Nachdem Aalto-Intendantin Dr. Merle Fahrholz in der vergangenen Saison eher auf Raritäten gesetzt hatte, bietet sie in dieser Saison Repertoireklassiker wie La Forza del Destino und Parsifal. Das muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass es auch ein ausverkauftes Haus und eine volle Kasse garantiert sind. Bei der Premiere von Mozarts Die Zauberflöte gab es einen Buhsturm für das Team um Regisseurin Magdalena Fuchsberger, und in der zweiten Vorstellung bleiben gut ein Drittel der Plätze frei. Bei den folgenden Aufführungen läuft der Verkauf ähnlich schleppend: Das Publikum scheint dem Haus mittlerweile so stark zu misstrauen, dass selbst Die Zauberflöte kein Selbstläufer ist.
Bei der Lektüre des Programmheftes wirkt das Konzept von Regisseurin Magdalena Fuchsberger noch plausibel: Die Paare: Pamina und Papageno sowie Papagena und Tamino geraten in die Fänge einer sektenähnlichen Gesellschaft, die von der Königin der Nacht und Sarastro geleitet wird. Dort müssen sie sich diversen Prüfungen unterziehen und finden neue Partner. Ausgangspunkt für die Regie ist das Duett „Bei Männern, welche Liebe fühlen“, welches schon in die Ouvertüre eingebaut wird. Tobias Greenhalgh singt den Papageno mit gut gerundetem Bariton, und Lisa Wittig ist eine selbstbewusst-wohlklingende Pamina. Dirigent Christopher Moulds dirigiert das Stück flüssig und immer wieder mit geschärften Akzenten. Manchmal überträgt sich die Trägheit der Inszenierung aber auf den Orchestergraben.
In Essen beginnt der Reigen der Prüfungen bereits mit der ersten Szene. Diese werden aber ohne verbindende Dialoge aneinandergereiht. Ein richtiger Handlungsfluss oder dramatischer Sog entsteht da nicht. Das Konzept gibt sich innovativ und revolutionär, wird aber mit einer bieder-altbackenen Personenführung auf die Bühne gebracht. Die von Monika Biegler entworfene Kommandobrücke auf der Königin und Sarastro thronen, verdeckt zudem viel von den durchaus sehenswerten Videos von Aron Kitzing. Vollkommen ratlos ist man dann im zweiten Akt: Warum will die Königin plötzlich ihren Partner Sarastro umbringen? Da scheitert die Regie vollends am Werk.
Sopranistin Nicole Wacker ist eine koloraturstarke und höhensichere Königin der Nacht. Der Sarastro von Andrei Nicoara ist eher Bariton als Bass: So fehlen ihm für seine Arien auch die tiefen Tönen, bei denen er anstatt zu singen bloß ausatmet. Aljoscha Lennert gefällt als Tamino mit seinem schönen Tenor, der eigentlich lyrisch grundiert ist, aber an einigen Momenten auch groß auftrumpft. Die Stimmen der drei Damen von Jeanne Jansen, Nathalie Kukhar und Melania Kwon mischen sich gut.
Dass man Mozarts „Zauberflöte“ gleichzeitig modern und publikumswirksam inszenieren kann, haben in den letzten Jahren viele Produktionen im Ruhrgebiet bewiesen: An der Deutschen Oper am Rhein läuft seit 2013 Barrie Koskys und Suzanne Andrades auch weltweit nachgespielte Produktion der Komischen Oper. In Krefeld Mönchengladbach hat Kobie van Rensburg 2018 eine Inszenierung herausgebracht, die mit der „Star Wars“ –Ästhetik spielt und die Sänger per Green-Screen in vorgefertigte Filme einspielt. Beide Inszenierungen sind echte Kassenschlager.
Für das Aalto-Theater ist diese Produktion ein schwerer künstlerischer und finanzieller Rückschlag, denn Schulklassen und Familien, die sonst gerne in „Die Zauberflöte“ gehen, werden sich diese Inszenierung kaum anschauen. Besonders tragisch ist das angesichts des Erfolgs der Vorgänger-Produktionen: Jaroslav Chundelas Inszenierung in den starken Bildern von Roland Topor lief hier von 1990 bis 1998. Ezzio Toffolutis Produktion aus dem Jahr 2003 schaffte es sogar auf 20 Jahre Laufzeit und wurde zuletzt im April 2023 gespielt. Vielleicht existieren die Bühnenbilder ja noch und Intendantin Merle Fahrholz entschließt sich dieses aus dem Fundus zu holen. Dann könnte es auch wieder eine ausverkaufte „Zauberflöte“ im Aalto-Theater geben.
Auf dem Programmzettel der Produktion wird vor rhythmischen Lichteffekten gewarnt, ich kann mich beim besten Willen aber nicht daran erinnern, wo diese eingesetzt wurden.
Rudolf Hermes, 24. September 2024
Die Zauberflöte
Wolfgang Amadeus Mozart
Aalto-Theater Essen
Premiere: 14. September 2024
Besuchte Vorstellung: 20. September 2024
Inszenierung: Magdalena Fuchsberger
Musikalische Leitung: Christopher Moulds
Essenener Philharmoniker