Düsseldorf/Duisburg: Tops und Flops – „Bilanz der Saison 2024/25“

Auch in diesem Jahr haben wir unsere Kritiker wieder gebeten, eine persönliche Bilanz zur zurückliegenden Saison zu ziehen. Wieder gilt: Ein „Opernhaus des Jahres“ können wir nicht küren. Unsere Kritiker kommen zwar viel herum. Aber den Anspruch, einen repräsentativen Überblick über die Musiktheater im deutschsprachigen Raum zu haben, wird keine Einzelperson erheben können. Die meisten unserer Kritiker haben regionale Schwerpunkte, innerhalb derer sie sich oft sämtliche Produktionen eines Opernhauses ansehen. Daher sind sie in der Lage, eine seriöse, aber natürlich höchst subjektive Saisonbilanz für eine Region oder ein bestimmtes Haus zu ziehen.

Nach der Theatergemeinschaft Krefeld und Mönchengladbach blicken wir heute auf die Deutsche Oper am Rhein in Düsseldorf und Duisburg.


Beste Produktion:
Alexander von Zemlinskys Der Kreidekreis entfaltet musikalisch nicht die große Sogwirkung wie seine anderen Opern, wird aber von Regisseur David Bösch und Bühnenbildner Patrick Bannwart in einer starken Optik und mit überzeugenden Sängerdarstellern auf die Bühne gebracht.

Größtes Ärgernis:
Donizettis Viva la Mamma ist eigentlich ein absoluter Heiterkeitsgarant. Dass die von einem Bassisten gesungen Mama mit Silikonbrüsten zum Transvestiten wird, passt noch zum Stück. Regisseur Daniel Kramer fällt zu dieser Komödie aber nur alberner und billiger Klamauk ein. Da hilft auch die Gummipenisparade des Chors nicht.

Entdeckung des Jahres:
Alexander von Zemlinskys Der Kreidekreis

Seltsame Spielplanpolitik:
Rusalka, Hoffmans Erzählungen und Lady Macbeth von Mzensk hatten gerade erst Premiere, verschwinden aber direkt wieder im Fundus und werden nächste Saison nicht gespielt.

Skurrilste Wiederaufnahme:
Regisseur Michael Thalheimer hatte schon bei der Premiere von Giuseppe Verdis Otello im Jahr 2016 im Programmheft festgestellt: „Theater arbeitet schon seit Jahrtausenden mit Verfremdungen und Überhöhungen“, und „In der Kunst muss alles erlaubt sein.“ Gleichzeitig hatte er darauf geachtet, dass sich niemand beleidigt fühlen könnte: Der Otello-Darsteller hatte sich als Zeichen der Ausgrenzung nur Teile des Gesichtes schwarz geschminkt. Der gesamte Chor trug schwarze Masken.

Jetzt wurde die Inszenierung „rassismuskritisch“ überarbeitet: Wenn in den Übertiteln das Wort „Mohr“ auftaucht, wird es durchgestrichen. Otello schminkt sich nun weiß, und der Chor trägt weiße Masken. Das Bühnenbild und die Kostüme sind aber immer noch schwarz.  – Bei der nächsten WA wird das bestimmt auch noch geändert.

Neue Kinderopern:
Besonders wird die Intendanz von Christoph Meyer durch die Vielzahl von neuen Kinderopern in Erinnerung bleiben. In dieser Saison gibt es einen neuen Pinocchio, in dem die Titelpartie vom gesamten Kinderchor gesungen wird. In Die Reise zu Planet 9 von Pierangelo Valtinoni werden auch Themen wie Krieg und Klimawandel angesprochen.

Beste Gesangsleistung:
Anke Krabbe, die seit 23 Jahren zum Haus gehört und als Soubrette und im lyrischen Fach angefangen hat, traut sich an Verdis Desdemona und begeistert auf ganzer Linie.

Anna Harvey überzeugt als leidende Dido in Dido and Aeneas und singt eine jugendlich-frische Fricka im Rheingold.

