Düsseldorf: „Lady Macbeth von Mzensk“, Dmitri Schostakowitsch

Die Deutsche Oper am Rhein hat in gewisser Weise eine historische Verbindung zu Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“, wurde das Werk doch 1956 hier zugleich erstmals in Deutschland gezeigt und letztmalig in der vom Komponisten autorisierten Urfassung gegeben. Man spielte das Werk auf deutsch und unter dem etwas weniger sperrigen Namen „Lady Macbeth auf dem Lande“ und es verfehlte seine Wirkung nicht – die Kritiken sprachen von „musikalischer Pornografie“. Schostakowitsch selbst arbeitete seinerzeit an einer zahmeren Variante des Werkes, die es heute aber – zurecht – nicht auf die Spielpläne schafft. Nun bringt man in Düsseldorf das Werk in russisch und (natürlich) wieder in der originalen Fassung auf die Bühne und der Abend wird zum Triumph für Izabela Matula in der Titelpartie.

© Sandra Then

Für die Inszenierung zeichnet Elisabeth Stöppler verantwortlich, die auf russische Folklore und ländliches Lokalkolorit weitestgehend verzichtet. Einzig in den Kostümen lassen sich mit Muff und Fellmütze kleine Anspielungen finden. Der Regie geht es viel mehr um die Innensicht der Katerina Ismailowa und so baut Bühnenbildnerin Annika Haller ein verschachteltes Gebäude, das wie ein endloses Labyrinth keinen Ausweg für Katerina kennt. Sie ist mit den sie umgebenden Männern gefangen, ist immer verfügbar und durch raffinierte schwarze Fadenvorhänge, die auf den ersten Blick wie tote, schwarze Fenster aussehen und die Freundlosigkeit des Ortes unterstreichen, können Figuren einfach „durch die Wand“ erscheinen – kurz: Die Männer haben immer Zugriff auf Katerina, die in ihrem freudlosen Leben einfach funktionieren muss. Die viel rotierende Drehbühne zeigt immer wieder in sehr gut gebauten Übergängen, wie Katerina scheinbar einen Ausweg aus ihrer Situation sucht und wie sie doch in der Trostlosigkeit verkommt. Die Ausstattung generiert dabei sehr nüchtern herrschaftliches Wohnen und doch ist alles kalt und steril. Die Kostüme von Su Sigmund unterstreichen diesen Eindruck noch. Katerina, die als einzige etwas Farbiges tragen darf wird zum bunten Farbfleck einer monochromen Gesellschaft, zu der sie nicht gehören kann, da sie ihr untergeordnet ist. So entstehen immer wieder sehr reizvolle Bilder, die mit Licht und Schatten arbeiten, die eine unglaubliche Kälte zeigen, in der Katerina die einzige fühlende Person zu sein scheint. Sie ist umgeben von Brutalität, von Rohheit und Rücksichtslosigkeit. 

© Sandra Then

Das ist erstmal alles richtig und gut gedacht und die Regie findet auch immer wieder sehr starke, bedrückende Bilder, führt die Personen weitestgehend stark und schlüssig. Ein „Aber“ muss es aber dennoch geben, denn so drastisch und deutlich psychische Gewalt und körperliche Züchtigung gezeigt werden, so erweckt die Inszenierung an den Stellen, wo Sexualität eine große Rolle spielt, den Eindruck verklemmt zu sein. Geradezu peinlich wird die berühmte Kopulationsszene zwischen Sergej und Katerina, bei der beide zunächst einen langen Weg unbeholfen über die Bühne zurücklegen müssen, um sich dann irgendwie so in der Dusche zu verstecken, dass man nur noch ihre Köpfe sieht. Dann lieber gar nichts zeigen – die Musik ist ja hier eindeutig genug. Auch einer der neuralgischen Szenen des ersten Aktes misslingt gründlich, wenn die Gruppenvergewaltigung der Köchin ohne jegliche Energie zu einem symbolischen Standbild verbaut wird. So beraubt sich die Inszenierung einer Facette, die den Abend wirklich zu einer runden Angelegenheit hätte werden lassen können, aber so bleibt es verkopft und das braucht das Stück eigentlich nicht. Auch das Ende der Oper wird so seiner Tiefe beraubt: Der enge Seelenraum Katarina ist aufgebrochen, farblos steht sie neben der Gesellschaft – aber was am Ende nun wirklich mit ihr passiert? Das bleibt offen. Das ist schade, denn dieser Abend hat in weiten Strecken wirklich viele, starke Momente zu bieten.

