CD: „Bruckner Nr. 4“, Bernhard Haitink

Die vorliegende Veröffentlichung der vierten Sinfonie von Anton Bruckner, gespielt vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Bernard Haitink, ist zweifellos ein hörenswerter Beitrag zur Bruckner-Diskografie. In den letzten Jahren seines reichen Schaffens zeigte der große holländische Dirigent einmal mehr seine außerordentliche Kompetenz für das Schaffen Anton Bruckners. Haitink, der als einer der renommiertesten Bruckner-Dirigenten seiner Generation galt, beweist erneut seine außergewöhnliche Kompetenz und ein tiefes Verständnis für das symphonische Repertoire der deutsch-österreichischen Spätromantik.

Die langjährige künstlerische Zusammenarbeit zwischen Bernard Haitink und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks wird in diesem Mitschnitt eindrucksvoll dokumentiert. Haitink hatte eine besondere Beziehung zu diesem Orchester, und diese Aufnahme spiegelt die gegenseitige Vertrautheit und Harmonie wider. Das Orchesterspiel ist fabelhaft und zeugt von der hohen Qualität und Professionalität dieses Ensembles. Die Musikerinnen und Musiker demonstrieren eine beeindruckende technische Fertigkeit und ein tiefes Einfühlungsvermögen in die Musik Bruckners.

Bruckners vierte Sinfonie, auch bekannt als die „Romantische“, befindet sich an der Grenze zwischen Hoch- und Spätromantik und beschwört eine ideale Welt in hellen, ungebrochenen Farben. Die positive Grundstimmung des Werkes ist erstaunlich, insbesondere wenn man die verwickelte Geschichte ihrer Entstehung betrachtet. Bruckner überarbeitete das Werk mehrfach und nahm tiefgreifende Änderungen vor, bis es schließlich in der Fassung von 1878/1880 seine Uraufführung erlebte und zu einem triumphalen Erfolg wurde. Haitinks Interpretation dieser Sinfonie erfasst meisterhaft die romantische Atmosphäre und die tiefe menschliche Sehnsucht, die Bruckners Musik durchdringt.

In dieser Aufnahme ist deutlich zu spüren, wie Haitink die orchestralen Farben und die strukturelle Komplexität von Bruckners Werk mit großer Sensibilität und kluger Gestaltung herausarbeitet. Die Balance zwischen den verschiedenen Instrumentengruppen ist vorbildlich, und Haitink verleiht der Musik eine eindringliche emotionale Tiefe, ohne dabei in sentimentales Pathos zu verfallen. Die präzise Artikulation und die sorgfältig ausgearbeiteten dynamischen Abstufungen lassen die Komplexität der Partitur voll zur Geltung kommen.

Besonders hervorzuheben ist Haitinks Interpretation des berühmten Jagd-Scherzos, das in dieser Aufführung mitreißend und energiegeladen dargeboten wird. Auch der Schlusssatz, der oft als einer der Höhepunkte des sinfonischen Schaffens Bruckners betrachtet wird, wird von Haitink mit großer Ernsthaftigkeit und feierlicher Würde interpretiert.

Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks erweist sich einmal mehr als Klangkörper der Spitzenklasse. Spielerische Souveränität, persönlichkeitsstarke Soli und vor allem ein warmer, sonorer Orchesterklang geben diesem Mitschnitt eine noble und edle Größe. Die Gruppe der Hörner ist hier besonders intensiv gefordert und sie realisieren die vielen schwierigen Anforderungen mit Bravour und strahlendem Glanz.

Die Aufnahmequalität ist ausgezeichnet und vermittelt dem Hörer das Gefühl, hautnah bei diesem besonderen Konzert dabei zu sein. Die Details des Orchesterklangs kommen klar und transparent zur Geltung, wodurch die klangliche Brillanz des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks voll zur Geltung kommt.

Bruckners Musik ist zeitlos und wird in dieser Darbietung eindrucksvoll eingefangen, und diese Veröffentlichung dient als würdige Hommage an die langjährige und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Haitink und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.

Dirk Schauß, 1. September 2023


Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 4 Es-Dur

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Bernard Haitink, Leitung

BR-Klassik 900213