am 31. Oktober 2017
Grand Opera, am Ende spannend!
Thematisch passend zum Gedenkjahr der Reformation kam die Budapester Staatsoper im Erkeltheater mit einer Neuinszenierung der „Hugenotten“ von Giacomo Meyerbeer heraus. Man sieht dieses Stück, welches der zur Zeit von Meyerbeer und gerade mit ihm als bedeutendem Komponisten in Paris tonangebenden Stilrichtung der „Grand Opera“ zuzurechnen ist, nicht allzu oft. Richard Wagner hatte bekanntlich seine Probleme damit. Er wollte das dramatische Musiktheater. Wenn man die Inszenierung von János Szikora in Budapest erlebt, fallen einem im ersten Teil vor allem die für die Grand Oper charakteristischen großen Tableaus und eine gewisse Statik des Geschehens auf (Choreografie Csaba Sebestyén). Große Chorszenen des von Kálmán Strausz bestens einstudierten Chores der Budapester Staatsoper und Rampensingen der Solisten sind hier fast die Regel.
Ab dem 3. Akt wird das Geschehen jedoch dramatischer und bewegter – die Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Hugenotten spitzt sich ja bis auf die Bartholomäusnacht zu. Und das ist nun einschließlich der unrealisierbaren Liebesbeziehung zwischen dem Hugenotten Raoul und der Katholikin Valentine spannungsvoll zu erleben. Die Bühnenbilder von Balázs Horesnyi und die stilvollen Kostüme von Yvette Alida Kovács repräsentieren die Zeit der Handlung in der Renaissance, also zum Zeitpunkt des Höhepunkts der Hugenottenverfolgung 1574. Durch die Kostüme will Szikora zeigen, dass es nur ein Entweder-Oder gibt – entweder gehört man zu den Katholiken, weiß gehaltene Kostüme, oder zu den Hugenotten, schwarz gehaltene Kostüme. Es gibt keine Schattierungen. Der Regisseur will eine „monochrome Weltsicht“ zeigen, die dann entsteht, wenn „Ideologie die Farben aus der Welt wäscht“.
Man sieht vor allem Interieurs von Pariser Palästen und Pariser Straßenzüge sowie Blicke auf die Seine. Wenn einmal keine Pariser Häuserzeilen zu sehen sind, kommen Riesenbuchstaben im Bühnenhintergrund, die szenengerecht mit einem Wort das Geschehen kommentieren – so einmal BACHUS, dann AMOR, später JESUS oder GNADE und andere. Es gelingt dem Regieteam für jeden nachvollziehbar, die trotz der Versuche der Königin Margarete von Valois unüberbrückbaren Gegensätze zwischen Katholiken und Hugenotten zu zeigen, insbesondere im späteren Verlauf des Stücks.
Klára Kolonits ist eine eindrucksvolle und souveräne Königin mit einem leuchtenden und ausdruckstarken sowie höhensicheren Sopran. Ihr Page Urbain wird von Gabriella Alba mit wohlklingendem Sopran und agiler Darstellung gespielt. Antal Cseh verkörpert den Grafen Saint-Bris mit einem prägnanten Bass und als resolut auftretender Anführer der Katholiken. Gergely Boncsér singt den hugenottischen Edelmann Raoul de Nangis mit kräftigem und höhensicherem Tenor sowie emphatischem Spiel in seiner Beziehung zu Valentine und als Anführer der Hugenotten. Gabriella Létay Kiss singt die Valentine mit einem hellen Sopran und einem nicht immer warm klingenden Timbre, aber sicher in der Höhe. Eine stimmliche Extraklasse ist Gábor Bretz als Marcel und Diener Raouls. Wenn er auf der Bühne ist, zieht er nicht nur stimmlich sondern auch optisch die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. Er war dieses Jahr auch ein beeindruckender fliegender Holländer in Oberammergau. Zsolt Haja ist ein etwas unauffälliger Graf Nevers. Bei den vielen Nebenrollen gibt es durchaus Licht und etwas Schatten.
Maestro Oliver von Dohnanyi, der GMD der Uraloper Yekaterinburg, die soeben den Preis des besten Opernhauses in Russland 2017 gewonnen hat, stand am Pult des Orchesters der Budapester Staatsoper und zeigte große Souveränität in der Interpretation der Musik Meyerbeers. Diese Oper stellt besonders große Anforderungen in der Koordination der großen Chorszenen und der Solisten, und nicht nur hier zeigte von Dohnanyi sein Können, auch wenn er die „Hugenotten“ mit dieser Serie zum ersten Mal dirigierte. Er ging sehr feinfühlig auf die Sänger und Sängerinnen ein. Auch für die meisten von ihnen waren es Rollendebuts. „Die Hugenotten“ sind noch einige Male im November im Erkeltheater Budapest zu erleben (5., 9. und 10. November).
Fotos: Valter Berecz / Ungarische Staatsoper.
Klaus Billand, 2.11.2017