Kurhaus Wiesbaden, 20. Dezember 2019
Ballettmusik in konzertanter Aufführung
Konzertfassung von Vladimir Jurowski
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Vladimir Jurowski
Am Ende seines sehr erfolgreichen Konzertjahres präsentierte das Rheingau Musik Festival ein Sonderkonzert mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB). Auf dem Programm stand eine Rarität des Konzertrepertoires.
Als sein bestes Ballett bezeichnete Tschaikowsky sein Werk Dornröschen, welches zum Standardrepertoire der großen Ballettcompagnien gehört. 1890 erfuhr es seine Uraufführung am legendären Mariinsky-Theater in St. Petersburg. Nur selten gelangt dieses Werk konzertant zur Aufführung.
Es war ein Herzensanliegen von Chefdirigent Vladimir Jurowski mit seinem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin in einer kleinen Tournée dieses Werk in den Mittelpunkt eines langen Konzertabends zu stellen. Die Musik ist ein großes Feuerwerk der Inspiration und der Phantasie. In seinen Ballettmusiken experimentierte Tschaikowsky mit der Instrumentation. Viele Effekte daraus hielten Einzug in seinen Symphonien und Opern. Der Kampf zwischen Gut und Böse fand in dieser Partitur eine geniale, farbenfrohe Umsetzung. Vladimir Jurowski legte eine eigene Zusammenstellung des Werkes zugrunde. Mit etwas mehr als zwei Stunden konnte das Publikum tief eintauchen in die musikalische Märchenwelt des großen russischen Meister-Komponisten.
Vladimir Jurowski, der designierte GMD des Nationaltheaters München, ist dieser Tage viel unterwegs. Gerade auch auf Tournée mit seinem London Philharmonic Orchestra demonstrierte er eindrucksreich seine emotionale Verbundenheit mit der Musik seiner Heimat. Und so war es keine Überraschung, Ohrenzeuge einer musikalischen Sternstunde zu sein, wie sie kaum mitreißender vorstellbar sein dürfte.
Jurowski entfesselte mit seinem hingebungsvoll musizierenden Orchester einen nicht enden wollenden Sog der tiefen Empfindung. Innige groß ausmusizierte Phrasierungen in den Melodieverläufen sorgten für viele Wonnemomente. Immer wieder verblüffte die geradezu bildhafte Deutlichkeit des musikalischen Ausdruckes bei den Orchestermitgliedern. Selten dürfte der entzückende Tanz zwischen dem gestiefelten Kater und der weißen Katze derart illustrativ vorgetragen sein, wie es an diesem schönen Konzertabend zu erleben war. Ebenso mitreißend die rhythmischen Finessen und gewaltigen Steigerungen der Partitur. Hier konnte sich der Dirigent auch auf seine sehr differenzierten Schlagzeuger verlassen. So setzte Arndt Wahlich an der Pauke großartige, immer wieder bestens in den Gesamtklang eingebundene Akzente. Jurowsi zelebrierte jeden musikalischen Moment als würde dieser im Moment des Erklingens gerade erstmals entstehen. Jeder Takt ein edel gemalte Kostbarkeit.
Ein solcher Hochgenuss ist nur vorstellbar, wenn ein Orchester über die gebotene Spielfertigkeit verfügt und sich bereitwillig auf die Intentionen des Dirigenten einstellt. Das Rundfunk-Sinfonieorchester zeigte eine begeisternde Gesamtleistung voller Elan und ausdauernden Engagements. Der Klangkörper agierte als ein Instrument, welches mit seinem Dirigenten eine beglückende Symbiose schuf. Die Chemie zwischen dem RSB und Vladimir Jurowski stimmt. So eingeschworen agierten die Musiker und ihr charismatischer Dirigent miteinander. In allen Spielgruppen zeigte sich die hohe Klangqualität des Orchesters. Das Werk bietet nahezu allen Instrumenten immer wieder Gelegenheit, solistisch zu brillieren, was in Wiesbaden mustergültig gelang.
Ein samtiger Streicherklang, konditionsstarke Blechbläser, sensibel-kantabel intonierende Holzbläser und knackige Schlagzeugeinwürfe machten das konzertante Ballett zu einem unvergesslichen Hörerlebnis. Besondere Erwähnung müssen stellvertretend Maud Edenwald an der Harfe finden, die mit starker klanglicher Intensität an ihrem kostbaren Instrument für viele glanzvolle Momente sorgte. Großartig auch Arthur Hornig in seinem hoch kantabel vorgetragenen Cello-Solo. In einem sehr ausladenden Violin-Solo begeisterte der hoch virtuose Konzertmeister des RSB’s, Erez Ofer, mit seiner außerordentlichen Souveränität und der Klangschönheit seiner Violine.
Das Publikum zeigte sich zurecht überschäumend in seiner Begeisterung und belohnte die Ausführenden mit stehenden Ovationen!
Dirk Schauß, 21.12.2019
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