Wiederaufnahme: 15.07.2022 – besuchte Vorstellung: 18.07.2022
Auf den Tag genau vor einem Jahr besuchte der Opernfreund schon einmal das neue Musical über Johann Wolfgang von Goethe bei den Bad Hersfelder Festspielen, welches auf dem erfolgreichen Kinofilm von Philip Stölzl basiert. Martin Lingnau (Musik), Frank Ramond (Songtexte) und Gil Mehmert (Buch und Regie) haben hier ein wahrlich sehenswertes Musical erschaffen. Auch bei der Wiederaufnahme hat das Werk nichts von seinem Reiz verloren. Eine gut konstruierte Geschichte trifft auf wunderbare Musik, hervorragende Sänger und ein erstklassiges Tanzensemble. Letzteres wurde am vergangenen Sonntag mit dem Großen Hersfeldpreis 2022 geehrt. Auf der Homepage der Festspiele heißt es hierzu: „Die Tänzerinnen und Tänzer stellen mit ihrer jungen Bewegungssprache und ansteckender Energie buchstäblich den Erfolg der Produktion „auf die Beine“. Kraftvoll, leidenschaftlich, aber zugleich mit großer Präzision, karikieren sie Juristen ebenso wie Jäger, Fabelwesen oder Studenten. Atemberaubend schnelle Kostümwechsel und akrobatische Körperbeherrschung ermöglichen es ihnen, in großen Ensemblebildern und mit individuellen Akzenten das prägende dramatische Element zu werden.“ Dem ist eigentlich auch nichts weiter hinzuzufügen, ein würdiger Preisträger 2022, bei dem in diesem Jahr der Ensemblegedanken in den Mittelpunkt gestellt wird. Großen Anteil an diesem Erfolg hat auch Kim Duddy, die mit ihrer Choreografie den Grundstein für die Auszeichnung ebnete.
Zum Inhalt und zur Entstehungsgeschichte dieses Musicals sei auf den Bericht zur Uraufführung im vergangenen Jahr weiter unten auf dieser Seite verwiesen. Große Veränderungen wurden hierbei nicht vorgenommen, allerdings wird in diesem Jahr wieder mit einer Pause gespielt. In Zeiten in denen sich einige Leute immer sehr schnell über alles und jeden empören, ist es zudem sehr erfrischend, wie man im Lied „Jagd auf das Reh“ zwischen der besagten Jagd nach dem Tier und dem Werben des Gerichtsrats Kestner um seine ausgewählte Braut gewisse Parallelen zieht. Hierdurch wird der Charakter Kestners treffend auf den Punkt gebracht, fadenscheinige Debatten über die Rolle der Frau sind daher hier nicht nur überflüssig sondern deuten eher darauf hin, dass man das Stück nicht verstanden hat. Sei es drum, das Hauptargument für eine erneute Reise nach Bad Hersfeld war das vielfach gelobte Lichtdesign von Michael Grundner, welches bei der Nachmittagsvorstellung 2021 leider nicht zur Geltung kommen konnte. Daher an dieser Stelle die unbedingte (!) Empfehlung sich eine Abendvorstellung in der Stiftsruine anzuschauen, ansonsten verpuffen einige Schattenspiele auf dem Vorhang der Bühne oder auf der Rückseite der Ruine, die alleine eine Besuchsempfehlung wert sind.
Wie bereits beim Tryout in Essen vor einigen Jahren und bei der Uraufführung im vergangenen Sommer gibt Philipp Büttner erneut einen jungen Goethe voller Spielfreunde und mit starker Stimme. Ihm zur Seite steht in diesem Jahr Iréna Flury, die die die Rolle der Lotte sehr facettenreich anlegt und ebenfalls mit starker Stimme überzeugen kann. Auch die weiteren Rollen sind in Bad Hersfeld wie üblich bis in die kleinste Rolle stark besetzt. Jonas Hein weiß als Wilhelm Jerusalem ebenso zu gefallen wie Karen Müller als seine Geliebte Rotschopf oder Mischa Mang, der erneut in fünf verschiedene Rollen schlüpft. Ein Glücksgriff ist auch die erneute Verpflichtung von Christof Messner als Gerichtsrat Kestner, der diese Rolle wie im Vorjahr wunderbar füllt. Ebenfalls wieder mit dabei sind auch Rob Pelzer und Detlef Leistenschneider die neben einigen kleineren Rollen zudem die Väter von Johann Goethe und Lotte Buff. Das Orchester der Bad Hersfelder Festspiele spielt unter der musikalischen Leitung von Christoph Wohlleben gewohnt versiert und klang stark auf und überzeugt vor allem durch die vielen Streicher, die dem Werk gut zu Gesicht stehen. Leider ist die Tonabmischung gerade zu Beginn des Abends oftmals nicht ganz rund, was vielleicht auch an den örtlichen Gegebenheiten liegen mag. Gerade wenn zu Beginn doch recht viele Stimmen gemeinsam erklingen, ist die Textverständlichkeit nicht immer wie erhofft. Dennoch lohnt sich der Besuch in Bad Hersfeld, nicht zuletzt auch wegen der stets gelungenen Atmosphäre vor Ort. Das Musical „Goethe!“ ist in diesem Jahr noch bis zum 27. August zu sehen.
Markus Lamers, 21.07.2022
Fotos: © Bad Hersfelder Festspiele / S. Sennewald