Aufführung in der Staatsoperette Dresden am 09. Juli 2022
Premiere am 18. Juni 2022
Ralph Benatzky beraubt Johann Strauss und zimmert daraus eine Operette
Am nächsten Abend dann eine Operette, die ein Diener zweier Herren ist. Einmal Ralph Benatzky, der gerne bei seinen Musikstücken von anderen Komponisten geräubert hat und dann Johann Strauss, von dem er räuberte. Sei es drum, Ralph Benatzky erschuf mit Casanova eine Operetten-Revue, die rasant einen Durchmarsch durch das bewegte Leben Casanovas vollzieht, mit den verschiedensten Haltepunkten wie Venedig, Wien, Saragossa, das böhmische Dux und Potsdam. Sieben Bilder führen durch das bewegte Leben Casanovas. In erster Linie war Casanova berühmt für seine Erinnerungen, seine zahlreichen erotischen Abenteuer. Auch wenn sicher nicht alles den tatsächlichen Ereignissen entspricht, sind die musikalischen Nummern, die Texte, alles was damit zusammenhängt, einigermaßen stimmig und zu einer bunten flirrenden Revue verwoben. Ja, heute hat man mehr Spaß, als man es am Vortag mit dem „Vetter“ gehabt hat. Die einzelnen sieben Bilder aufzuzeigen und zu erläutern, würde den Rahmen dieser Rezension bei weitem sprengen, deshalb belasse ich es bei der Beschreibung der musikalischen Seite.
Sabine Hartmannshenn führt Regie und dies tut sie recht überzeugend. Sie nimmt das Ganze recht ernst, Gott sei Dank nicht zu ernst, und gestaltet durchaus einen nachvollziehbaren Rahmen im Leben Casanovas. Das Bühnenbild stammt von Lukas Kretzschmar und Edith Kollath, die auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet. Die Bühne arbeitet im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten mit der beliebten Revuetreppe mit wandelbaren und drehbaren Aufbauten, alles auch mit dem Versuch, es etwas moderner, etwas gefälliger zu machen, was zum Großteil auch gelingt, wobei moderner nicht immer unbedingt besser ist. Die Kostüme sind glitzernd, schillernd, voller Farbenpracht und auffallend. Alles passt auch zusammen – dem Publikum gefällt es.
Matthias Störmer, Peter Lewys Preston
Das Orchester der Staatsoperette hat unter der kompetenten Leitung des Dirigenten Christian Garbosnik keine Mühe, großen Applaus einzuheimsen. Er treibt das Orchester an, die Walzerseligkeit blitzt oft auf, hier könnte man aber noch etwas zulegen, er versteht es aber auch, seine Musiker etwas zurückzunehmen, wenn die Sänger ein klein bisschen Unterstützung brauchen, um nicht vom Orchester überdeckt zu werden. Vor allem mit den Melodien aus der Feder von Johann Strauss, aber auch mit den Kompositionen von Ralph Benatzky hat man natürlich zwei Könner der Operette am Start, die alles sehr viel leichter machen, denn musikalisch gibt es nichts zu bekritteln. Gut in Form ist auch der Chor, der von Thomas Runge einstudiert wird und sich bei seinen Auftritten sichtlich wohl fühlt. Für die Choreografie ist Jörn-Felix Alt zuständig, das Ballett hat einiges zu tun und man merkt auch beim Ballett die Freude an der Darstellung – ein Beispiel dafür das Häschen-Ballett der Ballett-Häschen in Wien, die Auftritte als Nonnen, Soldaten oder Sittenpolizei. Alles bunt, farbenprächtig und stimmig. Eine Operetten-Revue im besten Sinne des Wortes.
Als Casanova betritt Matthias Störmer die Bühne. Der junge Bariton, aufgewachsen in Hermagor im Gailtal (Kärten) bringt viel Nachdenklichkeit auf die Bühne, vielleicht etwas zu viel. Dazu kommt, dass er die Ausstrahlung für einen frauenverschlingenden Charmeur mit grenzenloser Erfahrung bei den Damen, nicht unbedingt verkörpern kann. Dazu ist er einfach noch zu brav, zu zurückhaltend und ja, sicher auch ein bisschen zu jung. Das wird sich im Laufe der Zeit ändern, bringt aber für den derzeitigen Casanova am heutigen Abend nicht so viel. Er ist jedoch redlich bemüht und vor allem in den Szenen mit seinem alten Ego (den ich nicht unbedingt gebraucht hätte) Peter Lewys Preston, einem gebürtigen Deutschen mit slowenisch-amerikanischen Wurzeln, kann er sicherlich punkten. Das ganze Spiel zwischen den beiden ist natürlich recht dialoglastig, nicht unbedingt die beste Voraussetzung für eine rasante Operette. Gesanglich verfügt Matthias Störmer über einen wohlklingenden, gut temperierten Bariton.
