Köln: „Carmina burana“ szenisch, Carl Orff

Carl Orffs berühmte Carmina Burana zählen heute wohl zu den bekanntesten Chorwerken der Neuzeit. Uraufgeführt am 8. Juni 1937 in der Frankfurter Oper, entwickelte sich schnell eine ganz besondere Aura rund um diese Komposition, was sicherlich auch daran liegt, dass Orff für seine szenische Kantate Texte in mittellateinischer und mittelhochdeutscher Sprache aus einer Sammlung des 11. und 12. Jahrhundert entnommen hat, den ursprünglichen Carmina Burana. Im Jahr 2009 feierte die szenische Umsetzung durch das katalanische Theaterkollektiv La Fura dels Baus ihre Premiere in San Sebastián, wo sie seinerzeit sehr positiv aufgenommen wurde. Weitere Aufführungen folgten, im Juli 2020 sollte diese Inszenierung dann auch beim jährlichen Kölner Sommerfestival in der dortigen Philharmonie zu sehen sein. Doch bekanntlich machte ein Virus allen Plänen einen Strich durch die Rechnung. Verschiebungen nach 2021 und 2022 folgten. Im letzten Jahr musste die Produktion dann erneut verschoben werden, so dass sie nun am 18. Juli 2023 endlich ihre Premiere in Köln feiern konnte, die nach der langen Wartezeit sehr gut besucht war und für eine nahezu ausverkaufte Philharmonie sorgte.

© A Bofill

Hierzulande dürfte La Fura dels Baus einem Großteil der Leser wohl am ehesten dadurch bekannt sein, dass sie 1992 bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in Barcelona mitwirkten. Auch die Choreographie des furiosen Massen-Finale in Tom Tykwers Romanverfilmung Das Parfum wurde von ihnen entworfen. Aber auch im Bereich der Opernregie konnte man in den letzten Jahren mit Inszenierungen wie beispielsweise La condenación de Fausto (Salzburg), Wagners Ring der Nibelungen (Valencia) oder Karl V. (München) auf sich aufmerksam machen. Entsprechend verkündete Carlus Padrissa, Gründungsmitglied der Theaterkompagnie, vor wenigen Tagen in einem Interview mit der Rheinischen Post auch selbstbewusst, dass man auch bei der Carmina Burana „die Kantate und die magischen Bilder in eine Oper verwandelt“ hätte. Und in der Tat trifft die Beschreibung „magische Bilder“ den Abend auch sehr gut, denn ein Highlight des Abends ist sicher die vielschichtige Projektion auf eine große als Säule gespannte Leinwand. Hier gibt es wirklich viel zu sehen, und passend zur Musik ergeben sich immer wieder schön anzuschauende Bilder, seien es die fliegenden Blüten im Frühling oder die Wasserfälle am Fluss, unter denen mehrere Mädchen fröhlich den Tag verbringen.

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Eine Darstellerin steht hierbei besonders im Mittelpunkt, denn mit seiner Inszenierung möchte Padrisa die Geschichte eines Mädchens erzählen, welche nach und nach zur Frau wird und sich hierbei verschiedenen Herausforderungen stellen muss. Diese Deutung ist mal mehr, mal weniger schlüssig, was sich teilweise auch aus der eigentlichen Vorlage von Carl Orff ergibt. Schön anzuschauen ist es auf jeden Fall, selbst dann wenn sich Countertenor Angel Martínez als Grillhähnchen an der Stange dreht und im Hindergrund der mit Beilagen gefüllte Teller auf die Leinwand projiziert wird. Dies ist vielleicht der Moment, wo die Inzenierung für ein paar Minunten den eigenen Rahmen zu verlassen scheint, denn unmittelbar danach wird auch das Publikum noch mit in das Geschehen einbezogen. Dies hätte es nicht unbedingt bedurft, da es dann aber auch nicht weiter ausgeweitet wird, lockert es als kurzes Intermezzo den Abend etwas auf, ohne weiter zu stören.

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Gelungen ist neben der wahren Bilderflut auch die musikalische Umsetzung des Abends. Insgesamt schafft das 47-köpfige Ensemble, für die große Kölner Philharmonie wurde der ursprünglich mit 16 Personen besetzte Chor auf 24 Personen erweitert, einen raumfüllenden Klang, der dieser Kompositon durchaus gerecht wird. Hinzu kommen vier erstklassige Solisten, sechs Tänzerinnen und ein stark aufspielendes Orchester. Sehr schön wirkt hierbei auch, wie der Chor zu Beginn des Abends durch die Publikumsreihen zur Bühne kommt und so für einen ersten großen musikalischen Aha-Moment sorgt. Natürlich bleibt nach einem solchen Abend vor allem O Fortuna im Ohr hängen, welches auch nochmal als Zugabe in einer ganz besonderen Darbietung erklingt. Seinen besonderen Reiz zieht dieser Abend aber aus der Kombination der Musik mit einer ganz eigenen Bebilderung, die einen Besuch der Vorstellung durchaus lohnenswert macht.

Markus Lamers, 19. Juni 2023


Carmina Burana

Szenische Kantate von Carl Orff in einer Inszenierung von La Fura dels Baus

Premiere: 18. Juli 2023

Philharmonie Köln

Inszenierung und Bühnenbild: Carlus Padrissa

Musikalische Leitung: César Belda

Weitere Vorstellungen: bis Sonntag, 23. Juli 2023

Trailer