Premiere in Krefeld am 14. Januar 2017
Teilweise misslungene US-Adaptation
Die Premiere von Guiseppe Verdis „Ein Maskenball“ in Krefeld, der Opern-Schwester von Mönchengladbach, stand offensichtlich unter keinem guten Stern. Zum einen handelt es sich genau genommen nur um eine Wiederaufnahme in anderer „location“, der ganze Tross aus Kulissen, Orchester, Sänger und Chor inklusive Dirigent hatte mal gerade 25 km Ortswechsel hinter sich. Aber das ist schon in Ordnung so, jede Bühne liebt ihr eigenes Premieren-Publikum, mit dem sie feiern möchte. Von daher gesehen ist eine erneute Besprechung der Aufführung in Krefeld eigentlich entbehrlich, es sei denn, der Rezensent ist in Teilen ganz andere Meinung oder es hat einen Wechsel bei den Sängern gegeben.
Letzteres ist kurz vor der Premiere passiert; Michael Siemon, den Sänger des Ricardo, und auch seinen „Ersatzmann“, hatte eine üble Erkältung dahingerafft. Der im letzten Moment gefundene Waliser Timothy Richards, mittlerweile zum Haustenor der Komischen Oper Berlin arriviert und Gastsänger an so bedeutenden Bühnen wie der Semperoper oder der Oper in Köln, konnte glücklicherweise einspringen und die Aufführung retten. Er ist ein alter Bekannter des Hauses und war 2005/6 im italienischen und französischen Fach fest engagiert.
Die weitgehend positiven Besprechungen der Premiere in Mönchengladbach in der Presse (so auch von Jochen Rüth im Opernfreund) konnten, was zumindest den ersten Teil der Aufführung angeht, nicht recht nachvollzogen werden. Das mag am späten Einstieg des Ricardo und einer gewissen Nervosität des Teams gelegen haben. Richards ist kein italienisch timbrierter Tenor, vielleicht ein wenig unbeweglich; aber seine Stimme sprach im Piano gut an, ist sehr präsent und wird differenziert eingesetzt. Gerade in den hohen Lagen prunkte Richards mit strahlenden Spitzentönen; man hörte ihm durchaus gerne zu. Johannes Schwärsky als sein Gegenspieler Renato verfügt über einen vollen und wohl klingenden Bass- Bariton, den er aber nur sehr eindimensional und vor allem in seiner großen Arie im dritten Akt eintönig laut einsetzt. Hayk Dèinyan und
Andrew Nohlen
mimten und sangen die Verschwörer ganz prima.
Izabela Matula, welche in dieser Aufführung die Amelia, die von Ricardo begehrte Gemahlin Renatos, verkörpert, verfügt über einen auch in den Spitzentönen sehr sicher geführten Sopran, aber auch sie singt zumindest in den ersten beiden Akten durchgängig zu gleichmäßig und zu laut. Man vermisst die lyrisch zarten Passagen. Das wurde aber in der zweiten Hälfte des Abends deutlich besser. Izabela Matula gelangen nun sehr anrührende Szenen voller Emotion und Verinnerlichung. Vielleicht hat der Dirigent Mikkel Kütson ja in der Pause noch die notwendige „Feinjustierung“ vorgenommen. Eva Maria Günschmann als Wahrsagerin Ulrica bringt ihren prächtigen, dunkel timbrierten Alt in einen sehr fragwürdigen Akt ein, für dessen Regie (Andreas Baesler) und auch für die alberne Verkleidung durch Caroline Dohmen sie nicht verantwortlich ist. Sehr erfreulich Sophie Witte als Oscar; ein properes Persönchen mit glockenhellem Sopran und gewinnendem Auftreten. Vielleicht kann man ihr albernes Tänzchen etwas reduzieren, Die kleineren Partien wurde von Shinyoung Yeo und Xianghu Alexander Liu (Mitglied des Opernstudios) sehr ordentlich und rollengerecht gesungen und gespielt.
Leider konnte auch das Orchester nur teilweise überzeugen. Manche Wackeleien, oft zu lautes und schrilles Blech, Unsauberkeiten, schlechte Synchronisation mit der Bühne und ein unglückliches Violinsolo im letzten Akt führten immer wieder zu Stirnrunzeln. Symptomatisch dafür ist vielleicht der viel zu späte Knall nach dem Schuss auf Ricardo. Aber über das kann man alles hinwegsehen bzw. -hören, wenn denn auf der Bühne alles stimmen würde. Und da hakt es am meisten.
Die Verlegung der Handlung in das Oval Office des Weißen Hauses mag im ersten Akt ja stimmig sein (Bühne von Hermann Feuchter), aber auch nur dort. Die Zauberin Ulrika ihr Voodoo im selben Raum auf einem runden Tisch abspulen zu lassen und die versuchte Verführung von Amelia durch Ricardo, beide auf Knien und halb ausgezogen, vor einem elektrischen Stuhl und hinter einem schlichten Sichtschutz aus einer Kassenpraxis anstatt vor einem Galgen zu präsentieren, das tut schon weh (und vielleicht Ricardo auch an den Knien). Und warum mussten alle Protagonisten ständig auf sämtliche verfügbaren Tische hüpfen ?
Fast eine Lachnummer bot der recht ordentlich singende Chor (Maria Banyumova). Als Staatsbeamte im einheitlichen Trainingsanzug joggte er nach ausgiebigem Strechting im Gänsemarsch wieder raus oder präsentierte sich als Verschwörertruppe, alle mit gleicher Sonnenbrille, Schlapphut und Trenchcoat a la Kojak. Das kratzte alles schon arg an eine Persiflage, vor allem im Schlusstableau, wo der Chor mit Mickymaus-Masken und weißen Handschuhen im Hintergrund ein lustiges Tänzchen zum Besten gab, während es davor hochdramatisch um Liebe, Leben und Tod ging. Verdi halt.
Ein Opernglück hat sich beim Rezensenten leider nicht eingestellt; auch das nicht ausverkaufte Haus reagierte nur zweimal mit Zwischenapplaus, aber mit reichlich Schlussbeifall.
Michael Cramer 16.1.2017
Fotos © Theater KR/MG / Stutte
Redaktions-P.S.
Etiam altera pars audiatur 😉