Nürnberg: „Der Troubadour“, Giuseppe Verdi

Respektlos das Werk demontiert!

Aber zuerst das Positive: Kompliment an das Staatstheater für diese mit „Italianita“ und viel „Feuer“ umgesetzte wirklich schwungvolle musikalische Darbietung. Als ausgezeichneter Kapellmeister erwies sich der junge Jan Croonenbroeck, der recht zügige Tempi vorgab und für mächtig Schwung sorgte. Und wenn dann mal was bissl auseinander geriet, fing er flugs alle auf der Bühne Beteiligten wieder ein. Das alles mit Verve und Begeisterung, sodaß kleinere „Unfälle“ völlig nebensächlich blieben: der musikalische Spannungsbogen hielt und mit großem Engagement war die „Staatsphilharmonie Nürnberg“ das ausgezeichnete Fundament! Auch der Chor und Extrachor des Staatstheaters Nürnberg war bestens bei Stimme und mit hörbarer Freude an der erfolgreichen Umsetzung der dankbaren Aufgaben bemüht (Einstudierung: Tarmo Vaask).

(c) Bettina Stoess

In dieser letzten Aufführung der Saison dieser Produktion hörte man eine inspirierte, ausgezeichnete Wiedergabe der Verdischen Partitur! Gesehen hat man das nach dem Drama „El Trovador“ von Antonio Garcia Gutierrez gezimmerte Libretto des Salvadore Cammarano (der schreibt sich tatsächlich mit „weichem d“ – nicht, wie im Programmheft fälschlich als „Salvatore“ angegeben) nicht, sondern ein dem Sujet unwürdiges „Kasperltheater“ im wahrsten Sinne des Wortes!

Auf der Bühne dominant das Mutter-Sohn-Gespann – wobei es dank der häßlichen, nichtssagenden Kostüme und praktisch keiner Maske (Timo Dentler und Okarina Peter) eher aussah als wäre Manrico der ältere Bruder von Azucena. Letztgenannte Zigeunerin (im Libretto steht eindeutig „zingara“) war in Händen bzw. der Kehle der rassigen, leidenschaftlichen Almerija Delic bestens aufgehoben.  Ihr steht eine breite Palette an Ausdrucksnuancen zur Verfügung und sie durchmißt die Paraderolle für jeden Mezzo problemlos von brustigen Alttönen in „Condotta ell`era in ceppi“ bis zum finalen acuto in „Sei vendicata o madre“! Sie hat die nötige „grinta“ die großen Vertreterinnen dieser Partie von nur „sehr guten“ unterschieden haben – sie hat das Gespür und weiß richtig „loszulegen“ – etwa im Terzett mit Luna und Ferrando, während sie im „Ai nostri monti“ mit Manrico im letzten Bild auch zu innigen piano Tönen fähig ist. Brava! Daß ich den Interpreten ihres Sohnes noch nie vorher gehört habe, bedauere ich sehr. Denn Aldo di Toro erwies sich als exzellenter Lirico-spinto Tenor mit sehr schöner Klangfarbe, perfekter italienischer Phrasierung (er kommt gar nicht da her, sondern wie „La stupenda“ Joan Sutherland aus Australien!) mit dem manchmal durchaus legitimen „Schluchzer“ und einer bravourös dargebotenen „Stretta“ mit bombensicherem „c“. Auch im anspruchsvollen letzten Bild überzeugte er mit einer großen Leistung.  Eine schöne Klangfarbe zeichnete auch die Leonora von Emily Newton aus. Die Texanerin hat einen kräftigen Sopran mit agilitá – schade, daß ihr die Cabaletta „Tu  vedrai che amore in terra“ verwehrt blieb, sie müsste ihr liegen.

© Bettina Stoess

Mit an einigen Stellen mehr Vertrauen in ihr piano (das sie ja auch hat) und dadurch weicheren Tonansätzen würde sie noch mehr reüssieren. Was ihr im Miserere an Kletterübungen zugemutet wurde, ist gefährlich, unnötig und verdient eine Extra-Gefahrenzulage! Adam Kim als Luna gab hörbar auch „alles“, was gar nicht nötig gewesen wäre. Als er die Arie nicht nur durchbrüllte konnte man erkennen, daß sein Bariton, ohne zu forcieren viel besser zur Geltung kam – vielleicht war er auch nicht gut disponiert. Einen fabelhaften Ferrando gab Nicolai Karnolski! Mit kernigem Bass und blendender Diktion begann er den Abend und wertete zusammen mit dem präzisen Chor diese Eingangsszene mächtig auf – sicher einer der besten Interpretationen, die ich je gehört habe – man bedauerte, daß es für ihn keine zusätzliche Arie im Werk gibt. Stellvertretend für die rollendeckenden Comprimarii sei der Ruiz von Joohoon Jang – wie Veronika Loy (Ines) Mitglied des Internationalen Opernstudios – erwähnt.

