Düsseldorf: „La Sonnambula“, Vincenzo Bellini

In einem kleinen Dorf in den Schweizer Alpen steht die Hochzeit von Elvino und Amina an, zu der das gesamte Dorf eingeladen ist. Auch Lisa ist anwesend, allerdings verzweifelt und wütend, denn Elvino war einst ihr Freund. Das der Dorfmusikant Alessio in sie verliebt ist, interessiert Lisa nicht. Im Gegenteil, sie weist ihn stets brüsk zurück. Auch die Müllerin Teresa ist anwesend, hat sie doch die Waise Amina großgezogen.

© Monika Rittershaus

Mit Rodolfo kommt ein vermeintlich Unbekannter in die Stadt, der diese allerdings aus alten Erinnerungen kennt.  Später stellt sich heraus, dass es sich bei Rodolfo um den Sohn des inzwischen verstorbenen Grafen handelt, der die kleine Dorfgemeinschaft vor vielen Jahren verlassen hat. Rodolfo findet Quartier im Wirtshaus von Lisa. Ihre erotische Annäherung an den neuen Grafen wird allerdings durch die schlafwandelnde Amina jäh unterbrochen. Diese hält Rodolfo für Elvino und träumt von ihrer Hochzeitsfeier. Rodolfo lässt sie schlafen, was Amina allerdings zum Verhängnis wird. Als die Dorfgemeinschaft den neuen Grafen feiern will, liegt Amina in seinem Bett.  Die Situation scheint eindeutig und auch Rodolfos Unschuldsbeteuerungen und Erklärungen zur Schlafwandlerin helfen nicht weiter. Elvino, dem die offenbare Vertrautheit zwischen Rodolfo und seiner Braut schon zuvor aufgefallen war, bebt vor Eifersucht. Zudem ist er wütend über die vermeintliche Untreue und entschließt sich daher, doch Lisa zu heiraten. Amina ist hierdurch am Boden zerstört. Doch auch die Hochzeitsfeier mit Lisa soll nicht zustande kommen, da Teresa ein verfängliches Kleidungsstück präsentiert, welches Lisa vor dem Eintreffen von Amina in Rodolfos Schlafgemach ablegte. Plötzlich balanciert Amina erneut über den Dächern der Stadt, versunken im tiefen Schlaf und in tiefer Trauer um ihre große Liebe Elvino. Die Leute erkennen nun die wahren Hintergründe, so dass die Oper schließlich mit einem guten Ende für das ursprüngliche Liebespaar aufwarten kann.

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Soweit die Story zu Vincenzo Bellinis „La Sonnambula“ in aller Kürze, die Johannes Erath interessant auf die große Opernbühne bringt. Im Zentrum seiner Inszenierung steht die Dorfgemeinschaft mit ihren eigenen festgefahrenen Ritualen. Jeder weiß stets alles vom anderen, hin und wieder wird auch schon mal absichtlich weg geschaut, auf der anderen Seite wird aber auch stets genau beobachtet, was gerade so vor sich geht. Dies einzufangen gelingt Erath auch bildlich sehr gut. So ist im ersten Akt beispielsweise die gesamte Dorfgemeinschaft fast ständig auf der Bühne präsent. Teilweise tummeln sie sich schlafend auf den Sofas, noch Müde von den Feierlichkeiten, doch wer weiß schon so genau, wer hier was mitbekommt.

Das Inszenierungskonzept wirft hierbei bewusst Fragen auf, die im Verlauf des Abends nicht beantwortet werden. Dies ist in dem Fall so gewollt und schnell entwickelt sich ein schwer zu beschreibender eigener Reiz, der den Zuschauer auch abseits der wunderbaren Musik in die Handlung zieht. Mitverantwortlich hierfür sind vor allem die wunderbaren Videoprojektionen von Bibi Abel, die immer wieder ganz besondere Stimmungen schaffen. Passend hier auch das Zusammenspiel mit dem dämmerigen Lichtdesign von Nicol Hungsberg. Auch das Bühnenbild von Bernhard Hammer, welches die Bühne in zwei Bereiche teilt, weiß zu gefallen. Während in der unteren Hälfte die Dorfgemeinschaft Hochzeit feiert, sind in der oberen Hälfte die Dächer der Stadt zu sehen. Zudem finden hier immer wieder mal sehenswerte Darstellungen aus der Traumwelt oder den Gedanken der Protagonisten statt. Abgerundet wird das positive Gesamtbild von den vorwiegend in lila gehaltenen Kostümen von Jorge Jara. Zum Ende des ersten Aktes kommt die Dorfgemeinschaft in recht ausgefallenen Karnevalskostümen daher, offenbar eine gewollte Anspielung auf die Uraufführung dieser Oper im März 1831 im Teatro Carcano in Mailand, wo „La Sonnambula“ zum Abschluss der närrischen Zeit in den Spielplan aufgenommen wurde.

© Monika Rittershaus

Musikalisch weiß der Opernabend ebenfalls zu gefallen. Für schönsten Belcanto-Klang sorgt allen voran die Sopranistin Stacey Alleaume, die bei der Premiere mit der Rolle der Amina ein stark bejubeltes Hausdebüt an der Deutschen Oper am Rhein feiern konnte. Großen Beifall auch für Bogdan Talos in der Rolle des Rodolfo und Edgardo Rocha in der Rolle des Elvino. Passend besetzt sind Heidi Elisabeth Meier als Lisa und Katarzyna Kuncio als Teresa, die optisch stark an Claire Zachanassian aus Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ erinnert. Ob Zufall oder eine gewollte Anspielung auf einen der bekanntesten Schweizer Schriftsteller kann an dieser Stelle offenbleiben. Etwas Mühe gegen den stark agierenden Chor anzusingen hatte zu Beginn des Abends der junge Valentin Ruckebier als Alessio, was sich dann aber schnell legte. So konnte auch er im Verlauf des Abends ebenso glänzen wie der erwähnte Chor der Deutschen Oper am Rhein. Unter der musikalischen Leitung von Antonino Fogliani spielen die Düsseldorfer Symphoniker einen schwungvollen Bellini. Am Ende des Abends steht ein langanhaltender großer Beifallssturm für die Künstler und das gesamte Kreativteam.

Markus Lamers, 27. Februar 2023


La Sonnambula

Vincenzo Bellini

Rheinoper Düsseldorf

Besuchte Premiere: 26. Februar 2023

Inszenierung: Johannes Erath

Musikalische Leitung: Antonino Fogliani

Düsseldorfer Symphoniker

Weitere Vorstellungen: 04.03. / 09.03. / 12.03. / 15.03. / 18.03. / 24.03.