Konzert am 07.03.2022
Die Anregung zu diesem denkwürdigen Abend in der Kölner Oper kam spontan aus dem Ensemble. Matthias Hoffmann, so verriet Dr. Birgit Meyer in ihrer Ansprache, hatte sich an die Kölner Intendantin mit der Bitte gewandt, angesichts der bestürzenden Ereignisse in der Ukraine ein Zeichen für den Frieden zu setzen. Diesem Wunsch schloss sich nicht nur Dr. Meyer an, sondern fast das komplette Ensemble der Kölner Oper. „Dies ist Putins Krieg“, hob Kölns Intendantin wiederholt hervor. In diesem Krieg gehe es darum, den Menschen in der Ukraine ihren Wunsch nach Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu nehmen. Grundprinzipien eines mitmenschlichen, humanen Umgangs über alle kulturellen, politischen, religiösen und gesellschaftlichen Unterschiede hinweg würden in dieser kriegerischen Auseinandersetzung mit Füßen getreten. Alle Künstlerinnen und Künstler des Hauses ständen geschlossen hinter den leidgeprüften Menschen in der Ukraine. Es sei von einer bewegenden Symbolik, dass die Sopranistin Natalya Pavlova aus St. Petersburg und der Tenor Dmitri Popov aus Kiew die beiden Hauptpartien in der augenblicklichen Aufführungsserie von Antonín Dvoráks Oper „Rusalka“ im StaatenHaus der Kölner Oper verkörpern würden.
Auch Matthias Hoffmann zeigte in seinem kurzen Redebeitrag seine tiefe Betroffenheit über die politische Entwicklung im Herzen Europas und äußerte stellvertretend für seine Kolleginnen und Kollegen die Hoffnung auf Frieden und Versöhnung.
Redebeiträge der Solistinnen und Solisten wechselten sich mit musikalischen Darbietungen ab, die das fürchterliche, unbegreifliche Geschehen in der Ukraine von den verschiedensten Seiten beleuchteten. Das „Agnus Dei“ aus Benjamin Brittens „War Requiem“, vom australischen Tenor John Heuzenroeder und dem Ensemble intensiv vorgetragen, schlug den klagenden, um Vergebung und Frieden bittenden Ton an, der fast alle musikalischen Beiträge durchziehen sollte. Das „Christe eleison“ aus Johann Sebastian Bachs „Messe in h – Moll“ (Maike Raschke, Judith Thielsen), das „Agnus Dei“ aus der „Petite Messe solennelle“ von Giocchino Rossini oder aber „Unyoung Na“, die koreanische Fassung von „Psalm 23“ „Der Herr ist mein Hirte“, von dem koreanischen Tenor Young Woo Kim ganz wunderbar beseelt gesungen, beschworen die Hoffnung darauf, dass Gott nicht nur über die verzweifelten Menschen in der Ukraine, sondern auch über seine gesamte Schöpfung gnädig wacht. Dieses Thema ist auch für Mahlers Vertonung des Rückert-Gedichts „Um Mitternacht“ zentral, wenn es am Schluss heißt: „Um Mitternacht/Hab‘ ich die Macht/In deine Hand gegeben!/Herr! Über Tod und Leben/Du hältst die Wacht/Um Mitternacht“. Matthias Hoffmann, der Initiator dieses Abends, sang diese Zeilen mit großer Innerlichkeit und Emphase.
Einen leidenschaftlich vorgetragenen Appell der Wachsamkeit ganz besonderer Art richtete die kolumbianische Mezzosopranistin Adriana Bastidas-Gamboa mit León Giecos Antikriegssong „Sólo le pido a Dios“ nicht nur an die Besucherinnen und Besucher im StaatenHaus:
„Ich bitte Gott nur darum,
dass der Krieg mir nicht gleichgültig sein wird
Er ist ein großes Monster und trampelt stark
auf der armen Unschuld der Menschen.“
Georg Friedrich Händels Arie „Lascia ch’io pianga mia cruda sorte“ („Lass mich beweinen mein grausames Schicksal“) aus seiner Oper „Rinaldo“, ebenfalls von Adriana Bastidas Gamboa zum Weinen schön interpretiert, wirft da in schlüssigem Perspektivwechsel den assoziativen Blick auf das unsägliche Leid der Opfer eines sinnlosen Krieges und Menschheitsverbrechens.
Dass dieser Krieg keine Gewinner, sondern nur Opfer kennt, hob die Mezzosopranistin Dalia Schaechter hervor. Mit ihrem Lied „Ni slova, o drug moj“ („Kein Wort oh mein Freund“) von Peter I. Tschaikowski wollte sie auf alle russischen Mitbürger hinweisen, die sich nun unverschuldet wegen eines größenwahnsinnigen Diktators körperlichen und verbalen Anfeindungen ausgesetzt sehen. Natalya Pavlova, Kölns umjubelte Rusalka, ließ denn auch mit Nikolai Rimsky-Korsakows „Sommernachtstraum“ ein friedliches Bild Russlands aufleuchten.
Der kroatische Bariton Miljenko Turk, der in seiner Heimat den Krieg am eigenen Leib erfahren musste, gab mit Leonard Bernsteins „Somewhere“ aus der „West Side Story“ am Schluss dieses ergreifenden Abends der Hoffnung wohl aller zivilisierten Menschen Ausdruck: „There’s a place for us, /Somewhere a place for us./Peace and quiet and open air/ Wait for us..“, bevor dann Chor und Ensemblemitglieder den Gefangenenchor aus Verdis Oper „Nabucco“ anstimmten „Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen“ , in dem die in Babylonien gefangenen Hebräer die Hilfe Gottes anrufen.
Arne Willimczik leitete diesen Abend als Dirigent und Begleiter und konnte auf die Unterstützung zahlreicher Helferinnen und Helfer am Klavier und am Harmonium bauen. Ein zutiefst bewegender, aufwühlender Abend an der Kölner Oper, den niemand im gut gefüllten Auditorium vergessen wird. Es ist zu hoffen, dass die großzügigen Geldspenden aller Besucherinnen und Besucher dazu beitragen, das Elend der Menschen in der Ukraine, ganz besonders der Kinder ein wenig zu lindern.
Norbert Pabelick
08.03.2022