Auch in Braunschweig beginnt nach halbjähriger Corona-Pause wieder der Spielbetrieb, allerdings mit den inzwischen allseits bekannten erheblichen Einschränkungen. Das Staatstheater hatte erfreulicherweise die Tradition beibehalten, die neue Saison mit einem Theaterfest zu eröffnen, bei dem alle Sparten vor und im Großen und Kleinen Haus Einblicke in das neue Programm ermöglichten. Für uns begann es mit Kostproben aus dem Musiktheater; die Dramaturginnen Sarah Grahneis und Theresa Steinacker führten kurz in die Vorhaben ein, wie sie aus der unten aufgeführten Saisonvorschau ersichtlich sind. Aus „Fidelio“ sang Ekaterina Kudryavtseva mit anrührendem Ausdruck Marzellines Arie „O wär‘ ich schon mit dir vereint“. Ihr folgte Markus Schneider mit einem Ausschnitt aus „The Last Five Years“, dem Kammer-Musical von Jason Robert Brown, das um eine gescheiterte Beziehung geht, gesehen aus den unterschiedlichen Perspektiven der beiden Protagonisten. Mit angemessenem Tenorstrahl versah Kwonsoo Jeon eine Arie des Prinzen aus Dvoraks Oper „Rusalka“, die im tschechischen Original aufgeführt wird. Das neue Ensemblemitglied Isabel Stüber Malagamba sang mit volltimbriertem Mezzo etwas aus Jake Heggies Oper „Dead Man Walking“, die die Begleitung eines zum Tode verurteilten Mörders durch Schwester Helen zum Inhalt hat. Schließlich erfreute Maximilian Krummen als Papageno, der sich „ein Mädchen oder Weibchen“ wünschte. Jeweils sicher begleiteten die neuen Korrepetitoren Eleonora Siciliano und Sangho Lee.
Mit ausgesprochen launiger Moderation stellte die Dramaturgin des Tanztheaters Ira Goldbecher die beiden genannten Pianisten sowie vier neue Mitglieder des Tanztheaters vor. Neben kurzen Gesprächen zeigten Fenia Chatzakou, Yuri Fortini, María Gabriela Luque und Nils Röhner, teilweise das Publikum zum Mitmachen animierend, ihre große Beweglichkeit und Ausdrucksstärke. Ein besonders schönes Schmankerl war der aparte, von Isabel Stüber Malagamba gesungene Song der mexikanischen Komponistin Maria Grever (1885-1951), den María Gabriela Luque mit geschmeidiger Eleganz interpretierte.
Den vielseitigen Einblick in die neue Spielzeit beschloss das Staatsorchester Braunschweig unter der Leitung von Generalmusikdirektor Srba Dinić. Entgegen der Ankündigung gab es keine Vorschau auf die neue Konzertsaison, sondern ein festliches Konzert in kleiner Besetzung vor dem Eisernen Vorhang, in dem fast ausnahmslos Barockes musiziert wurde. Nach Charpentiers „Tedeum“ zur Eröffnung erklangen virtuose Händel-Arien, mit denen sich die koloratursichere Jelena Banković, Ekaterina Kudryavtseva mit einer ausdrucksintensiven Arie aus „Alcina“ – ab Januar 2021 auf dem Spielplan – und Maximilian Krummen mit prägnantem Bariton präsentierten. Außerdem hörte man Sätze aus barocken Solokonzerten, in denen Konzertmeister Joachim Heimbrock, Soloflötist Jürgen Westenberger sowie Orchesterdirektor und Solotrompeter Martin Weller ihr beachtliches Können zeigen konnten.
Insgesamt hat dieses Theaterfest neugierig auf die neue Spielzeit gemacht. Außerdem bewährte sich hier das von der Theaterleitung entsprechend den Vorgaben ausgeklügelte Hygienekonzept, dem sich das Publikum durchgehend widerspruchslos fügte und dadurch zeigte, dass man sich die Theaterbesuche durch die leider notwendigen Einschränkungen offenbar nicht vermiesen lassen will.
Gerhard Eckels 7. September 2020