Köln: „Das Rheingold“, Richard Wagner (zweite Besprechung)

20 Jahre nach Robert Carsens tief pessimistischem Ring des Nibelungen, bei dem die Welt und Natur bereits im Rheingold aus dem letzten Loch pfiffen, startet die Kölner Oper einen neuen Ring mit der Handschrift Paul-Georg Dittrichs. Der schließt sich der seit etwa 15 Jahren grassierenden Rezeptions-Mode an, die politisch-ökologische Botschaft Wagners hintenanzustellen und die Tetralogie, wie etwa Dietrich Hilsdorf in Düsseldorf, als Familien-Drama oder, wie Valentin Schwarz in Bayreuth, als psychisches Kindheits-Trauma zu deuten.

© Matthias Jung

Dabei war Wagners Warnung vor einem empathielosen Kapitalismus und einem hemmungslosen Raubbau an der Natur lange nicht mehr so aktuell wie heute. Es verwundert nicht, dass die Reduzierung auf private oder rein psychologische Aspekte die utopische Sprengkraft des Werks wesentlich entschärft. Erst recht nicht, wenn man, wie jetzt Dittrich in Köln, den Ring aus der Perspektive von Kindern gestaltet. Was gut gemeint ist und auch reizvoll sein kann. Allerdings fällt es Dittrich, wie Erwachsenen allgemein, nicht immer leicht, die Grenzen zwischen kindlich und kindisch einzuhalten. Was natürlich für ein visionäres Kraftwerk wie den Ring katastrophale Folgen haben kann.

Doch der Reihe nach: Das reine, zu Beginn unschuldige Rheingold ohne jeden materiellen Wert ist bei Dittrich kein Metall, sondern es sind Kinder, die, anfangs von Fantasie und nicht von materieller Gier erfüllt, allmählich ihre Unschuld verlieren und vom Wettlauf um Macht und Reichtum eingeholt werden. Der Raub des „Rheingolds“ präsentiert sich als Traum einer Kinderschar, die die Eingangsszene pantomimisch darstellt, stumm den Text mithauchen, der von den Profis quasi konzertant gesungen wird.

Das geschieht in Kulissen, die in ihrer raffiniert naiven und kunterbunten Machart an Kinderbücher oder entsprechende Comics erinnern. Ebenso kreativ von Pia Dederichs und Lena Schmid ausgeführt wie die buntscheckigen Kostüme von Mona Ulrich. Die Befürchtung, dass der ganze Ring in eine Art Kinderoper abdriften könnte, ist letztlich zwar unberechtigt, aber der Hang zu comichaften Überdrehungen lenkt vom Ernst der eigentlichen Werkaussage ab. Das gilt insbesondere für die Charakterisierung der Figuren, deren Hybris meist nicht durch feine Ironie, sondern durch clowneske Überzeichnungen ausgedrückt wird. Besonders schlimm bei den Göttern Froh und Donner, der zickig verwöhnt charakterisierten Freia und den mit Dollars bekränzten Riesen Fasolt und Fafner, die sich selbstgefällig auf einem Bagger kutschieren lassen.
Immerhin behalten Loge, Wotan, Fricka und Erda einen Rest an Würde, während die brüderlichen Nibelungen Alberich und Mime noch am ehesten die Bedrohung der Entwicklung spüren lassen.

Rundum gelungen sind einige Bilder, etwa, wenn ein überdimensionaler Ring mit Kindern besetzt wird und den Anschein einer geräderten Menschentraube assoziiert. Oder wenn sich das Panorama zu einem Sehschlitz verengt, durch den das Geschehen wie ein Puppenspiel wirkt. Die modulartige Struktur der Bühnenbilder dürfte die Übernahme in das sanierte Stammhaus am Offenbachplatz erleichtern, die nach 13 Jahren für die nächste Spielzeit geplant ist. Glaube und Hoffnung sterben zuletzt.

Was das riesige Nibelungen-Orchester angeht, könnte es im Orchestergraben des sanierten Opernhauses allerdings eng werden. Unter diesem Aspekt ist das variable Raumangebot des Staatenhauses von Vorteil. Aber nur, was die Größe angeht. Wenn es, wie jetzt im Rheingold, ebenerdig platziert ist, dröhnt der Klang nicht nur ungefiltert in den Saal, sondern die Balance zwischen Bläsern und Streichern ist noch schwerer im Gleichgewicht zu halten als in einem Orchestergraben. Im Vorspiel etwa übertönten die acht Hörner hoffnungslos die filigranen Figuren der Streicher. Angesichts der Bedeutung gerade dieser Wellen-Motive der Streicher bleiben damit elementare Leitmotive unhörbar. Eine Schieflage, die nicht dem Orchester angelastet werden kann, das von Marc Albrecht recht geschickt unter Kontrolle gehalten wird.

© Matthias Jung

Die Sänger können sich jedenfalls recht entspannt gegen das Orchester durchsetzen. Was auch zu einer durchweg guten und heutzutage nur noch selten anzutreffenden Textverständlichkeit führt. Ein Meister dieser vernachlässigten Kompetenz ist Mauro Peter als Loge, der seinen anspruchsvollen Part stimmlich und gestalterisch souverän ausführt und durch seine nahezu perfekte Artikulation heraussticht. Ähnliches lässt sich auch von Martin Koch als Mime sagen. Jordan Shanahan kann mit seinem Rollen-Debüt als Wotan ebenso überzeugen wie Daniel Schmutzhard als verschlagener Alberich.
Mit voluminöser Tiefe bringen Christoph Seidl und Lucas Singer die Riesen Fasolt und Fafner auf die Bühne. Auf gutem bis mittlerem Niveau singt der Rest des Ensembles.

Viel Beifall des Premierenpublikums für die musikalischen Akteure, ein Gemisch aus Bravo- und Buh-Rufen für das szenische Team.

Pedro Obiera, 28. Oktober 2025


Das Rheingold
Richard Wagner

Oper Köln

Premiere: 26. Oktober 2025

Inszenierung: Paul-Georg Dittrich
Musikalische Leitung: Marc Albrecht
Gürzenich-Orchester

Erstbesprechung