Es gibt Produktionen, die offenbar unter keinem guten Stern stehen. Bereits im September 2020 sollte Donizettis komische Oper „Die Regimentstochter“ in der Inszenierung von Roland Hüve Premiere am Theater Krefeld feiern. Bekanntlich kam hier die Corona-Krise dazwischen, in dieser Spielzeit sollte es dann mit zwei Jahren Verspätung so weit sein. Aufgrund des Krieges in der Ukraine hat sich die Theaterleitung des Gemeinschaftstheaters Krefeld-Mönchengladbach im vergangenen Sommer dann aber dazu entschieden, die Oper durch eine konzertante Aufführung von Georges Bizet „Die Perlenfischer“ zu ersetzen. Begründet wurde dies mit der teilweise naiven Darstellung von Militär und Krieg in Donizettis Werk, welches auch bei entsprechender Interpretation in der aktuellen Situation durchaus zu ungewollten Missverständnissen führen könnte. Dies ist durchaus nachvollziehbar, dennoch sollte man hier auch kritisch hinterfragen, welche weiteren historischen Opern unter diesem Ansatz heute für immer von den Bühnen verschwunden wären? Bei dieser Gratwanderung der Spielplangestaltung gibt viele gute Argumente für beide Sichtweisen, vor allem im Hinblick auf das leider auch heute noch unveränderte aktuelle Tagesgeschehen. Diese sollen an dieser Stelle aber nicht weiter vertieft werden. Dafür kommen die Theaterbesucher am Niederrhein nun in den Genuss der relativ selten gespielten Perlenfischer, den es sonst in dieser Form sicherlich nicht gegeben hätte.
Und das Wort Genuss kann man nach einem Besuch der Oper gar nicht groß genug schreiben. Hier trifft eine wunderbare Komposition auf ein hervorragendes Orchester, einen gut aufgelegten Opernchor und vier erstklassige Solisten. Ich gebe zu, mir persönlich fehlt bei konzertanten Aufführungen oft sehr viel, da die Inszenierung für mich persönlich einer der wichtigsten Punkte eines gelungenen Opernabends ist. In diesem Fall kann man aber jedem Opernfreund nur dringend empfehlen, zu einem der drei verbleibenden Terminen noch einen Besuch in Krefeld einzuplanen. In rund 140 Minuten (inklusive Pause) erwartet den Zuhörer höchste musikalische Unterhaltung. Sophie Witte überzeugt einmal mehr in der koloraturgewaltigen Partie der Tempelpriesterin Leila. Als altes Freundespaar harmonieren der Tenor Woongyi Lee (Nadir) und der Bariton Rafael Bruck (Zurga) ganz wunderbar, so dass ihr Duett hier zu einem Highlight des Abends wird. Abgerundet wird das Solistenquartett durch Matthias Wippich in der Rolle des Oberpriester Nourabad, der seinen wohlklingenden Bass zwar nur selten, dafür aber nachhaltig einbringen darf.
Gesungen wird im übrigen in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln. Ein weiteres Highlight des Abends ist der von Michael Preiser ganz hervorragend einstudierte Opernchor, der bei dieser Oper eine wichtige Rolle einnimmt und durch eine erstklassige Homogenität beeindruckt. Die Damen nehmen links auf der Bühne Platz während die Männer von der rechten Bühnenseite erklingen. Mittig befinden sich die Niederrheinischen Sinfoniker, die unter der Leitung von Sebastian Engel einmal mehr beweisen, dass man sie zu Recht zu den ganz großen Orchestern in NRW zählen darf.
Das Publikum spendete in der besuchten Vorstellung langanhaltenden Applaus und erhob sich nach den letzten Tönen umgehend voller Begeisterung von den Sitzen. In der Nachbetrachtung lässt sich festhalten, dass man in Krefeld auch bei besonderen Herausforderungen mal wieder ein gutes Gespür bei der Spielplangestaltung zeigte. Wenn konzertante Aufführungen nicht zur Regel werden, sondern diese als besonderes Highlight in dieser beeindruckenden Qualität das Angebot erweitern, dann ist auch der Freund guter Inszenierungen einfach nur glücklich, dass ihm an diesem Abend nichts gefehlt hat und er einen wunderbaren Theaterabend erleben durfte, der ein neues Theaterjahr kaum besser hätte einläuten können
Markus Lamers, 8. Januar 2023
„Les pêcheurs de perles“ Georges Bizet (Konzertante Aufführung)
Theater Krefeld
Premiere: 12. November 2022 / besuchte Vorstellung: 7. Januar 2023
Musikalische Leitung: Sebastian Engel
Niederrheinische Sinfoniker
Weitere Vorstellungen: 22.01.23 / 08.02.23 / 03.03.23