Verona: „Rigoletto“, Giuseppe Verdi

© Foto Ennevi / Fondazione Arena di Verona

Die heurige Saison in der grandiosen römischen Arena ging mit einer starbesetzten Aufführung der Verdioper zu Ende. Dabei war nur Pene Pati als Herzog für dieses Datum regulär vorgesehen, während es für Lisette Oropesa in den übrigen gegebenen Werken („Aida“, „Carmen“, „Nabucco“) keine Rollen gegeben hätte bzw. „La Traviata“ mit drei anderen Kolleginnen besetzt war. Und der die Titelrolle verkörpernde Ludovic Tézier war nur für einen Abend als Amonasro angesetzt. Der Sprung von Erlin Morley (Gilda) und von Youngjun Park (Rigoletto) zu den Genannten war (ohne letzteren nahetreten zu wollen) ein gewaltiger.

Tézier, nach seiner Krankheit und Operation merklich erschlankt, schloss mit völlig intakter Stimme nahtlos an die Zeit vor seiner Erkrankung an. Sein unglücklicher Hofnarr ist zutiefst menschlich geprägt, man spürt, dass er seinen Hohn über Monterone ausschüttet, weil das von ihm erwartet wird, wodurch seine Beziehung zu Gilda weniger egomanisch wirkt, denn wie der einzige Halt in einer feindlichen Welt. Stimmlich grandios und wohl auch dem Publikum der Arena geschuldet die eingelegten Höhen am Schluss von „Pari siamo“ und des Racheduetts sowie die nicht geschriebenen, aber durchaus nicht auf Übertreibung setzenden Gildarufe nach der Entführung seiner Tochter.

© Foto Ennevi / Fondazione Arena di Verona

Oropesa war weit entfernt von der puppenhaften Interpretation mancher ihrer Kolleginnen; in ihrer Stimme war die ganze Skala von jugendlich-glücklichem Überschwang bis zur Opferbereitschaft zu hören. Ein echter Höhepunkt war das sonst so oft mechanisch klingende „Caro nome“, durchdrungen von den seligen Gefühlen einer ersten Liebe. Ich hatte zum ersten Mal  Gelegenheit, Pene Pati live zu hören und war nicht nur von seinem (man verzeihe mir den Ausdruck, der absolut zutreffend ist) honigsüßen Timbre beeindruckt, sondern fast noch mehr von der Art, in welcher er Verdis musikalische Vorgaben mit höchster Präzision befolgte. Besonders erfreulich die so selten gewordenen, gut gestützten pianissimi. Szenisch wirkte der in Samoa geborene, in Neuseeland aufgewachsene, Künstler unbefangen, wird im Auftreten aber sicher noch persönlicher werden. Ein prachtvoller Sparafucile war Gianluca Buratto mit schwarzem Bass, der den „honetten“ Mörder mit sichtbarer Freude verkörperte. Martina Belli war eine fesche, stimmlich brauchbare Maddalena. Der einzige stimmliche Ausfall war der brüchig klingende Monterone von Abramo Rosalen, während der kraftvoll agierende und singende Nicolò Ceriani (Marullo) eine tadellose Gruppe von Comprimari, bestehend aus Agostina Smimmero (Giovanna), Matteo Macchioni (Borsa), Hidenori Inoue (Ceprano), Francesca Maionchi (dessen Gemahlin), Ramaz Chikviladze (Türsteher) und Elisabetta Zizzo (Page), anführte. Michele Spotti war der dynamisch agierende Dirigent des Orchesters der Arena, Roberto Gabbiani der Leiter des ausgezeichnet singenden und agierenden Chors der Arena.

© Foto Ennevi / Fondazione Arena di Verona

Die durchaus konventionelle Regie von Ivo Guerra (sieht man von den verwirrenderweise von Zeit zu Zeit auftauchenden Nixen in Nilgrün ab) hatte ihre großen Vorzüge in der Ausstattung. Inspiriert von einer Arenaproduktion aus 1928, hatte Raffaele Del Savio ein wunderbares Bühnenbild entworfen, im Hintergrund eine malerische Festung, davor Natur – die Farben erinnerten an die sienesischen Meister des 13. Jahrhunderts. Der Vordergrund überzeugte an jedem der Handlungsorte, ob es sich um den herzoglichen Hof, Rigolettos Behausung oder Sparafuciles Spelunke handelte. Von demselben Künstler stammten die prachtvollen, aufwendigen Kostüme im Stil der Renaissance.

Fazit: Ein zurecht vielbejubelter Abschluss der 102. Saison der Arena di Verona.

Eva Pleus, 12. September 2025


Rigoletto
Giuseppe Verdi

Arena di Verona

Aufführung am 6. September 2025 (letzte des Arenafestivals)

Regie: Ivo Guerra
Musikalische Leitung: Michele Spotti
Orchestra della Fondazione Arena di Verona