Aufführung am 5. Februar 2020
Featuring Diana Damrau
Richard Strauss
Vier letzte Lieder
Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 5 cis-moll
Richard Strauss lebte in der Schweiz als er im Jahr 1948 seine finalen Lieder schrieb, die später unter dem Titel „Vier letzte Lieder“ Weltgeltung erfahren sollten. In den aussagestarken Texten aus der Feder von Joseph von Eichendorff (Nr. 4) und Hermann Hesse (Nr. 1 – 3) entfaltet Richard Strauss seine große Könnerschaft im Umgang mit der von ihm so geliebten Sopranstimme, eingebettet in den vielfältigsten Orchesterfarben. Eine Ode an den Abschied und Tod. Wie besonders ist die große Wirkung des Trostes, die diesen Liedern so eigen ist. Die Musik eröffnet die Transzendenz. Die Ahnung des Todes und auch die Hoffnung auf Erlösung sind in diesen Klängen vereint.
Mit der Solistin Diana Damrau und den Münchner Philharmonikern unter der Leitung von Valery Gergiev erklang nun also diese Komposition in der Frankfurter Alten Oper.
Diana Damrau hat diesen Zyklus in jüngster Zeit oft gesungen, zuletzt mit unlängst verstorbenen und schmerzlich vermissten Mariss Jansons. Es war eine ungewöhnliche Klangerfahrung, denn Diana Damraus lyrischer Sopran wirkte in seiner Natürlichkeit und der Tongebung zurückhaltend. Die große Tongeste einer Jessye Norman oder auch Francoise Pollet steht ihr naturgemäß nicht zur Verfügung. Dies war aber kein Hindernis dafür, dass die viel zu kurze erste Konzerthälfte besonders anrührend geriet.
In seelenvollem Klang spürte Diana Damrau jeder Nuance dieser herrlichen Lieder nach. Dabei wirkte ihr Gesang niemals plakativ, sondern immer natürlich und dadurch intim, persönlich. Wunderbar war ihre gefühlte und sehr differenzierte Textdurchdringung. Damrau erlebte jeden Takt so, als würde er gerade im Moment entstehen. Vorbildlich war ihre vokale Kolorierung und die Klarheit ihrer Intonation. Jeder Ton war ein edler und zugleich müheloser Ausdruck eines tief empfindenden Menschen, der sich singend artikulieren muss. Die Stimme floss mühelos durch alle Lagen, so dass sich der besondere Zauber dieser herrlichen Komposition ideal entfalten konnte.
Die Münchner Philharmoniker verschmolzen in gold schimmerndem Klang mit dieser wunderbaren Sängerin geradezu, besonders im Lied „Beim Schlafengehen“. Im Verein mit dem kantablen Solo des Konzertmeisters Lorenz Nasturica-Herschovici führte Diana Damrau ihre Zuhörer in ein weites Universum der klanglichen Harmonie. Bestechend die warme Farbgebung, die Nasturica-Herschovici auf seiner Stradivari beschwor! Was für ein beseelender Moment!
Und dann, das ist eine der markanten Stärken der charmanten Sängerin, ein völliges Umschalten beim letzten Lied „Im Abendroth“. Herbstlich und reich an Zwischentönen sinnierte die Künstlerin über die Endlichkeit des menschlichen Daseins. Wunderbar spiegelte sich in ihrem Gesicht und in ihrem Gesang die Zwiesprache der besungenen Lerchen, die diesem Lied dann doch etwas die Schwere nahmen.
Der erste Teil des Abends zeigte dennoch überdeutlich, dass es der Abend von Valery Gergiev sein würde! Lange war der große Dirigent nicht mehr derart fokussiert und versammelt zu erleben. Mit hoher Konzentration und spürbarer Ehrfurcht holte er jede Nuance aus dieser Komposition heraus. Gergiev stellte bewusst die Sängerin in den klanglichen Mittelpunkt und erzählte mit seinem fabelhaften Orchester die Handlungsverläufe. Und so war es nur natürlich, dass er den Schluss langsam, ersterbend verebben ließ. Ein von so vielen besonderen Momenten an diesem Konzertabend.
Berechtigte Begeisterung für ein singuläres Musikerlebnis! Leider keine Zugaben.
