Coburg: „Der Vogelhändler“

Vorstellung 11.10.2015

Premiere 02.05.2015

Operette wie im Märchenwald verzaubert das Publikum

Gastregisseur Volker Vogel zeigt, dass die Operette – wenn sie richtig verstanden und inszeniert wird – unsterblich ist und „Der Vogelhändler“ wird zum sorgenfreien Vergnügen. Ich habe mich gefreut, wieder einmal in das kleine, wunderschöne Theater Coburg zu fahren. Das lag daran, dass ich viele Coburger Inszenierungen in der Vergangenheit in Bamberg erleben konnte, da aber die neue Bamberger Intendantin das Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theater als musikfreie Zone erklärt hat, finde ich wieder den Weg in die Vestestadt.

Mitte Dirk Mestmacher, Adam und Ensemble

Und er hat sich, das kann man gleich zu Beginn sagen, wahrlich gelohnt. Ich habe schon viele Vogelhändler-Aufführungen erlebt, aber eine solche bunte, farbenprächtige, lebendige und stimmige, wie hier in Coburg fast nie. Der Gastregisseur, der Schweizer Volker Vogel, der als früherer Tenor-Buffo genau weiß, wie Operette gespielt werden muss und dies als Regisseur bei den Operettenfestspielen in Hombrechtikon, als Oberspielleiter der musikalischen Komödie Leipzig auch immer wieder aufs Neue eindrucksvoll beweist, hat alle Register einer überzeugenden Inszenierung gezogen. Er verknüpft die Musik aufs beste mit der Szenerie, alles ist aufeinander abgestimmt und er inszeniert so wunderbar herrlich altmodisch. Und das Publikum geht begeistert mit, es will keine Neudeutung der Operette, keine Selbstverherrlichung eines übergeschnappten Regisseurs, sondern es will genießen und in der Musik schwelgen – und genau das kann es bei diesem eindrucksvollen Vogelhändler.

Mitte Julia Klein Briefchristel

Die Kostüme, bunt, teilweise herrlich schrill und überzogen und das Bühnenbild, welches ebenso bunt ist, werden eindrucksvoll von Andreas Becker auf die Theaterbretter gebracht. Die Choreinstudierung von Lorenzo Da Rio ist ebenfalls überzeugend, der Chor ist hervorragend eingestellt und immer präsent. Er füllt die Bühne des Landestheaters mit Leben aus und dies recht stimmkräftig.

Als Dirigent erlebt man heute Dominik Tremel, der das Philharmonische Orchester gefühlvoll und einfühlsam dirigiert. Ihm merkt man auch seine Zeit als Gesangskorrepetitor an, denn er unterstützt mit dem Orchester die Sänger in jeder Weise.

links Michael Lion als Baron Weps und David Zimmer als Stanislaus

Er nimmt die Orchesterfluten behutsam zurück, wenn die Solisten dadurch Probleme bekommen könnten. Eine sehr gute Leistung vom Orchester und seinem Leiter. Zum Inhalt der vergnüglichen Operette braucht man, glaube ich, nichts mehr zu sagen, denn sie dürfte hinlänglich bekannt sein. Zum großen Teil sind auch die Solisten der Aufführung hervorragende Singschauspieler. Julia Klein ist eine ausgezeichnete Briefchristel. Sie ist keine Soubrette, wie die Christel vielfach angelegt ist, sondern ein warmer leuchtender und stimmschöner durchschlagskräftiger flirrender Sopran. Es macht einfach Spaß ihr zuzuhören und zuzusehen. Ihr Adam wird von Dirk Mestmacher dargeboten. Darstellerisch voll überzeugend, einen Tiroler Burschen auf die Bühne stellend, kann er mich leider stimmlich nicht überzeugen. Zu klein, zu wenig durchschlagskräftig ist sein Tenor, von klangvoller strahlender Höhe ganz zu schweigen. Er ist mit einer Indisposition angekündigt worden, dies mag einiges entschuldigen. Ich kann mir aber bei ihm auch im Vollbesitz seiner stimmlichen Kräfte, keinen rollendeckenden Adam vorstellen. Vielleicht tue ich ihm hier auch unrecht, ich habe ihn zum ersten Mal gehört und werde bei einer nächsten Gelegenheit vielleicht mein Urteil revidieren müssen.

David Zimmer und Julia Klein – Stanislaus + Briefchristel

Anna Gütter ist eine überzeugende Kurfürstin, mit silberhellem, in den höchsten Koloraturen sich beweglich tummelnd, bietet sie eine ausgezeichnete Leistung, auch ihr Spiel kann voll überzeugen. Exzellent auch der Baron Weps von Michael Lion. Verschlagen agierend, mit einem profunden kräftigen und stimmschönen Bass ausgestattetem und mit sehr viel Spielwitz versehen, kann er zu Recht viel Beifall einheimsen. Ihm zur Seite als sein Neffe Stanislaus David Zimmer. Er hat einen hohen, klaren, durchschlagenden und stimmschönen hohen Tenor, der keinerlei Höhenangst zu besitzen scheint, und fast hätte ich ihn mir als Adam der heutigen Aufführung gewünscht. Die Schweizer Mezzosopranistin Gabriela Künzler bietet ein Paradebeispiel in der Rolle der Hofdame Baronin Adelaide. Nicht nur das Trinken einer Maß auf einen Zug, welches ihr natürlich Zwischenapplaus beschert, weiß zu überzeugen, ihr ganzes Spiel ist bis auf die letzte Nuance durchdacht und kann das applausfreudige Publikum überzeugen. Freimut Hamman bringt als Dorfschulze Scheck eine solide Leistung auf die Bretter und Joanna Stark als Comtesse Mimi, sowie Sascha Mai als Hoflakai Quendel, Eva Maria Fischer als Kellnerin Jette und Jan Korab als Bote vervollständigen das Ensemble solide ohne jeglichen Ausfall. Bleiben noch Markus G. Kulp (als Gast) als Professor Süffle und Stephan Ignaz als Professor Würmchen. Sie singen ihr „Ich bin der Prodekan“ ohne Fehl und Tadel, sie geben aber ihrem Gaul ein bisschen zu viel Zucker. Etwas weniger wäre sicher mehr gewesen. Wo man am Anfang noch herzhaft lachte, verstummt das Lachen, je länger die Szenen und Wiederholungen dauern. Aber sicher bin ich da wieder etwas beckmesserisch, denn dem Publikum hat es weit überwiegend gefallen, was man am starken und langen Beifall ablesen konnte.

Adam Dirks Mestmacher + Christel Julia Klein + Stanislaus David Zimmer

Ein Nachmittag, der zu einer der schönsten Operettenerlebnisse der letzten Zeit führte und eindrucksvoll vor Augen hielt, dass Operette, wenn man sie ernst nimmt und auch die entsprechenden Solisten dafür zur Verfügung hat, mit Sicherheit auch in Zukunft sein Publikum finden wird. Für mich war das Resümee am Ende, dass ich wieder verstärkt das Coburger Landestheater aufsuchen werde, gelohnt hat es sich diesmal weit über das normale Maß hinaus.

Manfred Drescher, 19.10.2015

Fotos Andrea Kremper