Markus Lamers, 20.09.2020. Bilder: © Björn Hickmann, Premiere der Neufassung: 05.09.2020,, besuchte Vorstellung: 13.09.2020
Neufassung der Operette sorgt für beste Unterhaltung
Derzeit könnte man jeden Text fast identisch beginnen und sich lange und ausgiebig mit dem Thema Corona befassen. Da es dem Musiktheater im Revier aber gelungen ist einen unterhaltsamen Theaterabend zu schaffen, bei dem man in rund 100 Minuten fast komplett übersehen könnte unter welch schwierigen Bedingungen die Produktionen derzeit entstehen müssen, soll dieses Thema hier auch nur später am Rande entsprechend gewürdigt werden. Stattdessen stürzen wir uns gleich in die Operette, deren Handlung noch nie wirklich Sinn ergab, die aber von der Musik her immer wieder Spaß macht. Und so ist man auch gleich bei der Ouvertüre ein wenig verwundert, wie die bekannten Lieder doch ein wenig anders klingen. Man möchte sagen, sie kommen fast ein wenig frecher und moderner daher. Zu verdanken ist dies dem Arrangeur-Duo Henning Hagedorn und Matthias Grimminger, die eine Fassung für vierzehn Instrumente schufen bei der auch ein Banjo und ein Saxophon eingebracht wurde, was für einen frischen Wind sorgt. Unter der musikalischen Leitung von Peter Kattermann erklingt die Neue Philharmonie Westfalen ganz wunderbar, so dass man sich den Abend über der Musik hingeben kann. Eigentlich war „Frau Luna“ ja seit jeher eine musikalische Nummern-Revue, bei der die Stücke mehr oder weniger lose in die seichte Handlung eingebaut wurden. Von daher ist es in diesem Fall dem Stück nicht abträgig, dass die Handlung in Gelsenkirchen etwas gestrafft und modernisiert wurde. Im Gegenteil, dass Fritz Steppke mit seinem Start-Up-Unternehmen mittels Virtual Reality den „Mondflug für alle Menschen“ verwirklichen will, macht durchaus Sinn.
Allgemein kann die Inszenierung von Thomas Weber-Schallauer auf ganzer Linie überzeugen. Vieles wirkt in sich stimmig, was sicher auch an der neuen Textfassung liegt, die insbesondere in den ersten rund 20 Minuten des Stückes auf der Erde sehr angepasst daherkommt. Fritz Steppke präsentiert hier seinen beiden Freunden Pannecke und Lämmermeier seine neuste Software für die VR-Brillen, allerdings ist die Technik noch nicht ganz ausgereift, was zu einem Absturz des Systems führt. Unterstützt wird die Inszenierung im Übrigen durch ein sehr gelungenes Videodesign von Volker Köster, was sich fließend in das Bühnenbild von Christiane Rolland integriert. Beim Flug zum Mond fühlte man sich als Zuschauer fast in einen Flugsimulator eines Freizeitparks versetzt. Die fantasievollen Kostüme auf dem Mond entwickelte Yvonne Forster. Immer wieder werden kleine sehr humorvolle Corona-Anspielungen in die Inszenierung eingebracht, so kommt Frau Pusebach beispielsweise vom Einkauf mit 60 Rollen Klopapier nach Hause. Doch auch auf dem Mond hat ein Virus zugeschlagen, um genau zu sein bringt ein Computervirus das System im All gehörig durcheinander. Bei dieser „Frau Luna“ bekommt man den Eindruck, dass ein roter Faden die Inszenierung von vorne bis hinten zusammenhält und hieran mit viel Liebe zum Detail über 100 Minuten dran festgehalten wurde.
Kommen wir an dieser Stelle nun doch noch einmal kurz auf die notwendigen pandemiebegründeten Umstellungen der Inszenierung. Leider darf derzeit kein Opernchor auf der Bühne auftreten. Daher wurden die Mitglieder des Opernchores virtuell der Mondparty von Frau Luna zugeschaltet, was durch Videoeinspielungen passend in die Inszenierung eingebaut wurde. Lediglich Frau Venus und Herr Mars waren live bei Frau Lunas zu Gast, letzter war aber doch sehr damit beschäftigt den passenden Schnappschuss von sich selbst zu machen. Auch die notwendigen Abstandsregelungen wurden gut in die Inszenierung übernommen, so dass man, wenn man als Zuschauer nicht drauf achten würde, oder an der ein oder anderen Stelle nochmal bewusst drauf gestoßen würde, dies wahrscheinlich gar nicht bemerken würde. Gesungen wird mit Plastikmasken vor dem Gesicht, was hin und wieder durch die Scheinwerfer kurz mal spiegeln kann, ansonsten aber ebenfalls nicht weiter stört. Erstaunlich gut klappte bei der besuchten Vorstellung auch die Abmischung von Musik, Gesang durch Mikroports und Einspielung des Chores vom Band. Den eigenen Humor der Inszenierung im Bezug auf den Corona-Virus hatte ich ja bereits zuvor erwähnt.
Auch die Besetzung ist absolut sehens- und hörenswert. Sebastian Schiller gibt einen naiven Fritz Steppke, dem Anna Schmid aus dem Jungen Ensemble am MiR als Marie gehörig den Kopf verdreht. Joachim G. Maaß spielt die Rollen des Pannecke und des Theophil, was man recht gut gelöst hat, in dem sich Pannecke bei der Landung auf dem Mond dematerialisiert hat und fortan nur noch am Rande und teilweise in Einzelteilen zu sehen ist. Patricia Pallmer gibt einen überzeugenden Lämmermeier während Christa Platzer als Frau Pusebach immer wieder zu gefallen weiß. Gesanglich schön auch Lina Hoffmann als Mondgroom, Petra Schmidt als Frau Luna, Dongmin Lee als Zofe Stella und Martin Homrich als Prinz Sternschnuppe. Alles in allem vergebe ich hier gerne 5 Sterne zum gelungenen Saisonauftakt am Musiktheater im Revier.
Markus Lamers, 18.09.2020
Bilder: © Björn Hickmann