© Sandra Then

Auf der musikalischen Seite verdient der Abend uneingeschränktes Lob. Wie bereits erwähnt ist Izabela Matula eine phantastische Besetzung für die Rolle der Katerina. Sie bringt in jeglicher Hinsicht alles mit, was diese Partie braucht: beeindruckende Tiefe, Strahlkraft, exzellente Fähigkeiten in lyrischen Passagen zur Ruhe zu kommen und im nächsten Moment wieder zu keifen. Das alles passiert bei Matula mit einer wunderbar klingenden Stimme, die in allen Lagen ihren Reiz hat. Dazu weiß die Sängerin szenisch zu punkten und reizt die Dramatik ihre Figur in allen Facetten aus. Ihr zur Seite ist Sergey Polyakov ein ebenbürtiger Sergej, der mit großer Strahlkraft die tenoralen Höhen meistert und sich mit nicht minder viel Verve ins Spiel bringt. Andreas Bauer Kanabas als Boris gibt einen Widerling par exellence, dessen diabolische Tiefe in der Stimme das Furchteinflößende der Figur wunderbar unterstreicht. Etwas farblos bleibt Jussi Myllys als Sinowi. Die weiteren Partien sind durch die Bank weg hervorragend besetzt. Maria Polanska als Sonjetka trumpft gegen Ende des Abends noch mit einer satten, verführerischen Stimme auf. Herrlich schräg und grotesk zeichnet die Regie die Figuren des Popen (Beniamin Pop), des Schäbigen (Sergej Khomov) und des Polizeichefs (Thorsten Grümbel), die allesamt diese Aufgabe dankbar annehmen und so neben allem Realismus als absurde Karikaturen der Katerina umgebenden Gesellschaft eine alptraumhafte Facette verleihen. Der Chor der Deutschen Oper am Rhein ist bestens von Gerhard Michalski einstudiert, klingt satt und homogen und weiß auch szenisch zu überzeugen.

© Sandra Then

Die Düsseldorfer Symphoniker unter Vitali Alekseenok musizieren einen wilden, unbändigen Schostakowitsch. Durch mal im Saal mal auf der Bühne eingesetzten zusätzlichen Bläser wird es zeitweise ohrenbetäubend laut, aber so erzeugt die Musik auch einen unfassbaren Sog, dem man sich als Zuhörer nicht entziehen kann.  Alekseenok nimmt sich den so unterschiedlichen und kontrastierenden Farben der Partitur mit viel Genauigkeit an: Zarte Melancholie findet genauso ihren Platz, wie die von folkloristischem Kolorit inspirierten tänzerischen Momente. Die Musiker kitzeln die Schroffheiten aus der Partitur heraus und lassen sie sich teils monströs auftürmen, um der Ruhe und Stille danach genau den richtigen Raum zu geben – das ist beeindruckend und so klingt eigentlich alles über den ganzen Abend tadellos.

Am Ende des Abends gibt es viel Jubel für die Sängerinnen und Sänger und das Orchester. Das Regieteam wird mit freundlichem Beifall bedacht, an dessen Rand sich einzelne Buh- und Bravorufer Scharmützel liefern. Auch wenn die Regie nicht umfassend überzeugt, so ist der Abend aber dennoch sehenswert und ist gerade, weil man dieses Stück eben nicht so oft zu sehen bekommt, durchaus zu empfehlen.

Sebastian Jacobs, 24. Februar 2025


Lady Macbeth von Mzensk
Oper in vier Akten von Dmitri Schostakowitsch

Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf

Premiere am 22. Februar 2025

Inszenierung: Elisabeth Stöppler
Musikalische Leitung: Vitali Alekseenok
Düsseldorfer Symphoniker

Trailer