Wiesbaden, Konzert: „Aurora Orchestra“ mit Elgar und Beethoven

Ein musikalisches Feuerwerk der Extraklasse erhellte den Friedrich-von-Thiersch-Saal im Kurhaus Wiesbaden an diesem denkwürdigen Abend des 24. Augusts. Das Aurora Orchestra unter der mitreißenden Leitung von Chefdirigent Nicholas Collon präsentierte ein Programm, das die Grenzen der Tradition sprengte und die musikalische Entwicklung von Beethoven bis zur Moderne aufzeigte.

Der Abend wurde mit Edward Elgars „Serenade für Streichorchester e-Moll, Op. 20“ eröffnet, einem Werk, das von zarten Melodien und emotionaler Tiefe geprägt ist. Elgar schuf hier eine Serenade, die die Streicher des Aurora Orchestras mit großer Sensibilität und erlesener Klangqualität interpretierten. Die sanften Passagen wurden mit einem warmen und nuancierten Klang zum Leben erweckt. Faszinierend, wie vollöndend die Streicher zu vernehmen waren und kultiviert die Phrasierungen gerieten. Collon verstand es, die subtile Schönheit dieses Werks zu betonen und das Publikum in eine Atmosphäre der Intimität zu versetzen. Dieses Werk diente als perfekte Einstimmung auf die bahnbrechenden Kompositionen, die folgen sollten.

© Ansgar Klostermann

Der Abend wurde sodann mit einem ersten Höhepunkt fortgesetzt: Beethovens „Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur, Op. 58“ wurde nicht von den Streichern, sondern von Tom Borrow am Klavier eröffnet. Diese unkonventionelle Herangehensweise unterstrich Beethovens revolutionären Geist und erzeugte von Anfang an eine fesselnde Spannung. Dieser Eintritt in das Konzert war ein fesselnder Vorgeschmack auf die besonderen Momente, die folgen sollten. Borrow, ein aufstrebender Pianist, der sich bereits einen Namen in der Klavierwelt gemacht hat, bewies mit seinem einfallsreichen und technisch brillanten Spiel, dass er zu den aufstrebenden Virtuosen am Pianistenhimmel gehört. Seine Phrasierung war von großer Präzision und Empfindung geprägt, wodurch er die Nuancen von Beethovens Musik bestechend zur Geltung brachte. Besonders bemerkenswert war seine technische Souveränität in den virtuosen Passagen, die er mit Leichtigkeit und Eleganz meisterte. Der zweite Satz des Klavierkonzerts, mit seiner melancholischen Schönheit, wurde von Borrow und dem Aurora Orchestra mit großer Sensibilität und berührender Ausdruckskraft interpretiert. Borrow verstand es, die innigen Momente der Musik mit einer hohen emotionalen Tiefe zu präsentieren, die das Publikum berührte. Im Rondo des letzten Satzes zeigte Borrow seine große Spielfreude und Lebendigkeit, während er die virtuosen Passagen mit beeindruckender Leichtigkeit meisterte.

Das Aurora Orchestra begleitete Borrow mit einer beispiellosen Sensibilität und spielfreudigen Energie. Die Interaktion zwischen Solist und Orchester war von einer bemerkenswerten musikalischen Zusammenarbeit geprägt, bei der beide Seiten einander inspirierten und unterstützten. Die Klangqualität des Orchesters war in allen Gruppen exquisit, vor allem die Bläser sorgten für edle Goldfärbungen, wie die gloriosen Hörner und die strahlenden Naturtrompeten. Nicholas Collons Dirigat war mitreißend und kreativ, wobei er die musikalischen Strömungen lenkte und das Orchester zu großer Präzision und gelegentlich schroffen Ausdruckskraft führte. Hinreißend! Begeisternder Zuspruch aus dem Auditorium belohnte den herrlichen Vortrag und wurde von Tom Borrow mit einer gefühlvollen Zugabe bedacht. Mit feiner Empfindung erklang das subtil vorgetragene gis-Moll Prélude, Op. 32 von Sergei Rachmaninov.

