Premiere am 14. Oktober 2018
Würde Mozart tindern, das ist hier die Frage?
Dating-Plattformen haben das Liebesleben des modernen Menschen grundlegend verändert. Ein interessanter Ausgangspunkt für den Regisseur Maximilian von Mayenburg, um in Mo-zarts Cosὶ fan tutte Fragen nach der allgegenwärtigen Selbstoptimierung, nach Täuschung und Echtheit zu stellen. Sind die potentiellen LiebespartnerInnen wirklich authentisch? Auf ihren Profilen inszenieren die UserInnen die scheinbar vorzüglichste Version ihrer selbst, es wird kaschiert, geflunkert, getäuscht. Aber wohin führt diese Selbstoptimierung in unseren Liebesbeziehungen?
Ein hoher Anspruch für einen Regisseur, all dies in einer Oper aus dem 18. Jahrhundert zu erzählen, klar zu machen. Von Mayenburg setzt seine ProtagonistInnen in eine After-Party-Situation, wo sie vom listigen Barkeeper Alfonso als Advocatus Diaboli zu wirren Liebesexperimenten in seiner Bar verführt werden.
Leider wird die Geschichte nicht schlüssig erzählt, gespielt. Zu vordergründig sind die Anleihen bei anderen Werken wie zum Beispiel die verklärenden/verfälschenden Brillen, bei Hoffmanns Erzähungen. Dazu kommt, dass die Anlage des Werkes zum Rampensingen verführt. Seine Personenführung ist statisch, auf die Rampe fixiert. Die Interaktion zwischen den ProtagonistInnen wirkt aufgesetzt und unglaubwürdig, ebenso die Körpersprache der KünstlerInnen auf der Bühne.
Oriane Pons als Fiordiligi überzeugt stimmlich durch ihre saubere Intonation; keine überflüs-sigen Vibrati und nicht zuletzt durch eine hervorragende Diktion. Sie hat Fiordiligi in sehr kurzer Zeit einstudiert, da die vorgesehene Sängerin krankheitshalber absagen musste. Pons war eigentlich vorgesehen als Despina. Diese musste also ebenfalls ersetzt werden. Die junge Sopranistin aus Ungarn, Orsolya Nyakas, meisterte diese Rolle hervorragend. Auch sie studierte den Part in sehr kurzer Zeit.
Als Dorabella konnte das zahlreich erschienene Premierenpublikum Eleonora Vacchi hören. Überzeugend sang auch Todd Boyce den Don Alfonso. Die beiden Liebhaber Giuglielmo und Ferrando wurden von Michael Marhold und Nazariy Sadivskyy dargestellt. Die musikalische Interpretation aller Sängerinnen und Sänger liess keine Wünsch offen. Ich bin aber überzeugt, bei besserer Personenführung könnte auch die darstellerische Leistung der Protagonistinnen und Protagonisten auf dasselbe Niveau gebracht werden.
Die Bühne wurde von Christoph Schubiger entworfen. Die Kostüme zeichnete Marysol del Castillo. Für die Lichtgestaltung war Bernhard Bieri zuständig. Der Chor Konzerttheater Bern, einstudiert von Zsolt Czetner, meisterte seinen Auftritt mit gewohnter Professionalität. Unter der Stabführung von Kevin John Edusei interpretierte das Berner Symphonieorchester Mozarts Werk mit viel Einfühlungsvermögen.
Das Premierenpublikum belohnte den Einsatz des gesamten Teams auf, vor und hinter der Bühne mit rauschendem Applaus und Bravirufen. Friedrich Nietzsche schrieb einmal: Die gute alte Zeit ist dahin, in Mozart hat sie sich ausgesungen.
© Tanja Dorendorf
Peter Heuberger 18.10.2018