Der klassische Düsseldorfer würde wahrscheinlich erstmal sagen: „Ja watt iss datt dann? Kamma datt essen?“ Wir sind in Düsseldorf eine Kulinariker-Stadt und nennen uns nicht ohne Grund „Klein-Paris“. Mode und Essen sind Schwerpunkte in der NRW-Hauptstadt – neben Baustellen, versteht sich.
Ich muss erst mal sagen, dass ich diese AR bei meinem Elektroauto, einem VW ID 4, seit Jahren kenne und ganz toll finde. Nur hier heißt es etwas anders, nämlich head up display, und kostet deutlich über 3000 Euro Aufpreis. Ist aber auch ein technischer Geniestreich, den man ohne Brille nutzen kann, denn ein ansonsten unsichtbares Sichtfenster in der Windschutzscheibe ersetzt hier die irgendwie steinzeitlich anmutende Brille, die es neuerdings in der Rheinoper gibt für 30 Auserwählte Nicht-normal-Brillenträger. Brillenträger sind grundsätzlich außen vor. Wir müssen draußen beleiben. Da wir im Jahr 2023 leben, frage ich mich nämlich: Wieso wird mein Smartphone – ohne das funktioniert es gar nicht, und das ist schon mal doof – per Kabel mit dieser AR-Brille verbunden und nicht per Bluetooth? Stichwort: Faxgeräte in deutschen Behörden ?.
Zurück zum nützlichen Aspekt dieser Technologie. Diese AR im Auto hat einen bemerkenswerten Vorteil in der Verkehrs- und Unfallsicherheit, denn wichtige Daten werden wirklich nicht störend im Sichtfeld des Fahrers dreidimensional eingeblendet. Selbst Navi-Anzeige ist möglich (siehe Bild oben). Das ist sehr angenehm, denn man braucht den Blick nicht wie bei traditionellen Autos mit Armaturenanzeige von der Straße zu nehmen. Der wichtigste Faktor, die Geschwindigkeit wird gestochen scharf nämlich gefühlte drei Meter vor dem Fahrzeug dargeboten – es wächst förmlich aus der Straße heraus. Darüber hinaus werden, wenn man leicht nach rechts oder links blickt, noch Reichweite – der wichtigste Faktor! – und andere Daten eingefügt, was man alles vorher einstellen kann.
In der Oper sieht es anders aus. Lesen sie bitte den höchst informativen Artikel …
So, nun sind sie gut informiert. Dank an Ralf Siepmann von O-Ton. Sie fragen sich jetzt: Brauche ich als gut vorbereiteter Opernbesucher solche Infos überhaupt? Oder Sie sagen: Ich habe überhaupt kein Smartphone, sondern nur ein kleines Handy mit großen Tasten und einer Notruffunktion. Diese Frage muss man beim aktuellen Alterstand vieler Opernbesucher (über 65 ?) doch stellen dürfen.
Farbveränderungen und zusätzliche Verdunkelung würden meinen altersschwachen Äugleins ohnehin nicht gefallen. Das Gegenteil (eine Art Nachtsichtfunktion oder Bild-Aufheller) würde ich mir bei den heutzutage oft sehr düster daherkommenden Inszenierungen wünschen, wo ich öfter das Bedürfnis habe „Heller! Geht es nicht heller! Mehr Licht bitte!“ zu rufen. Beim letzten Schläpfer-Schwanensee – pars pro toto – habe ich vieles nicht gesehen vom Rang.
Andererseits – und da kämen wir zur guten Seite – fände ich es natürlich nicht schlecht, in einschläfernden Inszenierungen mir ein paar Filmchen oder Musikvideos reinziehen zu können, ohne den Blick auffallend von der Bühne zu wenden; das beugt sicherlich dem Theaterschlaf vor. Ich denke, hier könnte man auch bei vielen Jugendlichen Zustimmung bekommen. Insbesondere, da man ja seine gewohnten Ohrenstöpsel prima für den Ton via Bluetooth nutzen kann. Dann macht auch die Kabelverbindung zur Brille wieder Sinn. Vielleicht hatten die Techniker auch an so etwas gedacht.
Noch ein Wort zur Funktion der wählbaren Kameraperspektive der Brille: „den Dirigenten live von vorne sehen“. Das finde ich persönlich sehr gut, da ich grundsätzlich immer mit Partitur in Oper und Konzert gehe, um mitlesen zu können (dezent mit kleiner im Kugelschreiber eingebauter Taschenlampe – ein Nebenprodukt der NASA Weltraumtechnik). Auch gebe ich öfter den Künstlern ihren Einsatz vor, wenn ich das Gefühl habe der Dirigent arbeitet nicht sauber, oder ist gerade eingeschlafen bzw. es gibt eine Koordinationsstörung zur Bühne. Das kann man ja nun beweiskräftig sehen!
Nun denn, warten wir es ab. Immerhin sind wir in Düsseldorf mal wieder, wie vor 40 Jahren bei vielen Sängern, Bayreuth um Längen voraus …
Peter Bilsing 7. Mai 2023
Bitte lesen Sie auch die Kritik unseres Kollegen Jochen Rueth dazu. Er gehörte zu den Auserwählten 30.
Und besonderer Dank an Stefan Keim für seinen legendären alten O-Ton-Beitrag vom „Opernschlaf“