Snoopy-Land mit Badewanne
Die Premiere begann um 17 Uhr, und der Anteil an Kindern im Publikum war so groß, als hätte die Volksoper dezidiert eine Kinderoper angesetzt. Aber es war eine neue „Zauberflöte“ – obwohl das Haus die überaus gelungene Produktion von Henry Mason hatte (erst aus dem Jahr 2020!), in der vieles, was in dem Werk steckt, herausgeholt worden war. Lotte de Beer, die sich als Direktorin diesmal selbst für die Regie von Mozarts Werk engagierte, wollte hingegen das, was sie sich dazu vorstellte, hinein stecken… Mit „Kindern“ hatte es schon in hohem Ausmaß zu tun.
Es beginnt mit Zeichnungen im Snoopy-Stil, die sich auf den Videowänden der Bühne entwickeln – diese Videos sorgen auch für die schnellen Verwandlungen, weil die Computertechnik natürlich viel schneller ist als jede „Hardware“. Drei Stunden für eine „Zauberflöte“, das bringt ein Opernhaus normalerweise nicht zustande, unter dreieinhalb geht es normalerweise nicht.

Die Zeichnungen schlagen das Thema an, das Lotte de Beer in die Oper hineininterpretiert. Verwirrte Kinder sehen, wie die Eltern sich streiten, dann erleben wir Tamino – auch er in Kleidung und Gehabe noch fast ein Kind – in seinem Bett, die böse Schlange kommt, erwartet uns ein Traumspiel? Oder ein Alptraum? Die Schlange schlängelt sich nur auf der Leinwand und verschwindet, wenn die drei Damen auftreten, die man oft albern gesehen hat, aber selten so wild wie hier als alte Schabraken. Papageno ist auf einmal da und gewinnt den ganzen Abend lang kein Profil.
Und dann wechselt man vom Snoopy-Land (Zeichnungen werden im Lauf des Abends seltener, ihr Effekt vom Beginn verpufft, sie werden nicht durchgezogen) ins Badewannen-Land. Dort liegt die Königin der Nacht, nimmt Pillen und singt ihre Arie, während sich der Hintergrund mit Badewannen füllt – es ist nicht das Einzige, von dem man nicht recht herausbekommt, was es eigentlich bedeuten soll.
Pamina ist kein zartes, unterdrücktes Wesen, sondern eilt in einer Art Hotpants sehr energisch durchs Geschehen, wie auch Papageno später in ihrer einzigen Arie gleich den ersten Ehekrach vermittelt, wenn sie die weiblichen Papagenas als Nachwuchs geradezu wütend einfordert…

Ja, und mit Monostatos (der einen schwarzen Turm am Haupt trägt) und Sarastro (der weiße König) kommt man gar ins Schach-Land. Und das ist dann schon recht politisch gemeint, wenn der sonst so würdevolle Herr sich hier schnöselhaft bei der Zeitungslektüre nicht stören lassen will und – ja, er sieht nicht von ungefähr wie Herbert Kickl aus und schmeichelt sich als Politiker bei seinen unwilligen Untertanen ein… Man sieht, das Original zerbröckelt nach und nach. Immer wieder taucht Taminos Bett auf: Vielleicht ist man ja doch die ganze Zeit im Traumland?
Am schlimmsten wird dann die umgedeutete Wasser- und Feuerprobe, die in Stil von Konwitschnys französischem „Don Carlos“ erfunden in einem Wohnzimmer spielt, Pamina und Tamino rechnen mit den Eltern ab, die Königin wird aus der Badewanne geholt, Sarastros Zeitung verbrannt (so viel zur Feuerprobe). Und am Ende? Da segelt unser nun hoffentlich neurosenbefreites Paar in einer zum Boot umgewandelten Badewanne – ja, wohin? Ins Kinderland, ohne Zweifel.
Natürlich kann man so was machen, am Theater ist in unserer Zeit alles möglich und erlaubt, und angesichts von Dutzenden und Aber Dutzenden „Zauberflöten“-Inszenierungen, die man im Kopf hat, ist Lotte de Beer jedenfalls eine Version eingefallen, wie man sie noch nicht gesehen hat. Was Christof Hetzer für Bühnenbild und Animationen (dazu kommt, was immer das heißen mag, noch Roman Hansi als „Animation Lead“), was Jorine van Beek an Alltags-Fetzen geschaffen hat, gibt dem Abend allerdings keinerlei optischen Reiz.
Braven Repertoire-Mozart dirigierte Tobias Wögerer (Magie oder Verzauberung darf man sich nicht erwarten), dafür ließ der Chor aufhorchen, Mozarts diesbezügliche Klangpracht realisierend.
Die mörderisch schwierige Rolle der Pamina kann Rebecca Nelsen gut bewältigen, dass sie nicht eine Minute als „Mozarts Pamina“ auf der Bühne stand, ist bei dem, wie sie aussah und was sie spielen musste, klar.
Ein Tamino mit quetschiger Stimme war David Kerber, ein seltsamer Papageno ohne Eigenschaften Daniel Schmutzhard, beide auf naive Buben getrimmt, Aber nur unsicher an seiner kurzen Hose zu nesteln, ergibt kein Rollenprofil. Hingegen war Jaye Simmons in ihrer einzigen Szene als Papagena ein Bündel Lebendigkeit.
Über die Stimme von Stefan Cerny braucht man nicht zu sprechen, er ist ein bemerkenswerter Baß und spielt einen schmierigen Politiker. Anna Simińska kam in der ersten Arie mit ihrer Badewanne nicht zurecht und fand am Ende nur zu einem Quietscher, während ihr „Der Hölle Rache“ trotz an sich schmaler Stimme bemerkenswert gelang, das war das Koloraturen-Feuerwerk, das man von einer Interpretin erwartet. Josef Wagner, der sich als Sprecher auch auf Taminos Bett wieder findet, sah aus wie ein Grufie, Karl-Michael Ebner musste als Monostatos natürlich nicht die ominöse Phrase „Weil ein S- hässlich ist“ singen, und Daniel Ohlenschläger holte aus dem Ersten Priester einige Pointen. Bemerkenswert die drei Damen, Hedwig Ritter, Katia Ledoux und Jasmin White, so grenzalbern sie sich aufführen mussten, so schön sangen sie – also sehr.

Am Bühnenrand sitzt ein Junge, der offenbar ein Buch liest oder auch in dieses hinein zeichnet, und damit nicht genug der Kinder – es gibt auch eine Szene, wo Sarastro das Kind Pamina (ebenfalls aus dem Bett) von ihrer Mutter entführt. Kinderneurosen statt Mozart-Kosmos halt…
Am Ende gab es freundlichen Beifall für alle, und nur ein energischer Buh-Rufer, der nicht locker ließ, zeigte solcherart, dass ihn Lotte de Beers Konzept nicht überzeugt hat.
Renate Wagner 15. September 2025
Die Zauberflöte
Wolfgang Amadeus Mozart
Volksoper Wien
WA–Premiere: 14. September 2025
Premiere 10. Dezember 2019
Regie: Lotte de Beer
Dirigat: Tobias Wögerer
Sinfonieorchester der Volksoper