Premiere: 18.07.2017
„West End Flair“ am Rhein
Bevor die Inszenierung des Musicalklassikers „Evita“ von Bill Kenwright Ltd. Ende des Monats ans Londoner West End zurückkehrt und dort für rund drei Monate im Phoenix Theatre zu sehen sein will, legt die Tour bis zum 23. Juni 2017 einen letzten Deutschland-Stopp in Düsseldorf ein. Veranstaltet von BB Promotion war das Stück bereits 2010 und 2011 mehrmals im gesamten Land unterwegs und auch an der Rheinoper erwartet den Zuschauer die gewohnt eindrucksvolle Inszenierung von Bob Tomson. Hierbei orientiert sich Tomson stark am Mainstream und erklärt die ein oder andere Szene etwas ausführlicher, was dem Gelegenheits-Musicalbesucher insbesondere bei der geschichtlichen Einordnung hilft. Dennoch zieht einen diese Inszenierung schnell in den Bann. Verstärkt wird dies durch das gelungene Bühnenbild von Matthew Wright, der sich auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet. Das Bühnenbild ist speziell für die Tour entwickelt worden und zeigt sich daher gewohnt zweckmäßig. Durch den geschickten Einsatz diverser Säulen und der großen Treppenteile werden dennoch immer wieder neue Räume geschaffen. Alles Weitere erledigt das ebenfalls gelungene Lichtdesign von Mark Howett.
Das 9köpfige Orchester, vielleicht sollte man hier doch lieber von einer Band sprechen, unter der musikalischen Leitung von Richard Morris klingt eindrucksvoll, für den verwöhnten Opernfreund allerdings nicht so voll wie die ein oder andere Aufführung dieses Klassikers mit größerem Orchester. Dennoch funktioniert die durchaus rockige Komposition von Andrew Lloyd Webber auch in dieser Besetzung. Anzumerken sei aber, dass die Musik elektronisch unterstützt durch die großen Lautsprecher in den Saal transportiert wird, was insbesondere im vorderen Teil oftmals sehr laut ist. Dies sollte man mögen, wenn man sich für diese Plätze entscheidet. Einige Instrumente werden zudem in bestimmten Szenen per Click-Einspielung zugesteuert, eine Thematik über die man sicherlich lange und ausführlich diskutieren kann. Für diese kommerzielle Tourproduktion und im Hinblick auf das fertige Endprodukt geht dies für mich in diesem Fall in Ordnung. Zumal auch die Tonabmischung sehr gelungen ist und die Darsteller trotz der erwähnten Lautstärke immer gut zu verstehen sind.
Erfreulich für die Ohren sind auf jeden Fall Emma Hatton als Evita und Gian Marco Schiaretti als Che. Hatton bringt echtes „West End Flair“ an den Rhein und bring die verschiedenen Stationen in Evitas Leben differenziert auf die Bühne. Ganz besonders stark gelingt ihr dies zum Ende hin bei der sterbenskranken Evita, ein sehr emotionale Darstellung. In aller Regel mag ich es nicht, einzelne Darsteller zu stark hervorzuheben, bei Gian Marco Schiaretti kann man allerdings durchaus fast sagen, dass er das Eintrittsgeld alleine wert ist. Eine optisch stimmige Umsetzung des Che paart sich hier mit einer gesanglich überzeugenden Darbietung, egal ob rockig wie bei „Oh What a Circus“ oder eher gefühlvoll bei „High Flying Adored“. Auch der ausgebildete Opernsänger Kevin Steven-Jones, der im Jahr 2010 u. a. mit José Carreras in der Londoner Royal Albert Hall zu hören war, weiss als Perón zu gefallen. Hier macht es ihm aber auch die Inszenierung einfach, die die Rolle des Perón gut in Szene setzt. Abgerundet wird das Quintett der Hauptdarsteller durch Oscar Balmaseda als Magaldi und Sarah O´Connor (besonders wichtig an dieser Stelle das O´) als Mistress. O´Connor hat als Perons Geliebte zwar nur einen sehr kurzen Soloauftritt, dieser bleibt mit dem heimlichen Hit der Show „Another Suitcase in Another Hall“ allerdings in bleibender Erinnerung. Selten erlebt man ein Musical in englischer Originalsprache so gut wie bei dieser Produktion.
Hierzu trägt auch das gute Ensemble bei, die einerseits die Choreographie von Bill Deamer gut umsetzen und zudem gesanglich alle stark bei Stimme sind. So wird der Zuschauer mit „A New Argentina“ auch ohne großen Opernchor eindrucksvoll in die Pause entlassen. Insgesamt hinterlässt diese Produktion einen sehr guten Eindruck und unterhält den Zuschauer für rund 2 ½ Stunden bestens, was auch das Düsseldorfer Premierenpublikum im fast ausverkauften Opernhaus mit langem und lauten Applaus zu würdigen wusste.
Markus Lamers, 19.07.2017
Fotos © Pamela Raith