gestrigen Abend: Ileana Mateescu.
Marie-Pierre Roy ist eine kalte Schneekönigin mit großartigen Koloraturen und prächtig gesetzten Spitzentönen. In ihrem Kostüm und ihrer sparsamen Gestik erinnerte sie ein wenig an Frankensteins Braut aus dem legendären US-Horror-Film aus dem Jahre 1935.
Marvin Zobel sang und spielte ungemein überzeugend und textverständlich den Jungen Kay, der von der Schneekönigin gefangen genommen und von seiner Freundin Gerda wieder befreit wurde. Ein persönlicher Erfolg für den jungen Künstler, der an der Essener Folkwangschule studiert hat.
Die Gerda, und die eigentliche Hauptrolle des Abends, sang und spielte die Sopranistin Marie Smolka. Auch sie mit viel Spielfreude und sichtlich Spaß an ihrer Rolle. Gesanglich machte sie die nicht zu unterschätzende Partie zu einer Glanzleistung. Für mich die herausragendste Leistung des Abends. Bravo!
Die Dortmunder Philharmoniker unter der musikalischen Abendgesamtleitung von Ingo Martin Stadtmüller packend, gefühlvoll, – ja, fast Kinomusikalisch aufspielend – gleichrangig am „ganz großen Kino“-Opernabend teilhabend.
Und nun sei die Dortmunder SCHNEEKÖNIGIN allen ans Herz gelegt, die schöne Musik lieben, guten Operngesang schätzen und in herrlichen Bildern schwelgen wollen. Und damit meine ich alle – jeden Alters.
Dank für die schönen Bilder an (c) Bjoern Hickmann
Detlef Obens 10.4.2018