am 12.4.2012
Das Stadttheater Klagenfurt ist ein Mehrspartentheater, das völlig zurecht der knapp 100.000 Einwohner zählenden Kärntner Landeshauptstadt und deren Umfeld ein vielfältiges Spektrum bietet. In der Spielzeit 2011/12 sind das im Premierenabonnement drei Opern, ein Ballettabend, zwei Musicals, drei Schauspielaufführungen und eben jetzt ein Abend unter dem Titel „Viva Belcanto“.
Coüyright der Bilder: Stadttheater Klagenfurt
Das rund 50 Mitglieder zählende Kärnter Sinfonieorchester (KSO) sitzt auf der Bühne und begleitet drei gastierende Gesangssolisten – unterstützt von Chor und Extrachor des Stadttheaters – in Opernausschnitten von Rossini, Donizetti, Bellini, Meyerbeer, Thomas und Gounod. Dieses Projekt spart Ausstattungskosten und bietet dem Publikum Bekanntes und wenig Bekanntes aus Opern, die man wohl kaum in einem Mehrspartenhaus szenisch aufführen würde – also ein auch in wirtschaftlicher Hinsicht sinnvolles Unterfangen. Der Titel des Abends ist nicht recht überzeugend, stehen doch vier Orchester- und zwei Chorstücke nur acht Gesangsszenen gegenüber – aber ehrlich gesagt: mir fiele auch kein besserer Titel ein! Und diese acht Gesangsnummern sind tatsächlich illustrative Beispiele der italienischen und französischen Belcanto-Literatur.
Nach der ursprünglichen Ankündigung hätte Andrea Rost im Mittelpunkt des Abends stehen sollen – noch am Tag der Premiere standen die Klagenfurter Termine auf dem Kalender ihrer Homepage. Heute – einen Tag danach – sind sie aus ihrem Kalender verschwunden. Warum die ungarische Koloraturvirtuosin, die vor etwa 20 Jahren in allen großen Häusern in den ersten Rollen ihres Fachs international präsent war und die eine ansehnliche Discographie aufzuweisen hat (http://www.andrearost.com/de/discography ), die Klagenfurter Auftritte abgesagt hatte, blieb – auch auf ausdrückliche Rückfrage – unklar. So jedenfalls konnte das Publikum einen Abend erleben, an dem nicht ein einzelner internationaler Star im Mittelpunkt steht, sondern drei Sängerpersönlichkeiten, bei denen es wert ist, sie auf ihrer Belcantoreise durch recht unterschiedliche Partien zu begleiten.
Die großen Sopranszenen hatte die erfahrene Ukrainerin Olga Mykytenko übernommen. Sie überzeugte mich besonders in der Cavatine der Isabelle aus Meyerbeers „Robert le Diable“. Da hörte man nicht nur sichere technische Stimmbeherrschung, sondern auch Virtuosität im Dienste glaubwürdiger Emotion. Die Duette aus „Lucia di Lammermoor“ und aus „Don Pasquale“ litten ein wenig darunter, dass ihre Stimme und die des Tenors nicht recht zusammenpassten und dass sie wohl der Norina schon entwachsen ist.. Überzeugend hingegen die große Norma-Szene „Casta diva“.
Der rumänische Tenor Bogdan Mihai war für mich die erfreuliche Überraschung des Abends. Schon lange habe ich nicht einen derart überzeugenden Rossini -Tenor gehört. Perfekt in der Intonation und in der Koloraturgeläufigkeit beeindruckte er mit heller, aber nie „weißer“ Stimme. Wirklich virtuos war die extrem schwierige und daher meistens gestrichene Almaviva-Arie aus dem Ende des „Barbiere di Siviglia“. Ich bin sicher: von ihm hat man im Rossini-Fach noch viel zu erwarten – sehr verständlich, dass er demnächst in Zürich, Berlin und Genf auftreten wird. Der Edgardo aus der „Lucia“ gelang mit Anstand, ist aber (derzeit noch etwas) ausserhalb seiner Möglichkeiten. Da fehlte der heldische Zugriff.
Der dritte Solist war der 26-jährige slowakische Bass-Bariton Richard Sveda. Ich habe ihn noch in Erinnerung, als er in Grazer Studentenproduktionen vor vier, fünf Jahren Guglielmo, Papageno, aber auch Pilatus in einer szenischen Umsetzung der Bachschen Johannespassion sang. Schon damals vermerkte ich die „gesunde Prachtstimme“. Die ist ihm geblieben, dazu beeindruckt er mit blendender Podiumspräsenz. Er hatte an diesem Abend nur zwei selten zu hörende Arien beizusteuern – sowie die prägnant servierten Oroveso-Einwürfe in der Norma-Szene. Zunächst eine lyrische Szene aus Donizettis „Dom Sébastien, Roi de Portugal“ und im zweiten Teil eine effektvolle Buffo-Arie aus „Le Caid“ von Ambroise Thomas. Die Stimme hat Kern und sichere Höhe, an der französischen Buffo-Brillanz wird noch weiter zu arbeiten sein. Auch er wird seinen Weg sicherlich machen. Seiner Homepage ist zu entnehmen, dass der Escamillo in Duisburg bevorsteht. Da ist mit Sorge darauf zu achten, dass nicht zu früh durch zu gewichtige Rollen das wunderbare Material überbeansprucht wird…..
Der Chor (Leitung: Günter Wallner) war leider hinter dem Orchester ungünstig positioniert. Das wirkte sich sowohl dynamisch als auch durch rhythmische Ungenauigkeit aus. Wenn schon Chor-Nummern auf dem Programm stehen, dann muß der Chor auch adäquat im Vordergrund stehen – warum zum Beispiel nicht in den Proszeniumslogen links und rechts des Bühnenportals ?
Das Orchester bot unter der Leitung von Michael Brandstätter eine solide und offenbar sehr gut geprobte Leistung mit schönen Soli (z.B. Hörner in der Semiramide-Ouvertüre, Flöte in der Lucia, Oboe in der Ballettmusik aus „La Favorite“). Bei Rossini hatten auch die Streicher die nötige Schärfe – nur bei der Ballettmusik aus Gounods „Faust“ fehlte mir das französische „Parfum“ und der Schmelz.
Nach diesem durchaus ansprechenden konzertanten Ausflug in die Welt der großen Belcanto-Oper folgt im Mai die letzte Klagenfurter Oper-Premiere der Ära von Josef E.Köpplinger, der an das Münchner Gärtnerplatztheater wechselt.
Regie, Bühne und Kostüme liegen in der Hand von Stefano Poda, der gerade in Graz eine überzeugende und eigenständige „Maria Stuarda“ auf die Bühne gestellt hatte (siehe den Bericht vom 1.4.2012). Man darf gespannt sein, wie Poda den veristischen Hit gestalten wird und was sich aus folgender Job-Ausschreibung auf der Homepage des Stadttheaters ergeben wird:
„Die Stadttheater Klagenfurt OG sucht für die Produktion TOSCA vom 2. April bis 31. Mai 2012 männliche Statisten die sich gut bewegen können, bzw. eine Tanz-, Yoga- oder Kampfsportausbildung haben. Sie sollten zwischen 18 und 40 Jahre alt sein.“
Sie werden zum gegebenen Zeitpunkt hier nachlesen können, was diese „männlichen Statisten“ in der Tosca bedeuten….
Hermann Becke