Premiere: 13.10.2018
Karneval im Herbst
Denkt man an Emmerich Kálmán fällt einem sicherlich zuerst „Die Csárdásfürstin“ und „Gräfin Mariza“ ein. Doch das Gemeinschaftstheater Krefeld-Mönchengladbach hat wie in den vergangenen Spielzeiten das Augenmerk einmal mehr auf die etwas seltener gespielten Werke gelegt und so fand bereits im letzten Jahr die Premiere von Kálmáns Operette „Die Faschingsfee“ in Mönchengladbach statt, an diesem Wochenende folgte die Übernahmepremiere am Theater Krefeld. Die reiche Witwe Alexandra soll sich mit dem gut situierten Rittmeister Ottokar von Grevelingen verloben, einem alten Bekannten aus Jugendtagen. Auf dem Weg zur Verlobung erleidet das Auto allerdings einen Defekt, so dass sie samt Chauffeur Hubert von Mützelburg in der Künstlerkneipe „Der grüne Pinsel“ landet, in der großes Faschingstreiben herrscht. Auch Huberts Angebetete Lori Aschenbrenner feiert hier den Karneval, zeigt sich aber verärgert darüber, dass „ihr Hubsi“ scheinbar mehr Augen für Alexandra als für sie hat. Dabei versucht der gute Mann doch nur seinen Pflichten nachzukommen, was ihn von einem Fettnäpfchen ins andere führt. Auch der Maler Victor Ronai feiert hier mit seinen Künstlerfreunden, da er für einen Kulturpreis über 5000 Mark nominiert wurde, der von Staatssekretär Dr. Lothar Mereditt nur noch übergeben werden muss. Es kommt, wie es in der Operette kommen muss, Victor rettet Alexandra vor den Übergriffen eines fiesen Grapschers, der sich als Dr. Mereditt entpuppt und der dem Künstler natürlich gleich zu verstehen gibt, dass er sich den Preis nun abschminken kann.
Als Ausgleich hat Victor dafür seine „Faschingsfee“ gefunden. Doch auch hier greift eine der bekanntesten Zutaten der Operette, das Geheimnis um die wahre Identität. So entschwindet Alexandra fast wieder so schnell wie sie gekommen ist, zumindest vorerst. Zudem lässt sie Victor zum Dank durch den Hubert, nicht nur Chauffeur sondern auch Freund des Malers, anonym 5000 Mark zukommen, so dass er dem Glauben erliegt, das Preisgeld doch noch bekommen zu haben. Zur Eröffnung von Victors neuem Atelier taucht Alexandra dann am Faschingsdienstag doch wieder persönlich auf um ihren Retter wiederzusehen. Auch Dr. Mereditt erscheint irritiert von Victors Dankesschreiben für das Preisgeld zur Eröffnung. Am nächsten Morgen schweben Alexandra und Victor nach zusammen verbrachter Nacht zunächst im siebten Himmel, doch da die Dame zu ihrer wahren Identität noch immer schweigt, kommt es zum Streit der beiden Liebenden. In dem Moment platzt der Rittmeister herein, der sein Auto vor der Türe hat stehen sehen, erneut bleibt Victor am Ende allein zurück. Zum Abendessen am Aschermittwoch soll die Verlobung offiziell bekannt gegeben werden. Zuvor kommt es im Hotel Regina aber noch zur Aussprache zwischen Lori und Hubert, so dass zumindest hier das glückliche Ende sicher ist. Sich scheinbar der Vernunftehe hinzubeben lässt Alexandra das Abendessen über sich ergehen und der Vorhang beginnt sich zu schließen. Doch in letzter Sekunde springt sie auf, der Vorhang stoppt und dem Happy End steht nichts mehr im Wege, da der Rittmeister großmütig auf die Ehe verzichtet indem er einsieht, dass nicht ihm, sondern dem Maler Victor Alexandras Liebe gilt.
