Simon Rattle bannt mit den Berliner Philharmonikern und dem Berliner Rundfunkchor das Publikum
Zweite Aufführung am 31.03.2013
Mit 115 Musikern und achtzig Choristen wurde bei der zweiten Aufführung der Auferstehungssinfonie bei den Osterfestspielen im wieder mit 2500 Zuhörern besetzten großen Saal des Festspielhauses klanglich keine Wünsche offen gelassen: ob es sich um das Pianissimo im Urlicht handelte, um die Tutti-Ausbrüche der Totenfeier oder des fünften Satzes, um den seidigen Choreinsatz oder die Partien der beiden Sängerinnen Kate Royal (Sopran) und Magdalena Kožená (Mezzo). Simon Rattle dirigierte das gewaltige Werk auswendig.
Der erste Satz (Totenfeier) erklang in recht getragenem Tempo. „Den Bogen (die Bögen) hatte das Orchester dabei aber im wahrsten Sinne des Wortes stets heraus. Der Riesensatz wirkte mit gut 25 Minuten zwischen den Extremen Triumph und Trauer wie aus einem Guss. Auch im Andante wird nicht geeilt, aber dennoch ein schöne Beschwingtheit erzeugt. In diesem Streicher-.dominierten Satz konnten die 64 Streicher einerseits ein sehr differenziertes Farbenspektrum erzeugen, andrerseits grundierten sie mit ausgewogener Substanz die vielfach solistischen Passagen der Bläser, sämtlich perfekt vorgetragen. Trotz der Satzbezeichnung „In ruhig fließender Bewegung“ gestaltete Rattle diesen Satz mit wogenden und gegenläufigen Bewegungen um das Liedthema "Des Antonius von Padua Fischpredigt" voller Spannung. Man kann sich vorstellen, dass Rattle seine Frau mit dem großen Orchester stimmlich im „Urlicht“ nicht überfordern würde. Es gestaltete den Orchesterpart in feinsten Pastelltönen, so dass Magdalena Kožená sich mit ihrem samtigen Mezzo voll auf innigen Vortrag und gefühlvolle Interpretation konzentrieren konnte und nie forcieren musste: reinste Klangmagie – wer bedauerte nicht, dass dieser Satz nur so kurz ist?
Im ersten Teil des fünften Satzes (Wild herausfahrend) ließ Rattle es bei etwas geschärftem Tempo ordentlich krachen, ehe er den Klangteppich des Auferstehungsthemas aufbaute. Die instrumentalen Mittel sind nun erschöpft. Wie aus dem Nichts entwickelt sich das spannende Crescendo des Finales. Achtzig Choristen (Einstudierung: Simon Halsey) tragen es mit erstaunlicher Textverständlichkeit vor. Die Sopranistin Kate Royal – bei ihren ersten Passagen neben dem Chor platziert – ließ ihren Sopran aus dem langsam anschwellenden Chor jeweils leuchtend emporsteigen, um dann zusammen mit Magdalena Kožená die weiteren Textstellen unten am Bühnenrand vorzutragen. Traumhaft schön wirken die beiden lyrischen Stimmen vor der Schlussapotheose.
Wenn auch Teile der zeitgenössischen Kritik das Werk als von hohlem Pathos und auch geschmacklos ablehnten, bleibt es gerade das erhebende Chorfinale, mit dem das Werk von Anfang das Publikum faszinierte und auch heute noch in seinen Bann zieht. Nach fünf Minuten tosendem Beifall stand das Publikum geschlossen auf. Wirkte das bedrohlich auf die Musiker? Die erhoben sich auf ein Zeichen des Konzertmeisters (der französischem und angelsächsischem Brauch folgend beifallheischend separat eingetreten war) ebenfalls, gingen aber einfach weg und entließen damit das Publikum.
Manfred Langer, 02.04.2013