Besuchtes Konzert am 14. Januar 2020
Ludwig van Beethoven
Klavierkonzerte 1 und 5
Im Zeichen des Beethoven Jahres 2020 gab es nun in der PRO ARTE Konzertreihe der Alten Oper Frankfurt die Gelegenheit, an zwei aufeinander folgenden Tagen alle fünf Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven zu hören.
Solist und Dirigent war der gefeierte Pianist Rudolf Buchbinder. Beethovens Klavierkonzerte zählen zu den Kernwerken der Klavierliteratur. Die ersten beiden Konzerte sind noch sehr erkennbar der Wiener Klassik zuzuordnen. Die Klavierkonzerte drei bis fünf verfolgen einen kühneren Weg in der Formanlage.
In dem künstlerischen Schaffen von Rudolf Buchbinder spielt das Klavierwerk von Ludwig van Beethoven eine ganz zentrale Rolle. Groß und ungestillt ist sein Interesse an Autographen und Erstausgaben des Komponisten. Immer wieder führte er in seiner über sechzigjährigen Karriere die Sonaten und Klavierkonzerte auf. Letztere vermehrt auch in seiner Doppelrolle als Dirigent. Sein musikalisches Schaffen ist durch zahlreiche CD-Einspielungen eindrucksreich dokumentiert.
Bei seinem Gastspiel in der Alten Oper Frankfurt wurde Buchbinder von den Wiener Symphonikern begleitet. Solist und Orchester wirkten gut aufeinander eingestimmt.
Am zweiten Konzertabend erklangen die Klavierkonzerte eins und fünf. Und die große, profunde Werkkenntnis Buchbinders war jederzeit präsent. So erklang das erste Klavierkonzert noch eher leichtfüssig und betont lyrisch. Im fünften Klavierkonzert nutzte Buchbinder die große Geste trefflich, die Beethoven sowohl für das Klavier als auch für das begleitende Orchester vorsah.
Rudolf Buchbinder blieb sich sein künstlerisches Leben treu. Beethoven in der Interpretation Buchbinders bedeutet vor allem eine minutiöse Reproduktion des Notentextes. So agierte er viel mehr als Anwalt Beethovens denn als Interpret.
Und doch, es war auch wieder eine staunenswerte Erfahrung zu erleben, wie wach, wie frisch die Darbietungen von Buchbinder erklangen. Technisch zeigte er sich der gewaltigen Aufgabe immer souverän gewachsen. Völlig mühelos bediente er alle Anforderungen und konzentrierte sich hörbar auf die melodische Linie in den Konzerten. Aber genauso konnte er die tänzerischen, rhythmisch anspruchsvollen Sätze, so z.B. die Finalsätze in den Klavierkonzerten eins und fünf ausspielen.
In den Kadenzen nahm er sich hinreichend Zeit, genau in die Tonfolgen hineinzuhören, so als würde er im Geiste Beethoven befragen. Daher passte dann auch mancher schroffe Akzent gut zur Handschrift des Komponisten.
Über allem steht bei Buchbinder sein hoch sensibler Anschlag an den Tasten. Wie leicht, wie filigran, gerade in den langsamen Sätzen entstanden die Töne, pure, innige Kontemplation. Einswerden mit dem Genie, der musikalischen Größe Beethovens und ein deutliches inneres, hochwaches Erleben, welches dann und wann doch das Mienenspiel Buchbinders bestimmte, zeigten immer wieder die tiefe Verbundenheit auf. Und besonders in den langsamen Sätzen der Klavierkonzerte gelangen Buchbinder besonders anrührende Momente.
Buchbinder und die wunderbar mitgehenden Wiener Symphoniker haben bereits 2003 eine Gesamtaufnahme aller Klavierkonzerte realisiert. Es war ein großes Vertrauen jederzeit spürbar. Und Buchbinder agierte hier nicht wirklich als ein gestaltender, formgebender Dirigent. Vielmehr war es ein Einladen zum gemeinsamen Musizieren. Dazu passten auch seine Gesten, die weniger an jene eines gestandenen Dirigenten erinnerten, sondern eher mit der Hand in die Luft gemalte Gestaltungsempfehlungen versinnbildlichten.
Die Wiener Symphoniker zeigten sich als hoch flexibler Klangkörper, immer aktiv im Dialog mit dem Solisten. Hervorragende Leistungen in den vielfach solistischen Einwürfen des Orchesters, vor allem in den Holzbläsern (BRAVO an die Klarinetten!). Der Klang des Orchesters tönte warm und transparent, dabei prägnant in der rhythmischen Akkuratesse.
Das zahlreiche Publikum geriet an diesem Abend am Ende in helle Verzückung und klatschte rhythmisch. Rudolf Buchbinder war erkennbar bewegt von dem Zuspruch und verzichtete auf eine Zugabe.
Dirk Schauß, 15. Januar 2020
Bilder (c) Pro Arte