Premiere: 26. Januar 2019, besuchte Vorstellung: 14. Februar 2019
Dass eine Sängerin nach 25 Jahren noch einmal in der Rolle zu erleben ist, in der sie damals ihr Hausdebüt gegeben hat, erlebt man in der Opernwelt auch nicht alle Tage. Im Musiktheater im Revier singt Anke Sieloff jetzt erneut die Rolle der Jenny Hill, die sie bereits 1994 verkörpert hat. Sieloff trifft den Weill-Stil perfekt und ist auch optisch eine glaubhafte Verkörperung dieser Rolle.
Damals hatte der junge Uwe Eric Laufenberg die Regie übernommen und das Stück in einer Architektur spielen lassen, die von den Treppenhäusern des Gelsenkirchener Musiktheaters inspiriert war. Nun verortet Jan Peter die Geschichte mit Hilfe der Videos von Susanne Schiebler in der deutschen Nachkriegszeit: Die drei Verbrecher auf der Flucht sind Altnazis, die das neue Deutschland und das Wirtschaftswunder aufbauen. Die Männer, die es nach Mahagonny zieht, sind Bergarbeiter oder Kriegsheimkehrer.
Der drohende Hurrikan ist die Atombombe, das Ende Mahagonnys wird durch die Studentenunruhen eingeleitet. Diese zeitliche Verortung gelingt überzeugend und regt zum Nachdenken über die deutsche Geschichte an. Problematisch ist aber, dass die Bühne von Kathrin-Susann Brose nur aus einer Hausfassade besteht und man das Gefühl hat, es würde nicht um Deutschland oder eine bestimmte Stadt gehen, sondern nur um dieses eine Haus.
Während Anke Sieloff als Jenny Hill ganz ihrem Element ist, zeigt diese Produktion wie heikel es ist „Mahagonny“ gut zu besetzen: Tenor Martin Homrich verfügt als Paul Ackermann über eine robuste Stimme. Das Heldische, das aber auch gefordert ist, fehlt ihm. Das weitere Mahagonny-Männerensemble ist mit Tobias Glagau, Petro Ostapenko und Joachim Gabriel Maaß gut besetzt.
Als Lekodja Begbick ist Almuth Herbst kostümiert wie Emmy Göring. Stimmlich wechselt sie zu oft zwischen Musical und Opern. Urban Malmberg sieht aus wie eine Mischung aus Josef Mengele und Heinrich Himmler und gefällt mit seinem aasigen Bariton. Die Tenorpartie des Fatty ist hier mit der Sopranistin Petra Schmidt besetzt, die optisch als Glamourversion einer Magda Goebbels daherkommt. Die Stimme klingt aber zu schwach und ihr Gesang ist von vielen Registerbrüchen durchsetzt.
Am Pult der Neuen Philharmonie Westfalen gibt Thomas Rimes der Weill-Partitur den notwendigen Biss und die treffende Schärfe. Selbst in den bekannten Hits wie „Moon of Alabama“ sorgt er für die richtige Sachlichkeit der Musik.
Diese Inszenierung ist ein interessanter Versuch einer Neudeutung des Stückes, bei der aber das Bühnenbild und einige Sänger schwächeln.
Rudolf Hermes 19.2.2019
Fotos:© Karl und Monika Forster