Düsseldorf: „Adriana Lecouvreur“

Premiere: 14.05.2022

Wunderbare Stimmen


Anfang März hat die Deutsche Oper am Rhein auf Grund des Krieges in der Ukraine beschlossen die geplante Neuinszenierung von „Andrea Chénier“ vorerst auf Eis zu legen. Für die Inszenierung war mit Dmitry Bertman der Intendant der Moskauer Helikon-Oper vorgesehen. Bei der Absage betonte man ausdrücklich, dass man „die Zusammenarbeit mit einer offiziellen Kulturinstitution des russischen Staates“ vorerst pausiert und sich die Spielplanänderung nicht gegen den Künstler Dmitry Bertman richtet. Ob dieses Vorgehen nun gerechtfertigt oder voreilig war, mag sicher diskussionswürdig sein. Doch dies soll an dieser Stelle auch nicht weiter thematisiert werden, denn als kurzfristiger Ersatz wurde Francesco Cileas große Oper „Adriana Lecouvreur“ präsentiert, die in der Inszenierung von Gianluca Falaschi erst zu Saisonbeginn am Staatstheater Mainz ihre Premiere feierte. Und dieser „Ersatz“ kann sich wahrlich sehen und vor allem hören lassen.

„Norma Desmond trifft auf die große Oper“ hat Opernfreund-Kollege Jochen Rüth seinerzeit zur Premiere in Mainz geschrieben und in der Tat sind die Bezüge zum bekannten Film und Musical „Sunset Boulevard“ nicht zu übersehen, denn Falaschi inszeniert die Geschichte als eine Art Huldigung an das Theater des vergangenen Jahrhunderts, die Welt des Broadway und die Hollywood-Filme zwischen 1930 und 1950, die oftmals vom Musical inspiriert wurden. Hierbei zeigt das Bühnenbild immer wieder Ansätze von Filmsets und im Hintergrund erkennt man eine Showtreppe, neben der rechts und links das Orchester untergebracht werden könnte – ganz wie in alten Musikrevuen. In Mainz war dies auch coronabedingt der Fall, in Düsseldorf erklingen die Düsseldorfer Symphoniker dagegen unter der musikalischen Leitung von Antonino Fogliani wie gewohnt aus dem Orchestergraben. Somit muten die unbenutzten Notenständer auf der Bühne teilweise etwas merkwürdig an, stören aber auch nicht wirklich. Neben Inszenierung und Bühnenbild stammen auch die prächtigen Kostüme von Falaschi, der hier ganz in seinem Element ist und viel Prunk und Glamour auf die Bühne bringt. Eine großartige Leistung und ein Name, den man sich durchaus merken sollte, auch wenn sich beim Publikum am Ende neben lautem Jubel auch vereinzelte Buh-Rufe bemerkbar machten, die für mich persönlich in der Form unverständlich waren. Vielleicht lag es daran, dass die relativ komplexe Geschichte, das Programmheft widmet der Zusammenfassung ganze drei Seiten, nicht jedem Zuschauer allein durch die Personenführung komplett zugänglich war. Im ersten Akt wirkt vieles wie eine typische Operettenhandlung in Opernform, doch spätestens mit Ende des zweiten Aktes übernehmen die Intrigen und Eifersüchteleien und das Drama nimmt seinen Lauf. Vielleicht lag es aber auch daran, dass Darsteller die gerade nicht singen durften, hin und wieder teilnahmslos herumstanden. Am auffälligsten war dies im Schlussbild, bei dem Regisseur Maurizio in den Todeskampf seiner geliebten Adrina nicht wirklich eingreift. Dies könnte man sicherlich besser lösen, aber ob dies schon für ein Buhen statt eines leisen Applaus ausreicht, erscheint zumindest fraglich.

Sei es drum, gesanglich kann die Düsseldorfer Inszenierung auf jeden Fall glänzen, was auch das begeisterte Premierenpublikum mit langem Beifall einhellig würdigte. In der sicherlich nicht einfachen Titelpartie der Adriana Lecouvreur weiß Liana Aleksanyan zu überzeugen, die sowohl die leidenschaftlichen wie auch die ruhigen Momente gekonnt ausgestaltet und einen großen Anteil daran hat, dass man in Düsseldorf mal wieder einen gesanglich herausragende Opernabend erleben darf. Dies gilt in gleichem Maße für Alexey Zelenkov, der aus der differenzierten Partie des Regisseurs Michonnet herausholt was möglich ist. Als Maurizio gibt Sergey Polyakov den strahlenden Tenor, während sich Ramona Zaharia als Fürstin von Bouillon mit ihrem gut eingesetzten Mezzosopran wohltuend von ihrer Rivalin absetzt und hierbei gleichzeitig immer wieder die finsteren Seiten dieser Figur eindrucksvoll auf die Bühne bringt. Auch die weiteren Figuren sind stark besetzt, so dass dieser Opernabend musikalisch eine große Wirkung entfalten kann. Abgerundet wird der gelungene Opernabend durch einen starken Chor unter der Leitung von Patrick Francis Chestnut.

Markus Lamers, 16.05.2022
Bilder: © Hans Jörg Michel