Historisches Interesse vorausgesetzt, ist Antonio Cesti für die österreichische Musikgeschichte ein hoch interessanter Mann, komponierte er doch die berühmteste Oper, die am Hof des (selbst komponierenden und musikverrückten) Kaisers Leopold I. aufgeführt wurde: „Il pomo d’oro“. Cesti war allerdings nicht nur in Wien für Leopold, sondern auch in Innsbruck für dessen Onkel Erzherzog Ferdinand Karl von Tirol tätig, dort entstand für den Fasching 1656 die Oper „L’Orontea“, die zwar rund um eine fiktive ägyptische Königin spielt, aber von der Handlung her eine reine Opera buffa ist.
Cesti hat in Wien der Gegenwart keinesfalls dieselbe Auferstehung erlebt wie andere Barockkomponisten, darum interessiert die Aufführung von „L’Orontea“ an der Kammeroper des MusikTheaters an der Wien. Der in Wien debütierende japanische Regisseur Tomo Sugao bewies ein leichtes Händchen, viel Witz und einiges an Unverfrorenheit im Umgang mit dem 330 Jahre altem Werk (dass man da im „historischen“ Gewand Selfies macht, stört angesichts der allgemeinen lockeren Stimmung überhaupt nicht).

Es gibt hier, wie in barocken Opern oft, einen „tiefsinnigen“ Prolog zwischen der „Philosophie“ und der „Liebe“, die in klassischerweise in einen Wettstreit treten. Sugao steckte das Ensemble hier in die Gewänder venezianischer Gondolieri von heute, verteilte die Rollen und schlug den Ton des fröhlichen Durcheinanders an, der den Abend beherrscht und mit Ironie sättigt. Wobei die Aufführung dann optisch in vagen Historismus (Bühne und Kostüm: Julia Katharina Berndt) hinübergleitet.
Da ist also Orontea (Hilary Cronin) sicher keine ernst zu nehmende Herrscherin, sondern ein nettes, blind verliebtes Frauchen, so sehr ihr der alte Hofbeamte (die erste Rolle für Alexander Strömer) auch ins Gewissen redet, sich nicht unstandesgemäß zu benehmen.
Aber Alidoro ist in Gestalt von Gabriel Díaz auch zu hübsch und mit einem angenehmen Counter gesegnet. Dass die Situation aber so richtig wild wird, dafür sorgt eine Hofdame, nämlich die Silandra der Maria Ladurner. Was für ein raffiniertes Rübensüßchen, wie sie herumfegt, ihren üppigen Rock in alle Richtungen wirft und die Männer tanzen lässt. Immerhin, der anfangs für Alidoro abservierte Corindo des Johannes Wieners (noch ein Counter) bekommt sie ja doch – und ist noch dankbar dafür.
Sehr hübsch noch zwei junge Damen, Giacinta (Therese Troyer) und Tibrino (Manhan Qi), und äußerst effektiv die Komiker: Stephen Chaundy, der als aufdringliche alte Schachtel ebenso alle Register zieht wie Alexander Strömer als immer wieder bühnenbeherrschender alter Säufer, der als Einziger in dieser italienisch gesungenen Aufführung auch Deutsch sprechen und singen darf.
Warum wird der doch knapp dreistündige Abend manchmal lang? An der lautten compagney BERLIN liegt es sicherlich nicht, wohl auch nicht an Wolfgang Katschner am Dirigentenpult, das klingt alles kompetent so, wie wir Musik auf Originalinstrumenten kennen. Aber so komisch die Sache ist, so sehr zieht sie sich immer wieder, so wenig Variationen hat sie, sowohl dramaturgisch wie auch in der Musik, die sicher für ihre Zeit ihre Qualitäten hatte (und eine „Sturm-Musik“ war wohl ein damaliges Äquivalent zu den späteren Rossini’schen Gewitter-Musiken), aber wirklich nicht auf die Dauer fesselt, zumal auf der Bühne mancher allzu schrille Ton in das Ohr der Zuhörer gellt….
Dennoch – Cesti kennen gelernt zu haben, wird sich für jeden Opernfreund lohnen. Man weiß jetzt zumindest aus erster Hand, womit man es zu tun hat. Dem Premierenpublikum hat das turbulente Wirrwarr gut gefallen.
Renate Wagner 3. Dezember 2025
L’ Orontea
Antonio Cesti
Wien
Kammeroper des MusikTheaters an der Wien
Premiere: 2. Dezember 2025
Regisseur Tomo Sugao
Dirigent Wolfgang Katschner
+äümj lautten compagney BERLIN