Francesco Tristano (Klavier)
Georges Bizet
Suite Nr. 1 aus der Oper Carmen
George Gershwin
Rhapsody in Blue
Maurice Ravel
Suite Nr. 2 aus dem Ballett Daphnis et Chloé, Pavane pour une infante défunte & Boléro
Ein attraktives Programm mit sehr bekannten Repertoire-Stücken vorwiegend französischer Komponisten präsentierte das Orchestre Philharmonique de Strasbourg bei seinem jüngsten Gastspiel in der Alten Oper Frankfurt. Chefdirigent Marko Letonja begann mit der 1. Carmen-Suite aus der berühmten Oper von Georges Bizet. Ein praller spanischer Farbenbogen, der sogleich die hohe Spielkunst des gastierenden Orchesters demonstrierte. Bereits hier zeigte sich die außerordentliche Qualität bei den Solisten des Orchesters, wie z.B. Flöte und Harfe. Die Dynamik war hervorragend ausbalanciert und die Transparenz des Orchesterspiels bestechend.
Ein großer Kontrast dann mit dem bekanntesten Werk von George Gershwin, seiner unwiderstehlichen „Rhapsody in Blue“. Das zwischen Jazz und Sinfonik angesiedelte Werk bleibt eines der großen Welterfolge Gershwins, der es selbst im Jahr 1924 uraufführte.
Als Solist gastierte der vielseitig begabte Francesco Tristano am Klavier. Als Komponist, Produzent und Pianist verfügt er über eine beeindruckende Schaffensbilanz, die ihn bereits schon in viele Konzertsäle führte.
Seine Interpretation von Gershwins Klassiker stellte das Jazzige schön in den Vordergrund. Ob Elemente des Blues oder des Ragtimes, Tristano konnte alle Finessen des Werkes überragend ausmusizieren. Flink in den Fingern, z.T. rasante Tempi, dann auch wieder ein maximales Innehalten und dazu ein freier agogischer Umgang. Herrlich lässig fühlte er sich in die faszinierenden Rhythmen ein. Hinzu kam seine verblüffende Virtuosität, die im Verein mit dem wach mitziehenden Orchester, das Werk in neuer Frische erleben ließ. Das Orchester verwöhnte einerseits mit großartigem Breitwandsound und konnte auch hier wieder mit superben Soli überzeugen. So erzeugte das berühmte Glissando der Klarinette am Beginn die notwendige Aufmerksamkeit. Letonja gab seinem Orchester viel Raum zur Entfaltung und ließ vor allem die Bläser swingen, das es eine reine Freude war. Der Orchesterklang wirkte sehr transparent, aber auch kompakt und knackig. Klar in den Marschrythmen und überaus hingebungsvoll in den kantablen Streicherpassagen.
Großer Jubel bei den Zuhörern, die mit einer besonderen Zugabe bedacht wurden. Francesco Tristano bedankte sich mit einer hinreißend dargebotenen sehr jazzigen Version von Gershwins Evergreen “s’Wonderful”, zur Überraschung aller, sekundiert von Mitgliedern des Orchesters am Saxophon und am Kontrabass. Das Publikum konnte sich wie einem Jazz-Club fühlen und tobte am Ende vor Begeisterung für dieses kostbare Juwel in außerordentlicher Darbietung.
Der zweite Teil war ganz Maurice Ravel gewidmet. Am Beginn stand seine 2. Suite aus seinem 1912 uraufgeführten Ballett „Daphnis et Chloé“. Hier zeigt sich der große französische Komponist auf der Höhe seiner Instrumentationskunst. Selten kann in der Spätromantik so viel Farbreichtum und Schillern in den einzelnen Orchesterstimmen bewundert werden. Der berühmte Sonnenaufgang hat in seiner überwältigenden Klangwirkung Musikgeschichte geschrieben. Das Orchestre Philharmonique de Strasbourg ist mit dieser Musik hörbar äußerst eng verwachsen. Beglückende Solibeiträge, etwa in den Holzbläsern und höchste Transparenz auch in den Tutti-Entladungen sorgten für große Erlebnismomente. Marco Letonja dirigierte äußerlich zurückhaltend mit großer Souveränität und drang mit seiner tief empfundenen Interpretation sehr weit zum Kern des Werkes vor.
1899 schrieb Ravel eines seiner bekannten Frühwerke für Klavier, eine Pavane für eine tote Prinzessin. Was zunächst wie ein Trauerstück anmutet, war von Ravel ganz anders beabsichtigt. In seiner Vorstellung ging es darum, wie eine kleine Prinzessin am spanischen Hof einen solchen Tanz getanzt haben mag. Erst 1910 gelangte die Orchesterfassung zur Aufführung. Ungemein weich intonierten die Hörner diese zarte impressionistische Komposition. Herrlich auch hier die Transparenz in den Streicherklängen. Saubere Soli, etwa die hingebungsvolle Oboe, gaben der Ausführung eine besondere Note. Marko Letonja ließ die Musik in Ruhe verinnerlicht atmen. Die Zeit stand still. Welche Kostbarkeit in exquisiter musizierter Darbietung!
Last but not least stand am Ende mit dem unverwüstlichen „Bolero“ das bekannteste Werk von Maurice Ravel auf dem Programm. Das 1928 entstandene Stück ist bis heute eines der meist gespielten Konzertstücke geblieben. Ravel zog in der Selbstbetrachtung freilich eine bittere Bilanz:“Ich habe nur ein Meisterwerk geschrieben, den Bolero und dieser enthält keine Musik!“ Der gefühlt endlos verlaufende ostinate Grundrhythmus der Trommel bietet jedem Orchester reichlich Gelegenheit, alle Orchestergruppen in den Mittelpunkt der Zuhörer zu stellen. Eine große Herausforderung in der Konzentration gilt es für den Trommler zu bewältigen. An die 170 Mal muss er die wiederkehrende Rhythmusfigur spielen.
Sehr zurückhaltend, aber äußerst exakt realisierte der Schlagzeuger seine Aufgabe bestens. Das Orchestre Philharmonique de Strasbourg nutzte nachdrücklich die Gunst, sich bestens zu präsentieren. Mit nicht nachlassender Konzentration zeigte es einmal mehr seine Klangschönheit. Dirigent Marko Letonja gab seinem Orchester hier besonders freies Spiel, so dass manche Phrasierung eine ganz eigene Farbe bekam. Überlegen sein Timing für die dynamische Entwicklung des Werkes. Die große Steigerung erzeugte beim Publikum einen verzückten Aufschrei der Begeisterung und stehende Ovationen!
Bilder (c) Alte Oper / Awiszus
Dirk Schauß, 21.11.2019