Mit dieser Produktion debütierte die italienische Regisseurin Cecilia Ligorio in Deutschland und fuhr sofort einen großen, einstimmigen Erfolg ein. Ihr Gedanke war, die sprudelnde Kraft von Gioachino Rossinis Musik zu nutzen, um die Handlung in ein ebenso sprudelndes Ambiente zu versetzen, nämlich in die Welt Amerikas in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts, als Tanzstars wie Fred Astaire und Ginger Rogers das Tempo vorgaben und überall Revuen mit top- ausgebildeten Tänzern vor einem begeisterten Publikum auftraten.
Zunächst ist allerdings Alidoro zu sehen, hier ein Schriftsteller mit Schreibhemmung, der sich endlich an das Märchen vom Aschenbrödel erinnert und es in eine neue äußere Form packt, während die Handlung unverändert bleibt. Es gibt die zänkischen Schwestern, ihren Vater Don Magnifico, den verliebten Tenor (der ja nicht unbedingt ein Prinz sein muss), dessen Bediensteten Dandini, Alidoro als Ratgeber für Angelina, die so stiefväterlich behandelte Tochter aus Don Magnificos erster Ehe. Die verschiedenen Szenen spielen sich immer wieder im Tanzschritt ab (Choreographie; Daisy Ransom Phillips), um ihren Höhepunkt auf dem Fest zu erreichen, wenn Angelina auf dem Tisch tanzt (zuvor hatte der von Rustam Samedov einstudierte und ausgezeichnet singende Herrenchor angesichts ihrer Schönheit kurz das Bewusstsein verloren und war zu Boden gesunken!). Das vertikal in zwei Teile getrennte Bühnenbild von Gregorio Zurla wechselte im Handumdrehen die Szenerie, einmal war Alidoros Schreibtisch rechts, dann links, zeigte einmal das Innere von Don Magnificos Haus, dann den Ballsaal oder den Keller, wo sich der verblendete Mann einbildet, ein wichtiger Ansprechpartner für Petitionen geworden zu sein. (Eine Prise Zynismus fehlt in Rossinis Buffaopern nie, und die Figur des Don Magnifico mit seinem Absturz aus größenwahnsinnigen Träumen ist ein besonders effektives Beispiel dafür). Die hübschen, für Clorinda und Tisbe auch schrägen, Kostüme stammten von Vera Pierantoni Giua, und auch die Lichtregie von Marco Giusti (zum Beispiel in der Gewitterszene) trug wesentlich zur gelungenen Atmosphäre dieser brillanten Produktion bei.
Und brillant war auch die musikalische Realisierung, die im harmonischen Gleichschritt mit der Regie stand. Am Pult des Gürzenich-Orchesters stand mit Matteo Beltrami ein ausgewiesener Belcantospezialist, der seinen Rossini im kleinen Finger hat und das ausgezeichnete Orchester zu belkantesken Höhenflügen führte. Prachtvoll die Crescendi, aber auch die (von der Regie szenisch bestens gelösten) für Rossini typischen Nonsense-Ensembles. Auch vermochte Beltrami die schwierige Akustik des Ausweichquartiers der Kölner Oper zu besiegen und einen harmonisch austarierten Klang zu erzielen. In der Titelrolle war die Katalanin Anna Alàs i Jové zu hören, die einen süffigen Mezzo besitzt.
Zwar verfügt sie nicht über die allerletzte Brillanz für das feuerwerksartige Schlussrondo, doch waren ihre Koloraturen sauber, und der Figur schenkte sie auch temperamentvolle Facetten. Der kolumbianische Tenor Pablo Martinez glänzte mit Don Ramiros großer Arie Sì, ritrovarla io giuro und erwies sich als vielversprechender tenore di grazia. Eine Klasse für sich war der Italiener Omar Montanari als Don Magnifico. Gesanglich mit angenehm timbriertem Bassbariton und szenisch mit einer ihresgleichen suchenden Verve, die aber nie in billiges Geblödel ausartete. Mit ihm auf Augenhöhe der Österreicher Wolfgang Stefan Schwaiger, das größte Tanztalent unter den Gesangssolisten, der mit hell timbriertem Bariton einen wunderbar selbstironischen Dandini gab. Österreicher ist auch der Bass Christoph Seidl, ein sympathisch-umtriebiger Alidoro, der allerdings an der schwierigsten Bassarie Rossinis (Là del ciel) scheiterte, ja ohne Spezialausbildung für dieses Fach scheitern musste. Köstlich die Deutschamerikanerin Jennifer Zein als sopran-bissige Clorinda und Charlotte Quadt mit angenehmem Mezzo als nicht weniger zickig-bissige Tisbe. Großes Lob auch den sechs Tänzern und der Statisterie des Hauses.
Ein begeistertes Publikum feierte die Mitwirkenden, und wie zu hören war, waren alle neun Vorstellungen ausverkauft. Also nix Krise von Oper und Theater.
Eva Pleus, 24. Januar 2023
„La Cenerentola“
Gioachino Rossini
Oper Köln im Staatenhaus
Besuchte Vorstellung: 31. Dezember 2022
Regie: Cecilia Ligorio
Choreographie: Daisy Ransom Phillips
Bühne: Gregorio Zurla
Kostüme: Vera Pierantoni Giua
Licht: Marco Giusti
Musikalische Leitung: Matteo Beltrami
Gürzenich-Orchester Köln