Aufführung am 09. Dezember 2019
Antonin Dvořák
Konzert für Violine und Orchester a-Moll op. 53
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 6 A-Dur
Pflicht und Kür
Im Jahr 1883 erlebte das einzige Violinkonzert von Antonin Dvořák seine Uraufführung. In dem reichen Schaffen des böhmischen Meisters ist dieses Konzert nie derart populär geworden wie sein berühmteres Cellokonzert. Es war eine gute und kluge Entscheidung der Programmgestalter des aktuellen Museumskonzertes, dieses Werk dem Frankfurter Publikum vorzustellen.
Und doch, der erste Abschnitt dieses Konzertabends vermittelte zu deutlich den Eindruck eines Pflichtteils, der hier absolviert werden sollte. Es war schon befremdlich zu erleben, wie die eingängige Musik von Antonin Dvořák derart beiläufig am Zuhörer vorbei plätscherte.
Als virtuoser Solist präsentierte sich Yury Revich, in Wien und Moskau ausgebildet. Der junge österreichische Geiger russischer Herkunft ist bereits international vielfach in Erscheinung getreten, so z.B. in der Carnegie Hall und an der Mailänder Scala. Revich spielt derzeit auf einer kostbaren Stradivari aus dem Jahr 1709. Und es war vor allem der Klang des kostbaren Instrumentes, der so warm und einnehmend tönte.
Yuri Revich spielte das Konzert aus den Noten von seinem Tablet aus und vermittelte vorrangig den Eindruck seiner technischen Souveränität. Das kantable, slawisch eingefärbte Hauptthema des Orchesters wurde von ihm nicht als aktiver Dialog fortgeführt. Er stürmte beherzt davon, so dass es zwischen ihm und dem Orchester zu deutlichen Unausgeworgenheiten im Tempo kam. Souverän meisterte er die technischen Anforderungen und dabei ließ er es beruhen.
Ohne Unterbrechung dann der zweite Satz, der das Zentrum des Konzertes ist. Vergleichsweise lange im Umfang und von tiefer sanglicher Schönheit. Hier fand Revich zu mehr Ruhe und traf dabei auch den melancholischen Charakter. Und doch fehlte ein deutlicheres Innehalten, um das Kantilenenreiche der Musik in den Mittelpunkt zu stellen.
Festlich und mitreißend sollte dann das finale „Allegro giocoso“ sein, in welchem Volkstänze, Furiant und Dumka, zitiert werden. Sollte – doch auch hier dominierte das technische Können Revichs den Eindruck. Ein Miteinander mit dem Orchester wollte sich auch hier nicht einstellen. Kaum ein Augenkontakt zu Orchester und Dirigent.
Am Pult seines Orchesters agierte GMD Sebastian Weigle mit Umsicht, aber wenig interpretatorischer Inspiration. Von ihm gingen keine Impulse aus, zu sehr betonte er die Rolle des Begleiters. Immer wieder bremste er sein Orchester aus, dämpfte die Dynamik, was vor allem dem letzten Satz erheblich die Wirkung nahm. Das Überschäumende, ja, das Außer-sich-Sein, was gerade mit den tänzerischen Momenten intendiert ist, vermochte Weigle nicht zum klingen zu bringen. Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester spielte sicher und einfühlsam.
Das Publikume applaudierte anhaltend. Am Ende spielte dann Yuri Revich noch eine virtuose Zugabe von Fritz Kreisler.
Nach der Konzertpause setzte dann Weigle mit der sechsten Symphonie von Anton Bruckner seinen Bruckner-Zyklus fort. Diese Symphonie braucht verältnismäßig lange, bis sie die ihrer Bedeutung gemäße Würdigung erfuhr. Obwohl 1881 abgeschlossen, dauerte es viele Jahrzehnte, bis die Originalpartitur, herausgegeben von Robert Haas, 1935 uraufgeführt wurde. Bruckner bezeichnete seine sechste Symphonie als „keck“ und tatsächlich wirkt sie in verschiedenen Abschnitten vergleichsweise hell in ihrer Grundfarbe.
Wie ausgewechselt agierten nun Dirigent und Orchester! Es folgte eine symphonische Kür von großer interpretatorischer Geschlossenheit.
Weigle nahm das vorgeschriebene „Maestoso“ des ersten Satzes ernst und setzte deutliche Akzente, bereits im Hauptrhythmus des ersten Satzes. Wunderbar durchsichtig zeigte er den Themenverlauf in den Orchesterstimmen. Ein fortwähredes Pulsieren, sehr gut in den Nebenstimmen ausgehört und dann machtvoll in einer strahlenden Schlusscoda gesteigert.
Das feierliche sich anschließende Adagio formulierte Weigle als endlos anmutenden Gesang der Streicher. Aufblühend im kantablen Verlauf und dunkel getönt in den Einwürfen der Celli und Kontrabässe. Dazu herausragende Solobeiträge der Holzbläser (Oboe, Klarinette, Flöte)Behutsam dann das Verklingen dieses eindrücklichen Satzes.
Wie so oft bei Bruckner, dann ein deutlich akzentuiertes, pochendes Scherzo. Hier hatten dann die gut aufgelegten Blechbläser ihr eindrucksreichen Momente. Strahlend und kernig spielten sie auf und ließen zuweilen an Fanfaren denken. Und tatsächlich, in dem sehr eigen komponierten Trio ließ sich an Bruckners Attribut „keck“ denken. Denn das Wechselspiel zwischen den Pizzicati der Streicher und den choralartigen Einwürfen der Hörner hatte diese besondere Wirkung.
Das Finale arbeitet sich nach dem eingetrübten a-moll in ein strahlendes F-Dur und führt dann zu einem festlich anmutenden Abschluss. Bruckners Vorliebe für die Musik Richard Wagners findet auch hier wieder einmal eine Erwähnung. So dürfen die Hörner sehr erkennbar den Beginn des Liebestods aus Wagners Musikdrama „Tristan und Isolde“ zitieren. Weigle bündelte hier nochmal alle Energien zusammen und formulierte auf dieser Grundlage ein sehr deutliches Ausrufezeichen seiner großen Affinität zu Bruckner.
Sebastian Weigle zeigt einmal mehr äußerst eindrucksvoll, dass ihm die Musik Anton Bruckners sehr nahe steht. Die Tempi wirkten ausgewogen und natürlich in der Empfindung. Immer wieder suchte er kantable Spannungsbögen. Im Kontrast dazu wirkten die z.T. schroffen Akzenten deutlich und belebend. Das Frankfurter Oper- und Museumsorchester musizierte auf sehr hohem Niveau. In allen Spielgruppen gab es Bestleistungen. Besondere Erwähnung muss Tobias Kästle an der Pauke finden. Sein hellwaches Spiel, dynamisch bestens abgestimmt, abgerundet durch kraftvolle perfekt platzierte Abschläge, vor allem an den Satz-Enden 1, 3 und 4, war ein besonderes Erlebnis. Dazu ist es immer wieder eine Freude festzustellen, wie gut und tief das Verständnis zwischen Orchester und seinem Dirigenten ist.
Viel Begeisterung für eine besondere Interpretation von Anton Bruckners Symphonie.
Dirk Schauß 10.12.2019
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