Quedlinburg: „Der Opernball“, Richard Heuberger

Operetten kann man heutzutage fast nur noch in kleineren und mittleren Häusern erleben, wenn man von der unverwüstlichen „Fledermaus“ einmal absieht. Da freut es Operetten-Liebhaber besonders, dass das Harztheater seit Silvester 2023 Richard Heubergers nun wirklich selten aufgeführte Operette „Der Opernball“ aus der ersten Wiener Blütezeit des Genres im Programm hat. Die harmlose, sich komödiantisch zuspitzende Verwechslungsgeschichte spielt in Paris während des Karnevals, wo die Ehefrauen Marguerite und Angèle ihre Männer Georges und Paul auf die Probe stellen, weil sie ihnen in Punkto eheliche Treue nicht recht trauen. Mit im Spiel sind das ältere Ehepaar Palmira und Theophil und deren Neffe Henry, die Sängerin Féodora sowie das Zimmermädchen Hortense. Beim abendlichen Opernball finden die mehr und weniger heimlichen Treffen der gemischten, maskierten Paare in verschiedenen Séparées statt, und nicht nur ein rosa Domino spielt eine wichtige Rolle.

© Ray Behringer

Diesmal sind wir nach Quedlinburg gefahren, wo das Harztheater neben Halberstadt eine weitere Spielstätte hat, und haben eine im Ganzen gelungene Inszenierung gesehen, die mit ihren vielen kleinen Gags Spaß machte: Der früher in Magdeburg tätige Ausstatter TOTO hatte für ein praktikables, zwischen 2. und 3. Akt zügig verändertes Bühnenbild gesorgt, zu dem die Kostüme aus der Entstehungszeit der Operette am Ende des 19. Jahrhunderts vorzüglich passten. Der österreichische Regisseur Wolfgang Dosch hatte aufsTempo gesetzt, mit dem das äußerst spielfreudige Ensemble das verwirrende Spiel flott in Szene setzte, so dass man auf sonst übliches Ballett getrost verzichten konnte. Allerdings gerieten manche Sprechszenen, besonders am Schluss bei der Auflösung des Verwirrspiels, etwas zu langatmig – hier hätte Straffung gut getan. Lobend dagegen ist hervorzuheben, dass die Texte durchweg gut verständlich waren, was bei einem internationalen Ensemble nicht ohne weiteres zu erwarten ist.

© Ray Behringer

Über die musikalische Qualität gibt es Erfreuliches zu berichten: Der armenische  Kapellmeister und Studienleiter Harutyun Muradyan sorgte mit den sicheren  Harzer Sinfonikern von Beginn an für den nötigen Schwung; ein gutes Beispiel dafür war die kompositorisch durchaus anspruchsvolle Ouvertüre, die vom Nachmittagspublikum leider nur als Begleitung seiner Unterhaltungen angesehen wurde.  Aus dem Ensemble jemand extra hervorzuheben, wäre ungerecht; alles passte gut zusammen, was die Darstellung des jeweiligen Charakters und die sängerischen Leistungen betrifft. Im Zentrum des Intrigenspiels stand das Kammermädchen Hortense, das von  Bénédicte Hilbert soquicklebendig und im Schwips am Morgen nach dem Opernball so komisch wiedergegeben wurde, dass es eine Freude war. Außerdem gefiel erneut ihr treffsicher und sauber geführter Sopran. Ein musikalischer Höhepunkt war der „Schlager“ der Operette „Komm mit mir ins Chambre séparée“, den sie gemeinsam mit der stilsicheren Mezzosopranistin Regina Pätzer in der Hosenrolle des flotten Marinekadett Henry präsentierte.

© Ray Behringer

Die von ihren Ehefrauen hinters Licht geführten Georges und Paul waren bei Francisco Huerta und Max An gut aufgehoben. Bei ihrer Flirterei mit den in rosa Dominos verkleideten Frauen verbreiteten beide gern immer einmal wieder tenoralen Glanz. Die in unzähligen Rollen bewährte, klarstimmige Bettina Pierags gab die Initiatorin der Intrige Marguérite, während Jessey-Joy Spronk die Angèle deutlich zurückhaltender und eher schüchtern anlegte; mit ihrem kräftigen Sopran überstrahlte sie die Ensembles. Ihre vor Beginn angekündigte Indisposition betraf nur die Singstimme, nicht aber die Sprechstimme, sodass die Choristin Thea Rein deren Texte von der Seite sprach, was man kaum bemerkte, so gut passten die Mundbewegungen der Darstellerin dazu.

Marlies Sturm hatte alssittenstrenge Palmira ihren Theophil fest im Griff. Dieser geriet Samuel Berlad viel zu trottelig, so dass seine Sprechszenen, aber auch die mit Féodora(tänzerisch flott Amrei Wasikowski) nur noch albern wirkten.

Zu einer anständigen Operette gehört auch ein Komiker – das war als Oberkellner Philippe Norbert Zilz, der zur Freude des Publikums allerlei Witzchen machte.

Insgesamt war das Publikum begeistert und sparte nicht mit starkem Beifall für alle Mitwirkenden.

Gerhard Eckels, 31. Januar 2024


Der Opernball
Richard Heuberger

Harztheater in Quedlinburg

Premiere am 31. Dezember 2023
Besuchte Vorstellung am 30. Januar 2024

Inszenierung: Wolfgang Dosch
Musikalische Leitung: Harutyun Muradyan
Harzer Sinfoniker