Seit nunmehr 50 Jahren gastieren Les Ballets Trockadero de Monte Carlo auf der ganzen Welt. Die Compagnie, die bis heute ausschließlich aus männlichen Primaballerinen besteht, wurde 1974 von Tanzbegeisterten mit dem Ziel gegründet, das klassische Ballett mit einem amüsanten Augenzwinkern und in parodistischer Form zu präsentieren. Derzeit findet die große Jubiläumstournee der „Trocks“ statt und aus kleinen Off-Off-Broadway-Lofts in den 70er Jahren sind inzwischen große Theaterhäuser geworden. Das einzige Deutschland-Gastspiel findet derzeit im Rahmen des 35. Kölner Sommerfestivals exklusiv in der Kölner Philharmonie statt. Zugegeben, wenn die Ankündigung der Show „allesamt Männer in Tutus und in Spitzenschuhen – und mit Brusthaar und riesigen Füßen bis Größe 47“ verspricht, mag im Vorfeld die Skepsis überwiegen, ob hier nicht doch der Travestie-Klamauk dominiert. Doch weit gefehlt, der gut zweistündige Tanzabend bietet eine sehr ausgewogene Mischung aus traditionellem Ballett und gelungener Situationskomik. Dass die Komik an diesem Abend nicht zu kurz kommt, wird schon in der Ansage vor Beginn der Vorstellung deutlich, in der die einzelnen „Darstellerinnen“ des Abends angekündigt werden, die so klangvolle Namen wie Varvara Laptopova oder Blagovesta Zlotmaschinskaya tragen.
Mit dem zweiten Akt aus Tschaikowskys Schwanensee steht gleich zu Beginn des Abends ein Höhepunkt der 50-jährigen Geschichte der Compagnie auf dem Programm. Die klassische Choreographie nach Lew Iwanowitsch Iwanow wird hier immer wieder durch völlig unerwartete Bewegungen der Tänzer, oft in Form von pantomimischen Gesten, gebrochen. Sehr gelungen ist das Spiel mit dem Publikum, das oft mit spontanem Applaus reagiert. Leider ist auf den Pressefotos nicht zu sehen, dass für die Aufführung des Balletts ein Bühnenhintergrund geschaffen wurde, auf dem ein See mit einem großen Berg zu sehen ist, auf dessen Spitze eine Burg thront. Dazu zucken immer wieder Blitze, wenn der Zauberer Rotbart die Bühne betritt. Das harmoniert sehr gut mit der zauberhaften Musik von Tschaikowsky. Nach der ersten Pause folgt als Überraschungsstück des Abends, Patterns in Space, eine Choreographie nach Merce Cunningham. Im Mittelpunkt stehen hier jedoch eher die beiden Live-Musiker Colette Adae (Jake Speakman) und Varvara Laptopova (Takaomi Yoshino), die auf unterschiedlichste Weise und mit verschiedensten Gegenständen die unerwartetsten Klänge erzeugen. Noch während man sich fragt, ob dieser Klamauk nun völlig übertrieben oder doch irgendwie eine gelungene Persiflage auf das moderne Tanztheater ist, geht es schon weiter mit Go For Barocco. Hier steht dann auch wieder der Tanz im Mittelpunkt. Zur Musik von Johann Sebastian Bach parodiert der Choreograf Peter Anastos bekannte Werke von George Balanchine. Sechs ganz in Schwarz gekleidete Tänzer tanzen vor einer schwarzen Wand, so dass wie bei Balanchine nichts von der Reinheit des Tanzes ablenkt. Vor der zweiten Pause gibt Andria Fabbri als Diva Tatiana Youbetyabootskaya noch einen bezaubernden „sterbenden Schwan“.
Den Abschluss des Abends bildet Paquita, eine Choreographie nach Marius Petipa, für die Mike Gonzales wunderschöne Kostüme entworfen hat. Die Tänzer tragen sehr detailiert gestaltete klassische Ballettkleider. Auch ein Theatervorhang bildet nun den passenden Rahmen für das große Ensemblewerk, welches vor allem durch eine enorme Synchronität beeindruckt. Alles in allem bietet der Abend eine gelungene Mischung aus Tanz und Humor, so dass man abschließend einfach die Worte der New York Times verwenden kann: „Für Ballettfans wie Tanzneulinge gleichermaßen großartig“.
Markus Lamers, 17. Juli 2024
Les Ballets Trockadero de Monte Carlo
tanzen Schwanensee (2. Akt), Patterns in Space, Go for Barocco und Paquita
Philharmonie, Köln
Premiere (Köln): 16. Juli 2024
Künstlerischer Leiter: Tory Dobrin
Ballet Master: Raffaele Morra
Weitere Aufführungen bis zum 21. Juli 2024