Besuchte Vorstellung des Thalia Theaters Wien am 18.05.2018
Christel von der Post
Wieder einmal pilgere ich zu dem wunderschönen im neubarocken Stil um 1900 erbauten Stadttheater Fürth und freue mich auf eine meiner Lieblingsoperetten, dem „Vogelhändler“ von Carl Zeller. Im Rahmen einer größeren Tournee gastiert das Thalia Theater Wien in einer Koproduktion mit dem Opernhaus Usti an der Elbe. Und wieder einmal hat der mit einem feinen Händchen ausgestattete Intendant Werner Müller, einen Glücksgriff gemacht. Schwungvoll, voller Elan, werkgetreu und mit überwiegend ausgezeichneten Stimmen wird das Fürther Publikum wieder einmal mehr als verwöhnt. Ich als Bamberger kann da nur voller Neid auf das exzellente Programm schauen, welches hier jedes Jahr aufs Neue einem engagierten Publikum präsentiert wird, denn in Bamberg gibt es keine leichte Muse mehr am Theater. Umso erfreuter bin ich immer wieder bei einem Besuch in Fürth.
Die Inszenierung stammt von Rudolf Pfister und diese ist zur reinsten und schönsten Form der Unterhaltung geworden. Da wird nichts in die Operette hineingedichtet, nichts in eine andere Zeit verschoben, keine frivolen Anleihen genommen um ja aufzufallen, nein, hier wird schlicht und ergreifend der „Vogelhändler“ so auf die Bühne gestellt, wie dies sein Komponist und seine Textdichter erdacht hatten. Der österreichische Dialekt, der so gut zu diesem Stück passt, herrscht vor und man fühlt sich in die Zeit zurückversetzt und freut sich, dass man Operette so unbeschwert und so werkgetreu erleben kann. So macht es auch dem Publikum Spaß und so wird die Operette ihre Daseinsberechtigung noch lange nicht verlieren. Das Bühnenbild (Martin Otava) und die Kostüme (Dana Haklová) passen sich dem Konzept nahtlos an. Bunte Kostüme der Tiroler Tracht, Dirndl, Jägeroutfit, um es einmal neudeutsch zu sagen, lassen einen bunt, abwechslungsreich, mitreißend in die damalige Welt hineinschauen – und das macht ungeheuren Spaß. Ja, Operette kann so toll sein, noch dazu, wenn so herrliche Melodien dabei sind wie die von Carl Zeller, dem Arztsohn, der in Wien Rechtswissenschaften und zugleich Komposition studierte. Er hat hier ein wahres Meisterwerk geschaffen. Er, der eigentlich nur nebenberuflich komponierte, hat neben seinem wundervollen „Vogelhändler“ nur noch eine Handvoll weiterer Operetten geschaffen. Keine von ihnen wurde jedoch sonderlich bekannt und werden auch heute nur sehr selten an den Bühnen aufgeführt. Ab und zu ist sein „Der Obersteiger“, übrigens eine sehr gefällige Operette, auf einem Spielplan zu finden oder auch noch die Nachlassoperette „Der Kellermeister“, und das war es dann auch schon. Aber mit seinem „Vogelhändler“ hat sich Zeller unsterblich gemacht.
Richard Klein/Michael Kurz/Heidi Manser/Verena te Best
Der Inhalt ist eigentlich schnell erzählt. Der überaus eifersüchtige Adam, der Vogelhändler, der jedoch selbst recht gerne einmal einen Blick auf das schönere Geschlecht wirft, selbst wenn es eine Kurfürstin inkognito ist, ist in die Christel von der Post verliebt. Beide sind arm, wollen aber heiraten. Christel will beim Kurfürsten um einen Posten für Adam werben, wird aber von Graf Stanislaus, dem Neffen des Wildmeisters, der sich als Kurfürst ausgibt, zum Narren gehalten. Adam will Christel verstoßen, die Kurfürstin, in der er seine angebetete Marie erkennt, will herausbekommen, wer sich als Kurfürst ausgegeben hat. Stanislaus wird entdeckt, soll Christel heiraten, die aber nur Adam liebt und am Schluss kommt es so, wie es in Operetten üblich zu sein hat, Christl bekommt ihren Adam und alles löst sich in Wohlgefallen aus. Diese Geschichte wird von einer wunderschönen Musik, herrlichen Melodien und einfallsreichen Texten umgeben.
Das Orchester des Tourneetheaters wird von Milan Kanák mit leichter, aber dennoch straffer Hand geführt. Manchmal vielleicht ein kleines bisschen zu stürmisch, die Orchesterwogen nicht ganz so stimmfreundlich für die Sänger, aber dies nur in wenigen Momenten. Insgesamt gesehen hat er seine Mannen im Orchestergraben jederzeit im Griff und spielt auch recht differenziert und schwungvoll. Die Choreinstudierung erfolgt durch Jan Snitil, der sich keinen Ausrutscher erlaubt und der seinen Chor oder besser seine Chöre gut im Griff hat.