Sarah Ferede beeindruckt mit gut gerundetem Mezzo, und kräftiger Dramatik als Giulietta in Hoffmanns Erzählungen, fremde Fürstin in Rusalka und als intrigante Yü-Pei im Kreidekreis.

Jussi Myllys gefällt stets mit seinem jugendlich-frischem Tenor (Ismaele in Nabucco, Sinowi in Lady Macbeth und Froh in Rheingold). In Minden hat er schon den Parsifal gesungen. Wann wird er an seinem Stammhaus eine große Wagner-Rolle singen dürfen?

Dirigenten:
Aufgrund des großen Repertoires arbeiten an der Rheinoper viele hervorragende Dirigenten. Axel Kober, der sich 2024 vom Haus als GMD verabschiedet hat und jetzt eine internationale Karriere macht, schaut noch manchmal als Gast vorbei. Vitali Alekseenok, der das Haus bis 2027 als Chefdirigent leitet übernimmt ein breites Repertoire, dass ihm als Visitenkarte hilft in zwei Jahren an ein anderes Haus zu gehen.

Ungleiche Städte:
Seit 2014 hat die Stadt Duisburg ihre Subventionen für die Rheinoper stark gekürzt, was auch zu einer Reduzierung der Aufführungen führte. Axel Kober, der von 2009 bis 2024 GMD der Rheinoper war, mahnt in der Lokalpresse an, dass man mit weniger Vorstellungen nicht das Publikum gewinnt und die Duisburger Philharmoniker auch mehr großes Repertoire spielen müssten. – Die Duisburger Politiker hören aber nicht auf Kober: Weil die Stadt nicht mehr Geld in die Rheinoper investieren will, wird es in Zukunft in Duisburg weiterhin nur 78 Vorstellungen geben, in Düsseldorf jedoch 180. Dadurch werden viele Inszenierungen gar nicht in Duisburg gespielt.

Erste Überraschung:
Intendant Christoph Meyer gibt im Dezember 2024 seinen Rückzug aus gesundheitlichen Gründen bekannt.

Zweite Überraschung:
Im Juni wird die weitgehend unbekannte Ina Karr, die seit 2021 das winzige Luzerner Theater (481 Plätze) leitet, von dem Duisburger und Düsseldorfer Oberbürgermeister als Top-Nachfolgerin auf dem Intendanten-Posten ab 2027 vorgestellt. Lydia Steier, die eine heiße Kandidatin für die Rheinopern-Intendanz gewesen wäre, übernimmt stattdessen von 2027 bis 2029 die Ruhrtriennale.

Gesamteindruck:
Trotz einer 16-jährigen Intendanz hat sich bei Christoph Meyer kaum eine Kontinuität bei den Regisseuren entwickelt. Immo Karaman und Dietrich Hilsdorf haben nur in einer begrenzten Phase am Haus eine Rolle gespielt. In den letzten Spielzeiten haben Michael Thalheimer, Elisabeth Stöppler und Ilaria Lanzino häufiger am Haus gearbeitet, nächste Saison dann aber wieder nicht.  

Das Haus präsentiert in der vergangenen Saison weitgehend solide Opernarbeiten, aber nur selten echte Sternstunden, für die es sich lohnen würde, nach Duisburg oder Düsseldorf zu reisen.     

Spannende Zukunft:
Welchen Dirigenten wird die designierte Intendantin Ina Karr als Generalmusikdirektor mitbringen?

Wird der dringend notwendige Neubau eines Opernhauses in Düsseldorf noch durch einen Bürgerentscheid oder das Verwaltungsgericht gestoppt?

Wird es einen Siegerentwurf geben, der Opernmacher, Politiker und Zuschauer gleichermaßen gefällt?

Müssen im neuen Opernhaus wirklich auch noch Musikschule und Musikbibliothek untergebracht werden?

Wird das Duisburger Theater saniert oder neu gebaut?


Die Bilanz zog Rudolf Hermes.