Als Laura erlebt man die seit über 7 Jahren auf der Dresdener Bühne sich befindliche Berlinerin Maria Perlt-Gärtner. Mit leichten, brillanten und durchschlagskräftigen Koloraturen, kann sie sich gekonnt in Szene setzen und voll überzeugen. Es macht richtig Spaß ihr zuzuhören und zuzusehen. Ihr warmer, leuchtender, in allen Lagen einsetzbarer Sopran macht richtig Spaß und man könnte in kleiner Anspielung auf ihren Namen, sicher auch von perlendem Sopran sprechen.
Maria Perlt-Gärtner
Als Leutnant von Hohenfels hören und sehen wir Václav Vallon und er setzt seinen schlanken, zarten und zurückhaltenden Tenor stilsicher ein, ein bisschen mehr Durchschlagskraft und Leidenschaft wären ihm recht gutgestanden. Aber er hat ja noch Zeit, sich hier weiter zu verstärken. Bei entsprechendem Einsatz, wird er bald noch von sich reden machen können.
Das Publikum verzaubert dann die in Bautzen geborene Jeannette Oswald als Barbarina. Seit 20 Jahren schon ist sie bei der Staatsoperette und sie singt und tanzt einfach toll. Einen großen Teil ihrer Auftritte verbringt sie auf einer schwankenden Schaukel, die in luftiger Höhe über die Bühne gezogen wird. Sie haucht der Revue-Operette zusätzliches Leben ein und erhält prasselnden Beifall für ihre Auftritte.
Als Graf Dohna / Menuzzi ist Nikolaus Nitzsche im Einsatz. Auch heute kann er mit seinem vollmundigem, raumfüllendem Bariton punkten und ist auf jeden Fall ein positiver Farbtupfer im Ensemble. Als Helene gibt Amelie Müller eine weitere Kostprobe ihres sicheren, strahlkräftigen, geläufigen Soprans ab. Ihr weiches einschmeichelndes Timbre, sauber vorgetragene, unangestrengte Höhen verhelfen ihr zum wohlverdienten Beifall des Publikums.
Als Zofe Trude kann Anna-Lisa Gebhardt, die seit einem guten Jahr im Chor der Staatsoperette Dresden tätig ist, zeigen, dass sie auch als Solistin eine gute Figur macht. Ihr ausdrucksstarker Mezzosopran weiß zu gefallen und besondere Zeichen kann sie auch im Duett mit Andreas Sauerzapf als Costa setzen. Über ihn braucht man nicht mehr viel zu sagen. Stimmlich auf der Höhe, sein stilsicherer, leichter Buffotenor überzeugt auch am heutigen Abend und darstellerisch ist er sowieso ein herausragender Solist, der schon oft eine Stütze im Dresdner Ensemble ist.
Jeanette Oswald
Ebenfalls herausragend ein weiteres Urgestein der Staatsoperette Dresden, Ingeborg Schöpf als Kaiserin Maria Theresia. Als mit Casanova im Zwiegespräch vertieften Kaiserin, natürlich inkognito, setzt sie stimmlich und darstellerisch ein Ausrufezeichen. Eindrucksvoll und auch ein bisschen bewegend ihr Auftritt, den sie mit der ganzen Fülle ihrer Erfahrung gestaltet und dafür mit tosendem, verdientem Beifall bedacht wird.
Als spanische Tänzerin Dolores, voller Leidenschaft, Esprit und Feuer macht Dominica Herrero Gimeno eine gute Figur und füllt ihre Rolle voll aus. Ebenso wie der Dresdner Dietrich Seydlitz als Graf Waldstein und Voltaire. Laut „Dresdner Neue Nachrichten“ der ungekrönte König der komischen Nebenrollen. Nun denn, er macht seine Sache recht gut und bringt auch einige Bonmots. Insgesamt eine Aufführung, die im Ensemble praktisch keine Ausfälle zu verzeichnen hat.
Eine gelungene Vorstellung, vor allem natürlich getragen von der herrlichen Musik von Johann Strauss, aber auch Ralph Benatzky hat seinen Teil dazu beigetragen. Einige Kleinigkeiten, wie zum Beispiel die sehr langen Dialoge Casanovas mit seinem Ego, sind hinnehmbar und zerstören den Revuecharakter der Operettenaufführung nicht. Auf jeden Fall eine Steigerung zum gestrigen „Vetter aus Dingsda“. Das Publikum war sehr zufrieden, applaudierte lange und ausdauernd.
Manfred Drescher 23. Juli 2022
Bilder von Pawel Sosnowski
(vom Schlussapplaus Eigenaufnahmen)