Köln: „Don Giovanni“, Wolfgang Amadeus Mozart

Man durfte gespannt sein, was der neue Don Giovanni an der Oper Köln wohl bringen würde, wurde in der Ankündigung doch versprochen, dass Regisseurin Cecilia Ligorio „den Mythos ‚Don Giovanni‘ auf eine heutige Art und Weise aus weiblicher Sicht“ erzählen wolle. Nun, geübte Operngänger wissen, dass es manchmal Konzepte gibt, die man als Zuschauer schlichtweg nicht sieht, und das ist dann auch gar nicht schlimm. Genau das ist hier der Fall, und so ist ein absolut gefälliger, solider Opernabend entstanden, der ohne jegliche Verkopfung auskommt und am Ende mit freundlichem Beifall belohnt wird.

Dabei erzählt die Regie die Handlung stringent und mit einer erfreulichen Leichtigkeit, die sich auch dem Humor des Werkes nicht verschließt. Gerade die Frauenrollen geraten stark, und wenn diesen Abend etwas auszeichnet, dann ist es die Energie der handelnden Figuren, ein gutes Tempo und – Dank der sich viel drehenden Bühne von Gregorio Zurla – sich immer wieder neu erschaffende Räume, durch die Don Giovanni in seiner Gier nach neuen Erlebnissen taumelt. So gerät beispielsweise das Finale des ersten Aktes zu einer rasanten Verfolgungsjagd.

© Sandra Then

Wirft man einen Blick auf die Figuren, so sind diese alle durch die Bank weg gut gezeichnet und sprühen nur so vor Lebendigkeit und Vitalität. Die Rezitative sind sehr gut gearbeitet und verlieren jede Sprödigkeit – nicht zuletzt durch die virtuose Begleitung von Luca Marcossi am Hammerflügel. Der Don Giovanni von Seth Carico ist (natürlich) der wilde, unbändige Verführer, der – und da mag man fast Mitleid bekommen – aber scheinbar auch Opfer seiner Triebe ist. Der Leporello von Adrian Sampetrean unterstreicht diesen Eindruck noch, ist dieser mit seiner Rolle neben seinem Herrn doch wahrlich nicht immer glücklich. Beide zusammen kommen auch weniger in einem Angestelltenverhältnis, denn als „best buddies“ daher – das funktioniert soweit ganz gut und bringt der Szene eine gewisse Lockerheit. Sängerisch sind beide eine gute und solide Besetzung für die Partien. Die Frauenfiguren des Abends sind aber die echten Stars, gerade die Donna Elvira von Valentina Mastrangelo ist eine Wucht. Stimmlich auf den Punkt wird ihre Elvira nicht zum weinerlichen verlassenen Weibchen, sondern zur Powerfrau, und das tut gut, denn wie oft gerät diese Figur ins Unsympathische, weil sie so larmoyant gezeichnet wird? Kathrin Zukowski als Donna Anna ist für Mozart eine sichere Bank, und auch wenn ihre Figur natürlich durch den Verlust des Vaters deutlich mehr zum Leiden verdammt ist, betont sie gerade die wütende Aspekte ihrer Figur so, dass sie eben auch eine Stärke hat, die sie nahbar macht. Mit ihrem angenehmen Sopran ist sie wahrlich eine Idealbesetzung für die – auch musikalisch – so verschiedenen Facetten ihrer Figur. Auch die Zerlina von Giulia Montanari überzeugt voll und ganz – sowohl im Spiel wie in der Leichtigkeit ihrer Stimme.

© Sandra Then

Wolfgang Stefan Schweiger schmeißt sich szenisch in die Partie des Masetto, bleibt aber insgesamt etwas verhalten, wie auch der Don Ottavio von Dmitry Ivanchey.  Die Anlage der Figur des Komturs ist in erster Linie ein Problem der Regie, denn wenn ein junger Sänger „auf alt“ spielen muss, dann geht das selten gut – so auch hier. Christoph Seidl verfügt über eine schöne, kultivierte Stimme – das Alter und letztlich auch das dröhnend-diabolische im Finale der Oper kann man aber vermissen. Ungeschickt ist die Regie auch, wenn sie ihn bereits in der Friedhofsszene über die Bühne staksen lässt. Da kann noch so viel Bühnennebel versuchen, Mystik zu generieren – die Überraschung, dass eine Statue oder ein Toter eine Einladung zum Essen annimmt und dann wirklich auch kommt, ist denkbar gering, wenn man ihn vorher schon über die Bühne laufen sieht. Und so leicht und beschwingt der Abend über weite Strecken überzeugt – im Hinblick auf den Komtur und auf die Frage, was denn da nun am Ende im Hause Don Giovannis wirklich passiert, gibt die Regie keine befriedigende Antwort. Da helfen auch die oftmals entbehrlichen Tänzer mit teils wirklich wenig passenden Choreographien (Daisy Ranson Philips) nichts. Der klein besetzte Chor der Kölner Oper erledigt seine in diesem Werk überschaubare Aufgabe absolut zufriedenstellend.

Letztlich ist der Abend aber eine durchaus gefällige Produktion, die ihr Publikum sicher finden wird, denn – das sei bei allem Gemecker des Rezensenten deutlich gesagt: Die Produktion ist kurzweilig und macht über weite Strecken wirklich gute Laune. Er besticht durch Lockerheit und Ungezwungenheit, durch viel Energie und Spielfreude.

© Sandra Then

Die musikalische Leitung liegt in den Händen des ehemaligen Essener GMD Tomáš Netopil, der einen flotten, zügigen Mozart musiziert. Dass er dabei gelegentlich fast die Sänger abhängt, ist zu entschuldigen, denn die Energie aus dem Graben ist der Motor des Spiels auf der Bühne. Das Gürzenich-Orchester spielt brav auf, entfaltet einen angenehmen, weichen Klang – nennenswerte Höhepunkte, Delikates oder Bewegendes bleiben aber aus.

So endet die Premiere mit einem dankbaren Applaus, der einzig für die beiden Donnas nennenswerte Bravos hören lässt. Neun Jahre nach einem nicht so recht überzeugenden Don Giovanni hat diese Neuproduktion zwar das Zeug, das Publikum zu unterhalten, ein wirklich großer Wurf oder eine beeindruckende neue Sicht auf das Werk ist aber nicht gelungen, und wo nun die explizit weibliche Sicht war… man weiß es nicht.

Sebastian Jacobs, 10. März 2025


Don Giovanni
Wolfgang Amadeus Mozart

Oper Köln

Premiere am 10. März 2025

Inszenierung: Cecilia Ligorio
Musikalische Leitung: Tomáš Netopil
Gürzenich-Orchester Köln