Premiere: 16. März 2013, Besuchte Vorstellung: 24. März 2013
Ruggero Leoncavallo kennt man heute nur noch als Komponisten von „Der Bajazzo“. Dass der Italiener noch mehr drauf hat, kann man jetzt am Theater Erfurt erleben: Dort wurde „I Medici“ nach über 100 Jahren der szenischen Vergessenheit entrissen. Roman Hovenbitzer hat eine Inszenierung erarbeitet, die zeigt, dass sich die Wiederentdeckung dieser Oper lohnt.
„I Medici“ wurde 1893 in Mailand uraufgeführt und entstand fast zeitgleich zum „Bajazzo“. Erzählt wird die Dreiecks-Liebesgeschichte zwischen Giuliano de´ Medici, der kränklichen Simonetta Cattanei und Fioretta de´ Gori, die Mutter des Papstes Clemens VII. war. Dazu packt Leoncavallo als sein eigener Librettist noch die Verschwörung der Pazzi, der Giuliano de´ Medici zum Opfer fiel, in die Oper. Bildungsbürgerlich angereichert wird das Libretto durch Original-Gedichte Lorenzo de´ Medicis und des Hofpoeten Poliziano.
Man merkt der von Emmanual Joel-Hornak am Pult des Philharmonischen Orchesters Erfurt dirigierten Musik in jedem Takt die Begeisterung für die Figuren, ihre Dramatik und die Historie Italiens an. Die Liebesduette glühen vor Leidenschaft, die Verschwörer-Ensemble sind finster und bedrohlich. Zudem gelingen Leoncavallo schwungvolle Tanzrhythmen beim Volksfest des 2. Aktes. Die vertonte Renaissance-Poesie bringt die Geschichte zwar nicht voran, ist aber mit wunderschönen und fein ziselierten Melodien versehen.
Regisseur Roman Hovenbitzer und seinem Ausstatter Roy Spahn gelingt ein dezenter aber schlüssiger Transfer in die Gegenwart. Die Medici-Brüder sind zwei Diktatoren, die das Volk mit Volksfesten und Kunst über ihre politischen Absichten hinwegtäuschen. Tatsächlich scheinen sich die Medici-Brüder oft mehr für die Kultur als für die Politik zu interessieren, denn Roy Spahn lässt die Bühne immer wieder von Botticelli-Gemälden dominieren und setzt diese dramaturgisch klug ein.
Im ersten Akt tritt Simonetta aus dem Bild der Frauenfigur aus „Der Frühling“, sodass sich Giuliano zu erst in ein Kunstobjekt zu verlieben scheint. Beim Volksfest gibt es eine Showgirl-Gruppe, die der „Geburt der Venus“ entspringt, und im dritten Akt symbolisiert „Venus und Mars“ die Gleichzeitigkeit von Liebesgeschichte und Intrige. Zum Finale treten Simonetta und Fioretta als leibhaftige Madonnen auf und Giuliano inszeniert sich mit Fußwaschung und Kreuz als Jesus. Auf den ersten Blick eine gewagte Deutung, doch macht sie klar, wie Kunst hier instrumentalisiert wird.
Die Simonetta wird von Ilia Papandreou mit schönen Lyrismen gesungen, Stephanie Müther verleiht der Fioretta leidenschaftliche wie dramatische Dimensionen. Tenor Richard Carlucci als Giuliano de´ Medici ist aufgrund einer Mandelentzündung als indisponiert angekündigt. Er schlägt sich aber wacker und deutet an, über welche Strahlkraft er im gesunden Zustand verfügen würde. Als sein Bruder Giuliano klingt Juri Bartukov stimmlich etwas bedeckt, gleichzeitig strahlt er aber große sängerische Energie aus. Aus der Reihe der Verschwörer ragt Sebastian Pilgrim mit voluminöser Stimme als Francesco Pazzi heraus. Tenor Nils Stäfe lässt als Dichter Poliziano mit seiner leichten und lyrischen Stimme aufhorchen.
„I Medici“ sind eine lohnende Ausgrabung mit effektvoller und stilsicherer Opernmusik. Die von Roman Hovenbitzer inszenierte Aufführung ist dazu auch optisch sehenswert.
Rudolf Hermes
Produktionsbilder: Theater Erfurt