Und da beginnt nun mein Ärger, denn man hatte Jang die Rolle des Ruiz „gekürzt“, und die einleitenden Worte des 4. Aktes musste Leonora singen!! Ein zweites Mal wurde in die Partitur eingegriffen: Zu Beginn des 3. Aktes wurde „In braccio al mio rival“, Rezitativ des Luna vor den „Soldatenchor“ vorgezogen, um Luna auf der Bühne zu haben, auf den die Soldaten da losgegangen sind!  Das geht gar nicht! Weiter wurden sinnlose Generalpausen eingelegt – in denen laut dumm gelacht werden musste! Etwa im himmlischen Ensemblefinale des zweiten Aktes: Da setzt sich Manrico ein Nonnenhäubchen auf, lacht hämisch – und dann geht’s weiter. Sogar die Arie „Il balen“ von Luna wird unterbrochen, vor der zweiten Strophe, damit Luna seiner Puppe – mit der er im Kasperltheater spielt – einen Schluck aus der Flasche geben kann!

© Bettina Stoess

Damit sind wir bei der „Inszenierung“ von Peter Konwitschny, der respektlos das Werk demontiert, aber Sieger bleibt – Gott sei Dank – die Musik! Schon Leo Slezak hat ja geschrieben, im „Trovatore“ kenne sogar er sich nicht aus… Nun ist die Geschichte gar nicht schlimmer als viele andere Opernlibretti – eines hat der Regisseur durch seine Eskapaden aber nicht geschafft: irgendetwas zu erklären, zu verdeutlichen, oder „aktueller“ zu machen. Eigentlich ist es das Machwerk gar nicht wert, darüber allzu viele Worte zu verlieren. Es gibt eben ein Kasperltheater auf der Bühne, in dem die Sänger ihre Arien zu singen haben. Übrigens wurde dafür ein akustisch sehr schlechter Bühnenaufbau gewählt – Gott sei Dank wird das beim Einfall von Manrico und seinen Mannen zerstört. Dann steht nur mehr das Gestell rum, obwohl Manrico auch bei „Di quella pira“ und noch schlimmer Leonora drauf rumklettern müssen. Im letzten Bild ist alles weg, es stehen vier Sessel nebeneinander, wie bei einer Sitzprobe hocken sich die Sänger dahin, singen das herrliche Schlußbild, und gehen jeder nach Beendigung seines Einsatzes uninteressiert von der Bühne ab: wirklich ein „genialer“ Einfall.

Ja, Zigeuner gab’s auch nicht – es waren dieselben Uniformen wie im ersten Bild, natürlich waren jetzt musikalisch bedingt auch Frauen als Männer verkleidet dabei, die soffen und auf einem Scheiterhaufen eine alte, nackte Frau wunderbar im Takt der Amboßschläge vergewaltigten – und anschließend verbrannten.

© Bettina Stoess

Während im Libretto eine Zigeunergruppe am Fuße eines Berges in der Biscaya lagert, kann man im Programmheft lesen: „Ein rassistischer, entfesselter, besoffener Mob führt eine Frau zum Scheiterhaufen“.  So, das reicht jetzt.  Es war die schlechteste szenische Umsetzung des Werkes, die ich in 50 Jahren Operleben je gesehen habe – und die erste OHNE Pause! (cui bono?).  Verdis Melodien werden noch in Jahrzehnten und Jahrhunderten gesungen werden, wer kräht in ein paar Jahren nach dieser Regie? Es war ein Triumph der Musik auf allen Ebenen. Dazu, aber nur dazu, Gratulation an das Nürnberger Haus.

Michael Tanzler, 16. März 2024

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Der Troubadour
Giuseppe Verdi

Staattheater Nürnberg

7. März 2024
13. November 2021 (Premiere)

Regie: Peter Konwitschny
Dirigat:  Jan Croonenbroeck
Staatsphilharmonie Nürnberg

Trailer