Regisseur Carsten Süss verlegt die Handlung in seiner Inszenierung aus dem Jahr 1918 in die Zeiten nach dem zweiten Weltkrieg und steuert zudem eine entsprechend angepasste Dialogfassung bei. Hierbei wird als vielleicht drastischste Änderung der Staatssekretär Dr. Mereditt zu einem Altnazi, der „den guten alten Zeiten“ hinterhertrauert. Immer wieder gibt er auch gerne von der AfD verwendeten Floskeln von sich, so dass einem schon sehr mulmig werden kann, wie leichtfertig und schnell hier gesellschaftliche Veränderungen ohne großen Protest erfolgen können, die an längst vergangene Tage erinnern. Dazu bedarf es nicht einmal den nach der Premiere in Mönchengladbach vor einem Jahr wohl nachträglich eingebauten Vergleich mit Chemnitz. Ob es nun unbedingt vier jungen Damen vom Bund deutscher Mädel bedarf, die im dritten Akt den Auftritt von Dr. Mereditt im Hotel Regina begleiten ist vielleicht Geschmackssache, ansonsten funktioniert diese Anpassung aber durchaus gut. Um es mit einem Zitat des Regisseurs aus dem Programmheft zu sagen: „Operette ist wie Schokolade, richtig gut wird sie erst, wenn man den Zucker auf ein Minimum reduziert“. Ganz weglassen, darf man den Zucker freilich auch nicht, denn dann wird die Schokolade ungenießbar. So soll allen Operettenfreunden gesagt sein, dass alle weiteren Figuren mehr oder weniger nur leicht „modernisiert“ wurden und Die Faschingsfee natürlich auch in Krefeld, das auszeichnet, was dieses Genre nach wie vor so beliebt macht.
Allen voran ist dies natürlich die Musik, die von den Niederrheinischen Sinfonikern unter der musikalischen Leitung des 1. Kapellmeister Diego Martin-Etxebarria schwungvoll leicht aufspielen. Das Highlight des Abends bilden aber ganz zweifellos Markus Heinrich als Hubert von Müzelburg und Gabriela Kuhn als Lori Aschenbrenner. Wie immer, wenn Schauspiel, längere Sprechtexte, Komik und perfekter Gesang gefragt sind, kann man sich auf diese beiden Darsteller verlassen und ein Besuch der Faschingsfee lohnt sich allein auf Grund dieser Besetzung. Ganz hervorragend, so dass ihre große Versöhnungsnummer im dritten Akt auch unter großem Applaus des Publikums zwei tänzerische Zugaben liefert. Die schönen Choreografien stammen übrigens von dem australischen Tänzer und Choreografen David Williams . Zu begeistern wissen auch die beiden Gasttenöre Mark Adler als Victor Ronai und Juan Carlos Petruzziello als Dr. Lothar Mereditt mit wunderbaren Stimmen. Die titelgebende Faschingsfee wird bei der Krefelder Premiere vom langjährigen Ensemble-Mitglied Janet Bartolova dargestellt, eine für sie sehr gut passende Rolle, was das Publikum ihr am Ende mit entsprechendem Applaus dankt. Auch Hayk Dèinyan als Samuel Lubitscheck und Generalintendant
Michael Grosse als Ottogar von Grevelingen (eine Rolle komplett ohne Gesangspart) runden das eingesetzte Ensemble passend ab. Großes Lob auch an den spielfreudigen Chor, der diesbezüglich schon lange in der obersten Liga mitspielt. Auch hier bietet sich für den Zuschauer immer wieder abseits des Hauptgeschehens einiges zu entdecken.
Das der Abend mit etwas über drei Stunden auf den ersten Blick relativ lang wirkt, ergibt sich auch durch zwei Pausen, da jedem der drei Akte ein eigenes großes Bühnenbild gewidmet ist. Ist es im ersten Akt die vom Bühnenbildner Siegfried E. Mayer liebevoll gestaltete Künstlerkneipe, die in einem Kellergeschoss untergebracht ist und über der auf der hochgefahrenen Hinterbühne das Straßengeschehen samt liegen gebliebenem Auto dargestellt wird, wird im dritten Akt die Hotellobby mit angrenzendem Speisesaal raumfüllend und detailreich dargestellt. Sehr schön hierbei auch einige Anspielungen auf das bekannte „Dinner for One“ samt Fellteppich. Auch das Künstleratelier mit großen Dachfenstern und Außenbalkon im zweiten Akt ist opulent ausgefallen, einziger Kritikpunkt hier, dass es doch etwas sehr modern für die gewählte Zeit daherkommt. Aber darüber lässt sich an einem ansonsten rundum gelungenen Abend auch leicht hinwegsehen.
Markus Lamers, 14.10.2018
Bilder: © Matthias Stutte