Premiere: 22. Januar 2022, besuchte Vorstellung: 13. Februar 2022
Puccini in schlichter Schönheit
Das Essener Aalto-Theater zeigt mit Puccinis „Il Trittico“ nach dem umjubelten „Dido“ einen weiteren Abend, der an den alten Glanz des Hauses anknüpft und beim Publikum für Begeisterung sorgt. Auf der Bühne, auf der Pierro Vinciguerra ein bildgewaltiges und so schlichtes, wie ästhetisch ansprechendes Szenario kreiert, entstehen immer wieder so wunderbare, so einfach schöne Bilder, dass man Gefahr läuft sich in diesem schwelgerischen Gesamtkunstwerk zu verlieren.
„Il trittico“ gehört sicherlich nicht zu den populärsten Werken Puccinis und doch zeigt es die Meisterschaft des reifen Komponisten nicht minder als seine Kassenschlager. 1918 in New York uraufgeführt, war es Ansinnen des Komponisten einen Abend mit drei grundverschiedenen Werken zu schaffen, es sollte ein tragisches („Il tabarro“), ein lyrisches („Suor Angelica“) und ein heiteres („Gianni Schicchi“) entstehen und dem Publikum auf eine Reise in alle menschlichen Empfindungen führen. Ein reizvolles Ansinnen, alles, was das Theater ausmacht, in einen Abend zu packen – und genau dieses Ansinnen wird in Essen auf beste Art und Weise umgesetzt.
Der Essener Abend beginnt – wie meistens gespielt – mit „Il tabarro“, eine düstere Geschichte voller Eifersucht und Leidenschaft, die – man mag es ahnen – ein tragisches Ende nimmt. Im Milieu Pariser Seine-Schiffer angesiedelt greift die Essener Inszenierung das Element des Wassers auf, das in diesem Teil des Abends die gesamte Bühne flutet. Dezente, aber raffinierte Reflexionen sind alles, was die Szenerie belebt und so fokussiert sich alles kammerspielartig auf die Protagonisten. Diese klassische Dreiecksbeziehung setzt rein musikalische zu Beginn des Abends ein Ausrufezeichen. Heiko Trinsinger als düsterer, aber liebender Michele zeichnet ein berührendes Rollenportrait. Sergey Polyakov als Luigi überzeugt mit strahlendem Tenor und ergänzt sich stimmlich exzellent mit der wunderbar singenden Annemarie Kramer als Giorgetta.
In „Suor Angelica“, im direkten Anschluss an den „tabarro“ gespielt befinden wir uns vom Stück ausgehend in einer fast schon pittoresk anmutenden Klosterszenerie. Aus Düsternis wird ein luftiger, lichtgefluteter Raum. Die Schwestern machen das, was man eben so erwartet, sie sammeln Almosen, ernten Kräuter, sie beten und büßen. In Essen bleibt die Wasserfläche erhalten und wehende Vorhänge verleihen der Szenerie das mystische, ja religiöse. In der Titelpartie glänzt Jessica Muirhead mit einem herzergreifenden Rollenportrait, fein nuanciert und mit bestem Puccini-Sound in der Stimme. Die Regie von Roland Schwab nutzt hier den klösterlichen Kontext aber nur als Projektionsfläche – der vermeintlich so leicht zu verlassende Raum ist ein doch schreckliches inneres Gefängnis Angelicas, die in der Sorge um ihr ihr weggenommenes Kind fast umkommt. Der Raum öffnet sich erst, als sie sich von ihrem irdischen Dasein verabschiedet. Regisseur Roland Schwab zeigt hier eine zutiefst schlüssige und plausible Deutung des Stücks, das ohne jeglichen Kitsch auskommt und sich nicht in der pittoresken Klosterszenerie verliert. Gabriele Rupprecht, liefert gerade hier wunderbare Kostüme, die fernab klassischen Nonnenhabits sind, aber doch die Strenge klösterlichen Lebens und die Uniformität der Mitschwestern suggeriert. Einzig Angelica kommt farblich nicht in der Welt ihrer Mitschwestern an und bleibt in zartem, pastelligen rosa.
Nach der Pause wechselt die Szenerie, das Wasser ist überbaut, aber Wasserspiele und Seifenblasen unterstreichen schon zu Beginn die vergnügliche Note in „Gianni Schicchi“. So ernst und dramatisch es im ersten Teil des Abends zuging, so sehr entfesselt die Regie nun hier die Komödie und das tut sie ganz unaufdringlich und im besten Sinne unterhaltsam. In der Posse um Erbschleicherei und Betrügereien glänzt das Ensemble einmal mehr mit veritabler Spielfreude, die dem Publikum nicht nur einen hörbaren Schmunzler entlockt. Allen voran zeigt auch hier Heiko Trinsinger alle Facetten seines stimmlichen und schauspielerischen Könnens. Nahezu entfesselt spielt er den schrägen Schicchi und zelebriert die Schlitzohrigkeit seines Charakters. Ihm zur Seite steht eine zauberhafte Lilian Farahani, die nach ihrem „o mio babbino caro“ vollkommen zurecht Szenenapplaus erhält. Carlo Cardoso als Rinuccio überzeugt an ihrer Seite nicht minder.
Mit diesem „Trittico“ ist dem Essener Aalto-Theater ein echter Hit gelungen. Die Inszenierung von Roland Schwab schafft es zwischen den drei so verschiedenen Werken einen Bogen zu schlagen und fokussiert sich auf das stringente Erzählen der Handlung der drei Einakter. Die Personen sind scharf und konturiert gezeichnet, vor der nahezu weißen Leinwand, die Bühnenbildner Pierro Vinciguerra ein einem so einfach, wie doch wandlungsfähigen Raum zur Verfügung stellt. Raffiniert ist wohl das Wort, das am ehesten beschreibt, was mit kleinen, teils einfach Kniffen immer wieder neue Bühnenwelten entstehen lässt.
Auf der musikalischen Seite hat der Abend aber auch großes Lob verdient. Die Vielzahl der kleinen Partien sind allesamt solide bis exzellent besetzt. Besonders fällt aber gerade die spielerische Ensemble-Leistung im „Gianni Schicchi“ in Augenschein, der auch zwei Einspringer am Abend keinen Abbruch getan haben. Die von Patrick Jaskolka einstudierten Chöre liefern ihren Part klangschön und souverän ab. Alexander Joel führt die Essener Philharmoniker souverän durch die Partitur. Von den fein musizierten lyrischen Passagen, bis zu den großen Szenen, bei denen der Maestro auch gerne in die Vollen greift, lässt dieser Puccini kaum Wünsche offen. Hier und da stellen sich gerade in den Ensemble-Szenen kleine, aber absolut verzeihbare Ungenauigkeiten ein.
Essen ist wieder ein großer Opernabend gelungen, der allen Opernfreunden wärmstens ans Herz gelegt sein soll.
Sebastian Jacobs, 15,2,2022
Bilder von Matthias Jung