Während wahrscheinlich die Mehrheit der gut 17 Millionen TV-Zuschauer beim Ausscheiden der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft in der Vorrunde der WM einen weniger vergnüglichen Abend verbrachte, erging es den Besuchern der zeitgleich stattfindenden Uraufführung von „Frauengold“ am Theater Krefeld deutlich besser. Über 90 Minuten erlebten die Zuschauer der ausverkauften Premiere einen durchaus heiteren Liederabend, der allerdings an vielen Stellen auch ernste Töne anschlug. In den 1950er Jahren versprach die Werbung für „Frauengold“ den nervösen und erschöpften Frauen eine ebenso beruhigende wie stimmungsaufhellende Wirkung. Dabei bestand das Produkt vor allem aus Alkohol. Die Werbung war hierbei ganz dem Zeitgeist angepasst, demnach bestand die wichtigste Aufgabe der Frau darin, ihren Mann und die Kinder glücklich zu machen. Dieser Werbefilm wird zu Beginn des Liederabend auch auf den weißen Vorhang der kleinen Bühne im Glasfoyer des Theaters Krefeld projiziert und sorgt aus heutiger Sicht ebenso für Erheiterung wie Unverständnis über die damalige Rollenverteilung zwischen Mann und Frau.
Dass es auch rund 70 Jahre später in der Gesellschaft in vielen Punkten keine wirkliche Gleichberechtigung gibt, zeigt Regisseurin Anne Spaeter bei dieser Produktion zusammen mit den beiden Darstellerinnen Ester Keil und Carolin Schupa sowie Cornelius Gebert, der neben dem Schauspielpart auch noch für große Teile der Livemusik zuständig ist. Sehr vergnüglich ist die Darbietung von „Rabenmutter“, ein Song der gewisse Ansichten über das Verhalten von Müttern überspitzt aufs Korn nimmt. Auch die Überlegungen zur Rolle und zum Verhalten von Prinzessinnen in den diversen Märchen sind sehr unterhaltsam. Wenn die Prinzessin sich dann zum Beispiel zu Bonnie Tylers „Holding out for a Hero“ auf die Suche nach ihrem Prinzen begibt, applaudiert das Publikum sichtlich amüsiert. Weniger zum Lachen sind die Fakten über häusliche Gewalt gegen Frauen, die dem Zuschauer zur Musik von „Stand by your Man“ eindringlich in Erinnerung gerufen werden. Auch im weiteren Verlauf des Abends wechseln sich immer wieder heitere Themen mit wichtigen und ernsten Botschaften ab. Natürlich übernimmt der Mann die Moderation der live durchgeführten Quizsendung, während die Damen nur die Rolle der Assistentinnen bekleiden. In der Rolle des Quizmasters zeigt Cornelis Gebert einmal mehr sein komödiantisches Talent. Zu „Finger weg von meiner Musch“ zeigen Ester Keil und Carolin Schupa in bester bayrischer Tracht, wie schwer es für Frauen oftmals ist, ganz unbeschwert Abends aus zu gehen. Darüber hinaus erwartet den Besucher beispielsweise eine kleine Abrechnung mit der doch überschaubaren Menge an Frauenrollen in den großen Theaterstücken, ein musikalisches Menstruationsmedley sowie eine Besichtigungstour durch die Vaginahöhle, die nach wie vor zu den „wohl am meisten besuchten Sehenswürdigkeiten der Welt“ zählt. Am Ende des Abends wird auch noch mit den zu erwartenden Kritiken zu dieser Premiere unterhaltsam abgerechnet.
Alles in allem ist „Frauengold“ ein sehr sympathischer Theaterabend, der vor allem das lokale Publikum erfreuen dürfte. Sympathisch auch, wie vor allem Carolin Schupa über einige kleinere Texthänger elegant weg spielt bzw. diese schnell in die Moderation des Abends einbaut. Wer mag hat nach der Vorstellung noch die Gelegenheit den Abend bei einem Glas Wein oder den beiden extra kreierten „Frauengold“-Cocktails und einem Plausch mit den Darstellern ausklingen zu lassen. Um die Kritik mit einem passenden Werbespruch von damals zu beenden: „Frauengold schafft Wohlbehagen – wohlgemerkt, an allen Tagen“.
Ach so, was Frauen im übrigen im Jahr 2022 auf jeden Fall deutlich besser können als Männer ist erfolgreich Fußball zu spielen. Dies belegt inzwischen sogar das offizielle Ranking der erfolgreichsten TV-Sendungen 2022, denn auch hier bleiben die Frauen nach dem gestrigen Abend auf dem ersten Platz des Jahres.
Markus Lamers, 02.12.2022
„Frauengold“
Ein Abend mit Musik, Quiz und Protest
Uraufführung im Theater Krefeld
Premiere: 01.12.2022
Inszenierung: Anne Spaeter
Text, Bühne und Kostüm: Cornelius Gebert, Esther Keil, Carolin Schupa, Anne Spaeter
Musik: Cornelius Gebert
Video: Peter Issig
Weitere Vorstellungen: 05.12.22 / 16.12.22 / 19.12.22 / 27.12.22 / 08.01.23 / 19.02.23 / 18.03.23 / 25.04.23 / 20.05.23 / 03.06.23