Vorstellung am 29.07.2022
15 Minuten Musik
Tja, was soll man über eine Aufführung schon groß schreiben, die keine Viertelstunde gedauert hat? Außer dass man seinem Ärger über die abgefeimte Praxis der Verantwortlichen der Fondazione Arena di Verona Luft verschaffen möchte. Selbstverständlich akzeptiert man die Verkaufsbedingungen mit dem Erwerb eines Tickets, selbstverständlich stehen die Festspiele in Verona nicht unter einem besonderen Schutz des Wettergottes, man weiss, dass diese Region ziemlich oft von heftigen Sommergewittern heimgesucht werden kann. Aber: Sämtliche Meteo Apps prophezeihten andauernde Niederschläge, doch die Verantwortlichen nutzten das sich zufällig punkt 21 Uhr öffnende, niederschlagsfreie Fenster, um mit der Ouvertüre zu beginnen – und damit dem Publikum das Recht auf finanzielle Entschädigung zu rauben. Bereits 14 Minuten später – der Eröffnungschor hatte eben eingesetzt – musste die Vorstellung wegen des wieder einsetzenden Regens unterbrochen werden.
Was nun folgte, war ein kommunikatives Trauerspiel, ja ein Desaster. Das Publikum wurde alle 30 Minuten (klang wie ein vorproduziertes Band) um Geduld gebeten, man sei in Kontakt mit den Meteorologen und werde dann informieren. Da alle im Publikum ein Smartphone dabei hatten, wussten wir zahlenden Zuschauer, dass das heute Abend nichts mehr werden würde. Trotzdem ließ sich die Leitung der Arena genau 150 Minuten Zeit, um die Aufführung definitiv abzusagen. Anscheinend hatte es jedoch so viele Proteste gegeben, dass die Arena anstelle des nach Reglement beanspruchbaren Rabatts von 50% auf eine Vorstellung in der laufenden oder der kommenden Spielzeit nun Tickets zum Symbolpreis von € 2.50 erworben werden können. Das ist zwar für all die angereisten Zuschauer aus entfernteren Weltgegenden immer noch nicht attraktiv, aber für die näher wohnhaften akzeptabel. Die Geste ändert jedoch nichts am empathielosen Gehabe der Verantwortlichen des Abends. Aufgrund der klaren meteorologischen Verhältnisse (es gibt ziemlich zuverlässige Regenradar Apps, liebe Arena!) hätte man gar nicht zu beginnen brauchen oder zumindest das Publikum nicht noch weitere zweieinhalb Stunden in der Arena aushalten lassen sollen. Die Arena hat sich mit diesem Verhalten sehr viel Sympathie verspielt.
Zur Inszenierung: Viel kann ich logischerweise nicht sagen, nur dass Arnaud Bernard sie zur Zeit des Risorgimento ansiedelt. Im Mittelpunkt steht das Teatro alla Scala, in welchem die Uraufführung von Verdis NABUCCO stattgefunden hatte. Verdi hatte ja nicht geringen Anteil am Erwachen und dem Festigen des Widerstands gegen die Habsburger in Italien. Somit kann man das so zu inszenieren versuchen. Allerdings hat Verdi in dieser Art Opern nie die eigentlichen Kampfhandlungen auf die Bühne gebracht, sondern die daraus entstehenden privaten Konflikte. Da wirken die Kavalleristen auf ihren (echten) Pferden und die Kanoniere, die sich während der Ouvertüre rund um das Theatergebäude tummeln doch eher etwas schultheaterhaft unbeholfen. Aber wie gesagt, beurteilen möchte ich das nicht. Kann gut sein, dass das Konzept aufgeht. Solisten hörte man keinen, da die Oper nach wenigen Takten des Chors abgebrochen wurde. Daniel Oren leitete das Orchestra Fondazione Arena di Verona. Die eigentlich Schmidsite, federnde Potpourri Ouvertüre des jungen Verdi klang ziemlich matt und uninspiriert, die wussten bestimmt alle schon, dass sie gleich nach Hause gehen können – was sie sicherlich auch taten. Nur das Publikum harrte auf den pitschnassen Steinstufen und den Metallsitzen dank der Hinhaltetaktik brav bis beinahe um Mitternacht aus…
Kaspar Sannemann, 4.8.22
Ennevi © Arena di Verona