© Ansgar Klostermann

Der Höhepunkt des Abends erreichte seinen Höhepunkt mit Beethovens „Sinfonie Nr. 5 c-Moll, Op. 67“. Dieses ikonische Werk, das von Anfang an mit seinem Schicksalsmotiv fesselt, wurde vom Aurora Orchestra mit atemberaubender Präsenz aufgeführt. Collon’s Interpretation verlieh der Sinfonie eine neue Tiefe, indem er die dramatischen Elemente betonte und die aufwühlenden Wendungen der Musik wissend formte. Der Friedrich-von-Thiersch-Saal im Kurhaus Wiesbaden bebte förmlich vor Spannung, als das Aurora Orchestra unter der inspirierenden Leitung von Nicholas Collon nach der Pause Ludwig van Beethovens monumentale fünfte Sinfonie  in flottem Tempo vortrug.

Bereits beim ersten Einsatz des berühmten Schicksalsmotivs, das wie ein Donnerschlag durch den Saal dröhnte, war klar, dass die Zuhörer eine außergewöhnliche Aufführung erwartete. Das Aurora Orchestra entfesselte eine kraftvolle Klangwelle, die die markanten vier Noten des Themas mit ungeheurer Intensität und Energie wiedergab. Unter der Leitung von Nicholas Collon entfaltete sich Beethovens musikalische Dramatik in all ihren Facetten. Collon verstand es fabelhaft, die dynamischen Kontraste deutlich zu betonen und die emotionalen Spannungen aufzubauen und zu entladen.

Das Aurora Orchestra, bekannt für seine innovativen Ansätze in der Aufführungspraxis, zeigte erneut seine außergewöhnliche Fähigkeit, Klassik und Innovation miteinander zu verknüpfen. Die Entscheidung, die Sinfonie stehend zu spielen, verstärkte die Verbindung zwischen den Musikern und der Musik, und das Orchester schuf eine Atmosphäre der Spontaneität und Unmittelbarkeit. Die musikalische Kommunikation zwischen den einzelnen Instrumentengruppen war beeindruckend, und die Interpretation wurde von einer bemerkenswerten klanglichen Präzision begleitet. Collons Dirigat war von klingender Leidenschaft geprägt. Er führte souverän das Orchester durch die unterschiedlichen Stimmungen der Sinfonie und ließ die musikalische Erzählung in ihrer emotionalen Tiefe erblühen. Sein sensibles Einfühlungsvermögen ermöglichte es dem Orchester, die unendlichen Nuancen der Musik mit großer Ausdruckskraft wiederzugeben. Die Interaktion zwischen Dirigent und Orchester war spürbar, wodurch eine lebendige und energetische Aufführung entstand. Die dramatischen Momente der Sinfonie wurden von einer intensiven Hingabe des Aurora Orchestras bestimmt. Mit größter Leidenschaft strichen die Streicher durch die düstere Klangwelt des ersten Satzes, während die Bläser mit ihrer klanglichen Präsenz die musikalische Spannung aufrechterhielten. Der zweite Satz wurde von Collon und dem Orchester mit einer royalen Noblesse interpretiert, die den Kontrast zur dramatischen Energie des ersten Satzes unterstrich. Im dritten Satz entfaltete sich eine lebhafte Eleganz in den akzentuierten Streichern, die von Collons dynamischem Dirigat geschickt geleitet wurde. Schließlich führte das Orchester mit einem begeisternden Crescendo in den letzten Satz, welches in einem kraftvollen, euphorischen Finale gipfelte. Mit imperialer Klanggeste triumphierten die perfekt intonierenden Blechbläser, sekundiert von der hervorragend akzentuierten Pauke. Die Kombination aus dem kreativen Dirigat von Collon, der Leidenschaft des Orchesters und der bemerkenswerten musikalischen Präzision führte zu einem spannungsreichen Konzerterlebnis. Das Publikum belohnte die Aufführung mit einer stürmischen stehenden Ovation, die den emotionalen Sog der Musik und die außergewöhnliche Leistung des Orchesters widerspiegelte. Eine triumphale Darbietung, die das Aurora Orchestra und Nicholas Collon als wegweisende Kräfte in der klassischen Musikszene hervorhebt.

Dirk Schauß, 25. August 2023


Kurhaus Wiesbaden, Friedrich-von-Thiersch-Saal

Besuchtes Konzert am 24. August 2023

Programm:
Edward Elgar – Serenade für Streichorchester e-Moll, Op. 20
Ludwig van Beethoven – Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur, Op. 58
Sinfonie Nr. 5 c-Moll, Op. 67

Tom Borrow, Klavier
Aurora Orchestra
Nicholas Collon, Leitung