Freiberg: Spontane Opern-Gala

Lieber Opernfreund-Freund,
am vergangenen Wochenende bin ich nach Freiberg gereist, um mir für Sie Otto NicolaisDie lustigen Weiber von Windsor“ anzusehen, die Sergio Raonic Lukovic, seit dieser Spielzeit Intendant des Mittelsächsischen Theaters, inszeniert hat. Doch, wie nicht selten in diesen Zeiten, kam gegen Mittag ein positiver Coronatest eines der Ensemblemitglieder dazwischen. Anstatt aber die Vorstellung ersatzlos abzusagen, schütteln Lukovic, GMD Attilio Tomasello, Chor und Ensemble innerhalb von wenigen Stunden eine Operngala aus dem Hut, die das Publikum begeistert.

Den ersten Teil des eineinhalbstündigen Programms, durch das Sergio Raonic Lukovic als nonchalanter Conférencier führt, bilden Ausschnitte aus Nikolais Spieloper, die gleichsam einen Eindruck von der Produktion geben, denn es wird im Bühnenbild gespielt. Außer der berühmten Ouvertüre erklingt unter anderem der stimmungsvoll inszenierte Mond-Chor, bei dem der Freiberger Stadtchor den blendend disponierten Opernchor unterstützt. Nach Ausschnitten aus Mozarts „Zauberflöte“ wird’s italienisch: Nach einem wunderbar gefühlvollen Intermezzo aus Pietro MascagnisCavalleria rusticana„, das die Mittelsächsische Philharmonie erklingen lässt, steht Verdis „Rigoletto“ auf dem Plan. Bizets „Carmen“ beschließt den Melodienreigen.

Neben bewährten Kräften des Ensembles wie Lindsay Funchal, die als Frau Fluth und Gilda verzaubert, und Frank Unger, der dem Publikum „Questo o quella“ entgegen schmettert, stellen sich dem Freiberger Publikum zahlreiche neue Gesichter und Stimmen vor. Den Abend eröffnet der Südkoreaner Inkyu Park mit Fentons Arie und begeistert im Folgenden das Publikum mit „La donna e mobile“. Neu im Ensemble sind Valerie Gels und Angus Simmons, die das Papagena-Papageno-Duett nicht nur stimmlich brillant, sondern auch mit viel Spielwitz interpretieren. Stimmgewaltig kommt Frank Blees daher, gibt einen mitreißenden Falstaff in dessen Trinklied ab und glänzt als ehrfurchtgebietender Sarastro mit „In diesen heil‘gen Hallen“. Beomsek Choi reißt als Escamillo das Publikum schier von den Sitzen mit seinem imposanten Bariton, während Kirsten Scott als Carmen nicht nur die übrigen Ensemblemitglieder sondern auch mich betört, wenn sie die Habanera und die Sequidilla mit satten Mezzo voller Feuer zum Besten gibt.

Das Publikum war eingeladen, die Karten für „Die lustigen Weiber von Windsor“ können kostenfrei für eine andere Vorstellung getauscht werden, und das nach wie vor fast voll besetzte Haus ist begeistert – von der musikalischen Qualität, aber auch von dem frischen Teamgeist und der ansteckenden Spielfreude, die förmlich über den Graben schwappen, in dem Attilio Tomasello ein packendes Dirigat abliefert.

Statt sich dem Coronaschicksal zu ergeben, haben Sergio Raonic Lukovic und sein Team die Gelegenheit genutzt, nicht nur sich und die Leistungsfähigkeit des Hauses zu präsentieren, sondern auch neugierig zu machen auf den im Mai kommenden „Rigoletto“ und (vielleicht?) auf eine künftige „Carmen“. So geht’s also auch!

Ihr Jochen Rüth, 31.10.2022


Opern-Gala / 30.10.2022 Mittelsächsisches Theater, Freiberg

Musikalische Leitung: Attilio Tomasello

Mittelsächsische Philharmonie