Nach der Pause erfolgte die 5. Sinfonie von Gustav Mahler. Ein großer Kontrast! Richard Strauss war bei der Uraufführung im Oktober 1904 in Köln unter den Zuhörern. Mahler beklagte sich zu Lebzeiten, dass seine Musik so unverstanden blieb, gerade bei diesem Werk. In keiner anderen Sinfonie gab es so viele Überarbeitungen durch den Komponisten, vor allem in der Instrumentation.
1971 schrieb der berühmte Filmregisseur Luchino Visconti mit seiner Thomas Mann Verfilmung „Tod in Venedig“ Filmgeschichte. Hierzu verwendete er vor allem den vierten Satz, das Adagietto, aus Mahlers 5. Sinfonie als Filmmusik. Dadurch wurde Mahlers Musik einem Millionen Publikum bekannt. Und so zählt die 5. Sinfonie zu den meistgespielten Sinfonien von Gustav Mahler.
Valery Gergiev hat in seinem so arbeitsintensivem Leben dem Werk Gustav Mahlers einen besonderen Platz gegeben. Ob in St. Petersburg oder in seiner Amtszeit als Chef des London Symphony Orchestras, immer wieder führte er das symphonische Werk Mahlers auf. Und so war es keine Überraschung den charismatischen Dirigenten derart klar mit der Partitur im Verbund zu erleben.
Gergiev wirkte an diesem Abend wie ausgewechselt! Wirkte er bei früheren Gastspielen zuweilen übermüdet oder fahrig in seinen Dirigierbewegungen, so war er an diesem Abend hoch präsent und tief konzentriert. Auch dirigierte er, ganz gegen seine Gewohnheit, mit einem normalen Taktstock und dazu mit sehr klarer Zeichengebung.
Er betonte in seiner Interpretation die Groteske und das z.T. Fratzenhafte in der Musik. Harmonische Reibungen wurden geschärft und Akzente überdeutlich pointiert. Diese Aspekte prägten vor allem die ersten beiden Sätze, die mit wildester Emphase der Verzweiflung und berstender Expressivität erklangen.
Im Zentrum der Aufführung stand der dritte Satz, das Scherzo und zugleich umfangreichste Musikstück der Komposition. Mahler agierte hier seine Freude an Tänzen mit Ländler und Walzer aus. Die musikalische Atmosphäre wirkt fast ungetrübt. Doch am Ende führt Mahler diesen Satz in einem großen Fortissimo an die Grenzen der Tonalität, bevor die fulminante Schlussapotheose diesen Satz hinreißend beendet.
Das folgende Adagietto musizierte Gergiev dynamisch zurück genommen und nicht schleppend. Fein arbeitete er die chromatischen Linien heraus und sorgte für einen tief berührenden Ruhepunkt. Dabei gab er der Harfe besonders viel Raum für deren klangliche Entfaltung.
In dem beschließenden Rondo Finale ließ Gergiev derart tumultartig aufspielen, dass die Münchner Philharmoniker all ihre reichen Kräfte mobilisieren mussten. Immer wieder hob es dabei den Konzertmeister von seinem Sitz, der auf diese Art so nachdrücklich seine Orchesterkollegen befeuerte.
Am Ende dann abermals eine üppig musizierte Apotheose, die bereits zuvor im zweiten Satz erklang, bevor eine zugespitzte Stretta diese Komposition fulminant beschloss.
Der obligatorische Aufschrei des Publikums nach dem dem letzten Tutti-Schlag ließ dann auch nicht lange auf sich warten!
Die Münchner Philharmoniker wirkten mit der Musik Gustav Mahlers bestens vertraut und boten an diesem Abend klangliche Weltklasse. Sehr kultivierte Streicherklänge, dazu die grotesken Farben der Holzbläser und edel tönende Hörner und Blechbläser. Großartig in der Differenzierung die Schlagzeuger der Philharmoniker. Überragende Beiträge in der Solotrompete, mit größter Souveränität und unendlicher Ausdauer vorgetragen von Guido Segers
und vor allem durch das Horn-Solo von Matias Piñeira im dritten Satz. Mit bestechender Intonationssicherheit und voluminösem Goldton vermochte der Solist hier einen besonderen Höhepunkt zu markieren.
Alles in allem eine extrem farbenreiche, hoch expressive und auch bewegende Interpretation durch Valery Gergiev und seine Münchner Philharmoniker.
Große, ausdauernde Begeisterung im Publikum für ein unvergessliches Konzerterlebnis.
Dirk Schauß, 6. Februar 2020