Verena te Best/Richard Klein/Heidi Manser
In der Überschrift habe ich schon angedeutet, dass die Operette an diesem heutigen Abend eigentlich „Die Christel von der Post“ heißen müsste. Und das hat einen ganz besonderen Grund. Die herausragende Sängerin an diesem Abend ist als Briefchristel die junge sympathische Verena te Best, die die Christel nicht spielt, sondern sich in sie hineinlebt und so agiert, als wenn sie selbst die Briefchristel ist. Mit silbrigem glockenklaren und durchschlagenden warmen Sopran bringt sie nicht nur das Herz ihres Adams zum Schlagen, sondern verzaubert auch die zahlreichen Herren im Publikum. Die aus Österreich stammende Sopranistin lebt ihre Rolle und beherrscht die Bretter die die Welt bedeuten, sie bringt alles mit einer Natürlichkeit, einem herzhaften ansteckenden Lachen und einer nie versagenden Spielfreunde auf die Bühne, dass es eine wahre Freude ist, ihr zuzuschauen und zuzuhören. Eine Christel, die mit ihrem Liebreiz einfach alle um den Finger wickelt, den Rezensenten eingeschlossen.
Ihr Adam ist der aus Innsbruck in Tirol stammende Richard Klein und er macht eine recht gute Figur. Darstellerisch kann er sehr stark punkten, sein etwas zurückhaltender, nicht besonders durchschlagskräftiger Tenor könnte in der Zukunft noch etwas zulegen, dann würde er noch wesentlich mehr punkten. Eine gute, über dem Durchschnitt liegende Leistung, die jedoch noch ein bisschen Luft nach oben hat. Die Kurfürstin Marie wird von der aus Kärnten stammenden Sopranistin Heidi Manser verkörpert. Sie besitzt einen warmen ausdruckstarken Sopran, den sie auch geschickt einsetzt. Sie kann sich auch im Duett mit dem Adam sehr gut behaupten. Den kurfürstlichen Wildmeister, Baron Weps bringt der aus Sofia in Bulgarien stammende Ivaylo Guberov auf die Bühne. Eine feine Leistung, sowohl mit profunder Stimme, als auch mit darstellerischen Feinheiten. Ihm zur Seite sein Neffe Stanislaus, der von dem aus Neuwied am Rhein stammenden Tenor Michael Kurz rollendeckend dargeboten wird. Sein feiner, hoher und kräftiger strahlender Tenor weiß in der Rolle des Grafen Stanislaus sehr zu gefallen. Ihn möchte man auch einmal in einer größeren Rolle sehen. Dagmar Truxa, die in vielen Rollen erfahrene Sängerin und Schauspielerin ist in Wien zur Welt gekommen und macht aus ihrer nicht so großen Rolle das Optimale. Bei ihren Auftritten ist sie auf der Bühne stets mehr als präsent. Der ebenfalls aus Wien stammende Tenorbuffo Thomas Malik, kann gleich in zwei Rollen sein Können zeigen. Als Dorfschulze Schneck und vor allem als Professor Würmchen legt er eine reife Leistung auf die Bühne. Darstellerisch immer am Ball kann er auch stimmliche Akzente setzen. Es macht einfach Spaß ihm zuzusehen. Als Professor Süffle steigt der Intendant Rudolf Pfister selbst in den Ring und er bringt ein darstellerisches Kabinettstückchen, gemeinsam mit Thomas Malik auf die Bühnenbretter. Überzeugend und humorvoll. Die ebenfalls aus Wien stammende Irina Godai zeigt als Wirtin Jette eine Leistung ohne Fehl und Tadel.
Schlussapplaus-Thomas Malik/Dagmar Truxa/Ivaylo Guberov/Verena te Best/Richard Klein/Heidi Manser/Michael Kurz/Rudolf Pfister
Ein Ensemble, welches fast nur aus österreichischen Sängern besteht und damit das Lokalkolorit des Vogelhändlers authentisch auf die Bühne bringen kann. Ein Abend, der Spaß gemacht hat und der ein Publikum leise pfeifend aus dem Theater entlässt, entlässt mit der Freunde im Herzen einem wunderschönen Märchen beigewohnt zu haben. So soll Operette sein, so bleibt es auf den Spielplänen und so erobert es die Herzen seiner Zuhörer und seiner Zuschauer.
Manfred Drescher 30.05.2018
Bilder (c) Der Opernfreund / Manfred Drescher